Daniela Kolbe und der Abendbrottisch ihrer Eltern | 01 Zukunft gerecht Talk

Shownotes

Schon früh stritt Daniela Kolbe mit ihrem Vater am Abendbrottisch, dass Ungerechtigkeiten wie Kinderarmut nicht vom Markt geregelt werden können. Das Thema Verteilungsgerechtigkeit zieht sich durch ihren Lebenslauf. Wie sie sich als "rote Socke" innerhalb ihrer Familie profilierte und ihr politisches Engagement bis hin zur SPD-Bundestagsabgeordneten vorantrieb (aber auch bereit ist, das Mandat wieder loszulassen), erfahren wir im Gespräch mit Christian Krell.

Gast: Daniela Kolbe (SPD), Moderation: Christian Krell

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00:00:00: Ja, herzlich willkommen zum Zukunft gerecht Podcast der Friedrich Ebert Stiftung.

00:00:11: Das ist unser offizieller Titel, unser heimlicher Titel, unser Arbeitstitel ist Unterfreunden.

00:00:17: Wir wollen Unterfreunden ein bisschen ins Gespräch kommen, wie man das Unterfreunden ebenso tut,

00:00:22: offen, ehrlich, vielleicht manchmal auch kritisch, aber immer einander zugewandt und wir wollen

00:00:27: reden über Gerechtigkeit, über Politik, darüber was Menschen antreibt, sich für Gerechtigkeit zu

00:00:33: engagieren und einzubringen und ich freue mich sehr, dass wir heute eine wie ich finde super

00:00:37: spannende Gesprächspartnerin haben, Daniela Kölbe aus Leipzig sozusagen dazu geschaltet. Schön,

00:00:43: dass du da bist und dass du Zeit hast, Daniela. Herzlich willkommen. Ja, aber sehr gerne für so

00:00:49: ein tolles Format, immer doch. Super, das freut uns sehr, Daniela, du bist gerade 41 Jahre alt geworden,

00:00:56: du engagierst dich seit deinem 16. Lebensjahr mindestens für eine gerechtere Welt, wenn man so will.

00:01:03: Du warst bei den Falken aktiv, bei den User, später Generalsekretärin der SPD in Sachsen.

00:01:10: Du bist seit 2009 Bundestagsabgeordnete, damals jüngste Bundestagsabgeordnete und dieser

00:01:18: Lebensabschnitt kommt jetzt zu einem Ende, wenn man so will. Du trittst nicht nochmal für den Bundestag an,

00:01:23: wir werden darüber reden, warum, aber wir starten diese Gespräche in der Regel ja etwas früher,

00:01:30: bei früheren Engagementstationen, wenn man so will, wir wollen darüber reden, ob es vielleicht

00:01:35: bei dir einen bestimmten Ort gibt, den du mit deinem frühen Engagement verbindest,

00:01:39: ein Ort, wo es vielleicht eine besondere Ungerechtigkeitserfahrung gab, die dich motiviert hat,

00:01:45: dich für Gerechtigkeit zu engagieren oder vielleicht ein Ort, wo du dich zuerst engagiert hast,

00:01:51: mit dem du heute noch sozusagen in Verbindung stehst, gibt es irgendein Ort der Gerechtigkeit,

00:01:58: der sozialen Gerechtigkeit in deinem Leben? Wenn ja, welcher wär das?

00:02:02: Tja, bei mir ist das tatsächlich ein Ort, an dem ich immer nochmal wieder zurückkehre,

00:02:08: das ist der Amprutztisch meiner Eltern. Das ist der Ort, wo ich mich ganz stark politisiert

00:02:15: habe, wo es ständig um soziale Gerechtigkeit ging, seit ich Teenagerin bin, gewesen bin.

00:02:24: Warum? Weil mein Vater ganz anderer Ansicht war als ich. Mein Vater ist so ein konservativer

00:02:33: Grüner, würde ich das mal nennen, aber schon immer der Auffassung gewesen, dass ja schon jeder

00:02:39: eigentlich selber verantwortlich ist dafür, wie er lebt oder wie sie lebt und dass der Staat sich

00:02:47: doch da weitgehend bitte raushalten soll und das fand ich eine sehr verstörende Haltung

00:02:53: angesichts von Kinderarmut und von Ungerechtigkeit in der Welt, sodass ich mich dort immer wieder

00:03:00: in die Diskussion begeben habe, mit ihm und gestritten habe bis aufs Messer. Am Anfang habe

00:03:06: ich da häufig den Kürzeren gezogen, was vielleicht nicht verwunderlich ist, aber ich habe an

00:03:13: diesen Diskussionen auch sehr viel gelernt. Das vielleicht absurde ist, dass mein Vater mir

00:03:18: trotzdem gleichzeitig auch ein Vorbild war, der hat an vielen kleinen Stellen, hat er sich in seinem

00:03:23: Nahfeld engagiert, hat Bäume gepflanzt, hat sich für die Umwelt eingesetzt und hat mir damit

00:03:30: eigentlich auch auf den Weg gegeben, dass man selber was machen kann und so widersprüchlich

00:03:35: ist das dann ja. Auf der einen Seite fand ich seine Position geht gar nicht, aber das, was er

00:03:40: gemacht hat, fand ich ziemlich bewundernswert und das hat mich sehr motiviert, selber was zu machen.

00:03:45: Anders als er das wollte allerdings. Ich war dann ganz lange die rote Socke in der Familie,

00:03:50: aber ich habe das als Auszeichnung für mich genommen. Absolut und du wurdest ja offenbar immer

00:03:56: wieder eingeladen an diesen Abendbrot-Tisch. Glücklicherweise ist es schlimm wärswendig,

00:04:04: ja es gibt ja Familien, die an solchen Konflikten vielleicht zerbrechen, aber das war an der

00:04:08: Stelle nie so im Gegenteil. Mein Vater hat dann später auch sogar und das habe ich als sehr

00:04:14: große Auszeichnung empfunden, für mich Plakate gehängt und das kann ich wirklich nur als sehr

00:04:21: große Auszeichnung empfinden, weil politisch ist das bei Weiten nicht seine Heimat, die SPD.

00:04:27: Und wenn man mich nach weiter nach Orten fragt, gibt es noch einen zweiten, auch der ist relativ

00:04:34: früh in meiner Jugend, der mich nochmal so ein bisschen noch mehr geboostet hat. Das ist 1996

00:04:44: gewesen, da war ich 16 und da war in Bonn das UC Festival International Union of Socialist Youth.

00:04:51: Und da haben Falken und Usus, waren die Gastgeber sozusagen von ganz vielen internationalen

00:04:58: Organisationen, die dort in Bonn zusammen gekämmt haben und ich war durch Zufall bin ich dort

00:05:06: hingekommen über Freunde, die mich mitgenommen haben und das war für mich nochmal so ein ganz

00:05:11: krasses tolles Erlebnis. So viele engagierte Leute gibt es, die so ähnlich ticken, wie man selbst,

00:05:19: man spürt so eine ungeheure Kraft, das war für mich ein ganz tolles Gemeinschaftserlebnis,

00:05:26: aber auch eine Motivation eben nicht nur zu diskutieren und zu streiten im Privaten,

00:05:32: sondern auch tatsächlich was zu machen und aktiv zu werden. Ich habe damals auch dort

00:05:37: Andrea Nahles erlebt, auch im persönlichen Gespräch, die damals Juse Vorsitzende war und das war so

00:05:44: ein ganz einprägsames Erlebnis, was ich mir wünschen würde, dass es das wieder normaler und

00:05:50: häufiger gibt, dass Kinder und Jugendliche auch mal so eine Camp-Erfahrung machen, mit vielen

00:05:56: anderen zusammen erleben, etwas erleben, Gemeinschaft erleben, aktiv werden, aber das ist

00:06:03: vielleicht so ein bisschen meinem Falken-Hintergrund geschuldet, dass ich das so wichtig und gut

00:06:07: finde. Die Falken sind dann ja eine Station, an der du weiter sozusagen gearbeitet hast,

00:06:13: ich weiß nicht, ob das sozusagen nach diesem Jucy Festival in Bonn war und du da dann zu den

00:06:19: Falken gefunden hast oder ob du vorher schon bei den Falken warst, was hat die Falken ausgemacht?

00:06:24: Das ist eine Jugendorganisation, viele junge Gleichgesinnte irgendwie finden da zusammen.

00:06:29: Wie hast du das in Erinnerung? Ich war vorher so ein bisschen bei den Falken, kannte ein paar

00:06:35: Indiana damals und das Jucy Festival war für mich aber so der Moment, zu sagen jetzt engagiere ich

00:06:42: mich. Warum fand ich das spannend? Ja, eine Organisation, wo Kinder und Jugendliche sich

00:06:48: selbst organisieren, das fand ich super spannend, also nicht irgendwie die Erwachsenen bestimmen

00:06:54: und die Kinder machen, sondern Jugendliche können selbst überlegen versuchen anderen Kindern und

00:07:02: Jugendlichen mit Rat und Hat Seite zu stehen. Das hat mich sehr stark angezogen und es hat auch

00:07:08: funktioniert. Also wir haben als Jugendliche dann Camps organisiert und Ferienfreizeiten

00:07:14: organisiert für Kinder, die nicht so viel Geld hatten, die aus Familien gekommen sind, die nicht

00:07:21: so viele Chancen hatten und das fand ich beeindruckend, wie schnell man dann auch was machen kann.

00:07:26: Das war genau das Richtige für mich in dem Moment, zumal das Thema Kinderarmut mich immer sehr

00:07:32: umgetrieben hat. Das fand ich auch in den Diskussionen mit meinem Vater immer so die schreiende

00:07:38: Ungerechtigkeit. Wieso kann das sein, dass man in einem Land lebt, das eigentlich reich ist und dann

00:07:43: hängt es aber so sehr davon ab, was für einen Elternhaus man geboren ist, ob man überhaupt

00:07:49: eine Chance hat oder nicht. Und das ist auch ein Thema, was mich nach wie vor umtreibt. Das ist

00:07:53: eigentlich eine große Katastrophe, die wir da erleben. Das ist so stark davon abhängen, wo

00:07:59: werde ich reingeboren und nicht, was habe ich zwischen meinen Ohren, was habe ich an Fähigkeiten

00:08:02: mitbekommen. Ja, das ist auch etwas, woran wir weiter dringend arbeiten müssen.

00:08:07: Und das ist ja etwas, was vielleicht auch deshalb so wie ich finde dramatisch ist, weil bei Kindern

00:08:14: ja klar ist, dass sie selbst keine Verantwortung dafür tragen, wie sie ins Leben geboren werden.

00:08:19: Es gibt ja Gerechtigkeitsphilosophien, die sagen, na ja, also man muss auch selber sein Beitrag

00:08:24: dazu leisten, zum Verlauf des Lebens und ob es einem dann gut oder schlecht geht. Das hängt

00:08:30: auch von der eigenen Leistung ab. Das kann man auch hinterfragen. Aber selbst wenn man das akzeptiert,

00:08:34: gilt es natürlich nicht für Kinder. Na, beziehungsweise, wenn gar nicht gesehen wird,

00:08:39: was jemand leistet, ja, das ist ja eigentlich, das ist ja so interessant. Neoliberale sagen dann immer,

00:08:46: es ist halt eine Leistungsgesellschaft, wenn du nicht ausreichend leistest, dann wird halt nichts

00:08:52: aus dir. Aber das Absurde ist ja, es wird gar nicht geguckt, was können diese Kinder leisten. Sie

00:08:58: haben überhaupt nicht die Möglichkeit, aus ihren Fähigkeiten, aus ihren mitgegebenen Chancen

00:09:05: irgendetwas zu machen, weil die gar nicht sich entwickeln können, gar nicht in den Maße wahrgenommen

00:09:11: werden, wie das bei anderen Kindern der Fall ist. Das ist eigentlich das Gegenteil von Leistungsgesellschaft.

00:09:17: Das ist vollkommen egal, was in manchen Milieus Kinder tun oder nicht tun, weil das eben erschreckender

00:09:25: Maße wenig Einfluss darauf hat, was sie dann machen. Es gibt natürlich immer die Ausnahme,

00:09:31: es ist jetzt sehr schwarz-weiß formuliert von mir. Natürlich gibt es auch ganz tolle Kinder aus

00:09:37: sozial nicht so gut aufgestellten Familien, die einen tollen Weg machen und sich da durchbeißen. Aber

00:09:45: immer ganz vielen klappt das eben nicht. Das war bei den Falten. Du hast dich dann später trotzdem

00:09:52: dazu entschlossen, nicht bei den Falten zu bleiben. Das ist ja auch ein bestimmter biografischer

00:09:56: Abschnitt, sondern du hast dich engagiert in einer Partei. Zunächst bei den Jusos, dann bei der

00:10:02: SPD insgesamt. Und das ist ja was, wo vielleicht der ein oder andere sagen würde, also Partei,

00:10:07: das ist manchmal bürokratisch schwerfällig. Das sind ganz viele Menschen. Warum war das für dich

00:10:12: der richtige Ort, um sich zu engagieren? Na ja, also bei mir war das irgendwann so, ich stand am

00:10:19: Wahlkampf, stand der SPD und habe Wahlkampf für die SPD gemacht, weil ich einfach das für das

00:10:23: überzeugendste Programm gehalten habe und ja auch bei den Jusos aktiv war und dann war es einfach

00:10:31: nur absurd, dort nicht auch Mitglied zu sein. Also so rum war das tatsächlich bei mir. Ich bin

00:10:35: über das Engagement und das Engagement war als erstes da und dann kam die Partei mit Gliedschaft

00:10:39: hinterher. Aber tatsächlich glaube ich, ist die SPD für mich die richtige Partei, weil sie nicht

00:10:49: nur erzählt, was sie gerne machen möchte, sondern es halt auch tut. Das ist für mich der große

00:10:55: Unterschied im Bereich der sozialen Gerechtigkeit zu anderen Mitbewerbern. Nicht nur irgendwie schön

00:11:01: reden, wie man die Welt gerne hätte, sondern sich konkret Gedanken machen, wie man im konkreten

00:11:07: Einzelfall und im konkreten Spezialfall das auch hinbekommt und sich dafür auch in unangenehme

00:11:15: Situationen bringen. Das finde ich, das ist das herausragende an der SPD. Also schon immer gewesen,

00:11:21: aber auch in der jetzigen Zeit etwas unglaublich wertvolles. Und wenn Leute sagen,

00:11:30: ach, Partei, doof, kann ich nur sagen, ja, probiert es doch einfach mal aus. Also meine

00:11:36: Wahrnehmung ist gerade, ich bin nun ein ostdeutsches Pflänzchen. Im Ostensee sind die Parteien so schwache

00:11:41: auf der Brust personell, dass man auch als Einzelpersonen mit ein bisschen Engagement innerhalb

00:11:47: kürzester Zeit erstens viel wuppen kann, viel in Bewegungen setzen kann, einen Unterschied

00:11:53: machen kann und auch eine Netzwerke sich aufbauen kann, was durchaus auch einem persönlich was

00:11:59: bringt. Parteien sind ja schon auch interessante Orte, wo einfach unglaublich unterschiedliche

00:12:04: Menschen zueinander finden, weil sie eine ähnliche Idee haben. Davon profitiert man auch ungemein.

00:12:11: Also ich weiß nicht, woher der schlechte Ruf von Parteien kommt, wundert mich immer wieder.

00:12:16: Es ist ja vielleicht so ein bisschen dann wie dieses Use Your Festival 96. Es sind viele

00:12:22: unterschiedliche Menschen aus unterschiedlichen Ländern mit unterschiedlichen Hintergründen,

00:12:26: die aber ein Ziel haben, die irgendwas antreibt und verbindet. Ja gut, aber ein bisschen weniger

00:12:32: Workshop-Charakter und ein bisschen weniger Lagerfeuer ist dann in Parteien. Doch das muss man der

00:12:37: Ehrlichkeit halber schon dazu sagen. Und natürlich sind die Menschen unterschiedlicher als auf einem

00:12:44: Jugendcamp. Das finde ich aber gerade das Spannende, dass man eben nicht nur in der eigenen Soße

00:12:48: schwimmt, was man ja so im Privaten vielleicht dann doch mal macht, gleiches Milieu,

00:12:54: gleiche Wertvorstellung. In so einer Volkspartei ist es ja dann doch manchmal ein bisschen breiter

00:13:02: aufgestellt. Mehr Generationen auch mal andere Berufshintergrund und manchmal auch eine andere

00:13:11: inhaltliche Position, mit der man sich auseinandersetzen kann und muss insofern sehr spannend.

00:13:17: Das wäre für dich, wenn ich das richtig verstehe, ein wichtiger Unterschied sozusagen der Volkspartei,

00:13:22: ein Vergleich zu anderen Parteien, die dann vielleicht mehr von ihrer eigenen Bubble

00:13:27: geprägt sind. Ja, na ja klar ist es einfacher jetzt zum Beispiel, wenn ich mal zu den Grünen

00:13:33: gucke, wo man würde ich sagen noch mal sehr stark in einem Milieu vor allen Dingen rekrutiert.

00:13:40: Aber es ist schon interessant, die SPD hat die Chance und auch das Problem, dass eigentlich alle

00:13:46: Konflikte, die wir in der Gesellschaft haben, auch in der Sozialdemokratie ausgetragen werden,

00:13:52: also wenn es um Migration, Klimawandel, Digitalisierung geht, da hat man ja eigentlich in der SPD schon

00:14:00: die Konflikte auch durchaus da und kann sie im Kleinen diskutieren und dann überlegen,

00:14:08: wie löst man das denn dann im Großen? Das ist eigentlich eine große Chance. Nicht ohne Grund

00:14:12: hat ja zum Beispiel, was die SPD, die die Kohlekommission vorgeschlagen hat und durchgesetzt hat,

00:14:18: dass mal alle aus ihren Schützengräben rauskommen. Nicht die einen sagen, niemals raus aus der Kohle

00:14:26: und die anderen sagen sofort raus aus der Kohle. Aber man redet eigentlich nicht miteinander,

00:14:31: sondern dass alle an einen Tisch kommen und sagen jetzt reden wir aber mal. Und plötzlich ging es gar

00:14:35: nicht mehr um das "ob", sondern es ging ums "wie". Es fand ich einen ganz interessanten Effekt. Und ich

00:14:43: glaube, dass die SPD dazu beitragen kann, dass das bei anderen Konflikten gelingt, dass man einfach

00:14:49: unterschiedliche Positionen ins Gespräch bringt. Ja, ein stellvertretender Ordner, wo Debatten stellvertretend

00:14:56: für die gesamte Gesellschaft vielleicht ausgetragen werden. Das ist eben den Osten schon angesprochen.

00:15:03: Ich habe in irgendeinem Interview von dir was Interessantes gelesen. Du sagst da, ich vertrete die

00:15:09: Aussies gerne, aber sie nerven mich manchmal auch. Dieses passive, dass die da oben sollen mal machen.

00:15:14: Was nervt da? Was ist das für ein Blick auf Politik vielleicht auch? Ja, das habe ich vielleicht

00:15:22: ein bisschen überspitzt gesagt, aber ich wollte auch ein bisschen mal zurückpiegseln vielleicht.

00:15:29: Also Martin Doolich hat das beschrieben, so mit dem "Demokratie ist kein Pizzalieferdienst".

00:15:37: Ich bestelle, du lieferst. So, das ist tatsächlich etwas, was ich leider häufig wahrnehme, dass

00:15:46: Menschen so, dass so, ich bin der Bürger, ich bin das Volk, du bist die Politik. Ich sage dir, was du

00:15:55: zu tun hast und wenn du das machst, dann okay, wenn du es nicht machst, böse. Das ist natürlich in

00:16:02: der Demokratie eine total absurde Vorstellung, wie das funktioniert. Als könnte ich Schnips machen

00:16:10: und es würde irgendwas passieren. Ich muss es auch besprechen und ein Kompromiss finden. Und als wäre

00:16:18: ein Bürger, also gäbe es das Volk mit einer Position so ein Quatsch. Also ich habe wirklich

00:16:24: die Erfahrungen früher, also vor einigen Jahren ist noch der Hans-Peter ins Büro gekommen und

00:16:29: dann als es hochkochte, war das das Volk. Ja, da hat der Hans-Peter nicht mehr gesagt, meine Meinung ist,

00:16:36: sondern das Volk will, wo ich auch so dachte, es ist ja jetzt nicht dein Ernst, weil zwei Stunden

00:16:42: später habe ich ein Bürgergespräch, da sagten mir die Personen genau das Gegenteil von dem. Aber diese

00:16:49: Wahrnehmung, das was ich denke, ist die Volksmeinung, ist eine Mehrheitsmeinung. Das rührt natürlich

00:16:55: auch daher, dass man viel zu wenig im Gespräch ist mit Menschen mit anderer Meinung. Ich habe auf den

00:17:00: Eindruck, dass dann viele Leute gefangen sind in ihrer eigenen Bubble, da gar nicht mehr rauskommen

00:17:05: und wirklich das Gefühl haben, dass sie eine Mehrheitsmeinung vertreten. Und es ist nochmal

00:17:11: verhandelt, weil natürlich es nicht ist, wir hier unten, die da oben, sondern es ist ja, das ist für eine

00:17:20: Demokratie, es ist so eine Vorstellung Gift. Und ich erlebe das auch anders. Ich sehe, wie junge

00:17:28: Leute sich engagieren und sehr wohl wahrgenommen werden in den Parteijugenden oder Fridays for Future

00:17:34: oder an vielen anderen Stellen. Also das heißt, wenn ich in den Diskurs gehe, wenn ich diskutiere,

00:17:41: wenn ich Position vertrete, dann kann ich sehr wohl was bewirken. Da muss ich nicht so einen,

00:17:46: die wir hier unten, die da oben spielen spielen. Das hat ja auch viel, wenn man nochmal an den

00:17:52: Anfang unseres Gesprächs denkt, viel mit Gerechtigkeit zu tun. Also wenn ich quasi nur mich und meine

00:17:57: Welt sehe und meine Bedürfnisse sehe und nicht sehe, wo der andere vielleicht Bedürfnisse hat,

00:18:01: dann ist es ja schwierig, dem gerecht zu werden sozusagen. Also diesen Bedürfnissen irgendwie

00:18:07: entgegenzukommen. Glaubst du, wie kann man das aufbrechen? Du hast schon darüber gesprochen,

00:18:11: man muss einfach mehr miteinander ins Gespräch kommen. Das ist ja schwer, das zu steuern und

00:18:17: zu organisieren. Was sind Möglichkeiten, um das aufzubrechen? Nein, ich glaube, es hat unterschiedliche

00:18:24: Ebenen. Das eine ist so das Persönliche, dass man, was ich mir wünschen würde, dass alle

00:18:29: Interfragen, wie sie eigentlich agieren und wie sie auch mit Menschen mit anderer Meinung umgehen. Ich

00:18:38: würde immer die extreme Recht, also Neonazis hier mal ausklammern wollen, ja. Über die rede ich

00:18:44: gerade nicht. Aber Menschen mit anderen Meinungen, wie gehe ich eigentlich mit denen um? Mit was für

00:18:53: Meinungen umgebe ich mich eigentlich in den sozialen Medien, aber auch privat. Und das wünsche ich mir

00:18:58: von allen Seiten. Ich wünsche es mir auch tatsächlich von so dem großstädtischen alternativen

00:19:03: Milieu, das mal zu hinterfragen. Also wie gehe ich eigentlich mit was für einer, gehe ich wirklich

00:19:11: gleichberechtigt mit Menschen um, die jetzt zum Beispiel im Dorf leben und sich dort in der freiwilligen

00:19:18: Feuerwehr engagieren, also sich ja auch engagieren und aber vielleicht mal sich politisch mega korrekt

00:19:27: an jeder Stelle ausdrücken. Wie gucke ich denn auf die, gucke ich auf die wirklich gleichberechtigt

00:19:34: oder will ich mit denen was zu tun haben überhaupt. Das ist so ein Wunsch auf individueller

00:19:40: Ebene, dass man tatsächlich sich selbst auch ein Stück reflektiert. Auch diejenigen, die glauben

00:19:45: schon, dass sie sich sehr stark reflektieren. Es geht aber dann natürlich auch um um Verteilung von

00:19:51: Chancen und Verteilung von Ressourcen. Weil Respekt drückt sich eben nicht nur aus, dass ich darin aus,

00:19:58: dass sich der Person gegenüber, die mir das Zimmer sauber macht oder den Latte Macchiato bringt,

00:20:05: respektvoll gegenübertrete, sondern es drückt sich auch in guten Löhnen aus und in einer vernünftigen

00:20:10: Verteilung von Vermögen und Einkommen und in einer angemessenen und einer Chancengerechtigkeit

00:20:17: für die Kinder. Also ich würde schon sagen, dass da auch ein bisschen Verteilungspolitik dran hängt.

00:20:24: Also eine wichtige Voraussetzung, um miteinander ins Gespräch zu kommen, ist auch Verteilungsfragen

00:20:30: in dem Blick zu nehmen und nicht nur sie in den Blick zu nehmen, sondern auch anzugehen,

00:20:34: damit wir uns alle sozusagen vielleicht auf einer ähnlicheren Ebene begegnen können.

00:20:39: Naja, es gibt ja Menschen, die das Gefühl haben, dass sie abgehängt sind, dass sie eigentlich

00:20:47: keine Rolle spielen und das ist zum einen ein Gefühl. Es hat aber natürlich auch Fakten.

00:20:53: Ja, also wenn meine Gruppe kaum noch im Parlamenten vertreten ist und wenn meine Themen kaum wahrgenommen

00:21:01: werden und kaum repräsentiert werden, dann ist das eben nicht nur ein Gefühl, dann ist das sicherlich

00:21:07: auch ein Fakt und deswegen finde ich das richtig, was Olaf Scholz gerade macht, nämlich genau diesen

00:21:12: Menschen wieder eine Stimme zu geben, sie sichtbar zu machen, sie anzusprechen, also sie auch mit ihnen

00:21:21: über sie über ihre Lebenslagen zu sprechen und das habe ich lange herbeigeshen, dass es die SPD wieder tut.

00:21:31: Du warst ja selber und bist daran beteiligt, nicht nur an der Vorbereitung eines neuen Wahlprogramms,

00:21:39: was in diesen Tagen verstärkt diskutiert wird. Du hast ja lange Zeit parlamentarisch dich mit

00:21:44: diesen Themen auseinandergesetzt, du warst im Ausschuss für Arbeit und Soziales, warst Sprecherin

00:21:49: der Fraktion für Verteilungsgerechtigkeit. Wann gab es den größten Glücksmoment in dieser Zeit?

00:21:54: Wann hattest du das Gefühl, jetzt haben wir echt richtig was bewegt und erreicht für mehr Gerechtigkeit?

00:22:00: Einmal innerhalb des Parlaments und einmal innerhalb der Partei, das tatsächlich war der

00:22:08: beschlusstesten Mindestlohns für mich ein echtes Gefühl des Glücks, dass man endlich mit dieser

00:22:18: Spirale, es ging immer weiter nach unten für bestimmte Lohngruppen, endlich mal Schluss gemacht hat

00:22:23: und den ganzen Leuten da draußen, die Herr Sinn hat erzählt, dass dann millionen Jugendliche

00:22:29: keine Arbeit mehr finden und die Jugendarbeitslosigkeit und Millionen Jobs werden verloren gehen.

00:22:35: Dass man denen mal gesagt hat, wir machen das jetzt, weil das gehört sich nicht, was hier an

00:22:40: unterirdischen Löhnen gezahlt wird und das Ergebnis ist natürlich auch großartig, also eher zu sehen,

00:22:46: dass tatsächlich die Löhne gestiegen sind, nicht nur auch endlich wieder in den unteren Bereichen,

00:22:52: aber auch um drüber und dass von wegen, da sind keine Arbeitsplätze verloren gegangen,

00:22:57: es sind eher neue Arbeitsplätze entstanden und das zweite Glücksgefühl war innerhalb der Partei,

00:23:05: als wir das Sozialstaatspapier beschlossen haben. Also sozusagen de facto, wir lassen Hartz IV

00:23:13: hinter uns, wir wollen wieder gehen in Richtung eines Sozialstaats, das der auf Augenhöhe ist,

00:23:18: der jetzt gegenüber nicht erstmal als jemanden der potentielle Sozialleistung mitnehmen will,

00:23:26: sondern als Partner, den man in einer schwierigen Lage unterstützt, der versucht,

00:23:31: Lebensleistung auch anzuerkennen, wie jemand mitgebracht hat, ein Recht auf Arbeit gibt,

00:23:38: eine Perspektive gibt, das war auch ein echtes Glücksgefühl.

00:23:41: Gab es einen großen Frustmoment, den du mit uns teilen möchtest, vielleicht sogar mehrere?

00:23:49: Ja, es gab auch und es gibt natürlich im parlamentarischen beständig Frustmomente,

00:23:57: wenn man mit den Konservativen zusammenregiert, was denn sonst, also mit unter, mit abstrusen

00:24:05: Argumenten wären dort sinnvollste Sachen abgelehnt, das ist, könnte gar nicht mehr aufhören,

00:24:18: wenn ich jetzt anfangen würde, die Frustmomente aufzuzählen, aber da muss man durch, ja, also

00:24:23: entweder man sagt, oh, das frustet mich jetzt aber und ich will gar nicht mehr morgens aufstehen,

00:24:29: oder man sagt, nee, ich kämpfe jetzt dafür, dass wir wenigstens das, was wir durchkriegen,

00:24:33: und das ist eine ganze Menge, also wenn ich jetzt hätte nie gedacht, dass wir es hinbekommen,

00:24:37: die Fleischindustrie so stark zu regulieren, da sind Leiharbeit und wegverträge de facto verboten,

00:24:43: ich hätte das nicht erwartet bei der Riesenlobby von denen, wenn die Grundrente hingekriegt,

00:24:49: wer hätte denn das gedacht und zwar eine Grundrente, wo wirklich auch Leute profitieren, also erstaunlich,

00:24:56: was man dann doch durchkriegt, wenn man ein bisschen Frustrationsdollaranz mitbringt.

00:24:59: Ja, die braucht man, es gibt ja dieses berühmte Wort von Max Weber, das bohren dicker Bretter,

00:25:07: also das geht nicht einfach so wie durch Butter, sondern es braucht Zeit und Ausdauer und manchmal

00:25:13: dann auch Frustrationsdollaranz. Manche der Veränderungen, die du angesprochen hast, also etwa

00:25:18: die Regulierung der Fleischindustrie, die sind jetzt möglich geworden in dieser Krise, in der

00:25:24: wir sind, in dieser Corona-Situation, in der Pandemie-Situation, ja, das hat vieles in Bewegung

00:25:28: gesetzt, wo vorher Menschen sich gefragt hätten, ist es denn überhaupt möglich bis hin zu großen

00:25:33: Fragen, wie wir den Staat sehen und auf den Staat schauen, aber wir sehen gerade an ganz

00:25:38: vielen Stellen, wir brauchen den Staat. Zugleich gibt es auch ganz viele Verwerfungen in der Krise,

00:25:45: wenn man dich bitten würde, es einfach auf den Punkt zu bringen, ist das eine Chance,

00:25:49: diese Situation, ist es eine verheerende Situation, wie würdest du das beschreiben für mehr Gerechtigkeit?

00:25:57: Ich habe mir angewöhnt auch in der schlimmsten Situation zu versuchen,

00:26:01: das positive zu sehen und so würde ich da jetzt auch angehen, das schön zu reden bringt gar nichts,

00:26:06: das ist eine unglaublich schwierige Situation, hier gehen gerade Leute in die Insolvenz, hier

00:26:13: haben jetzt Platz, Lebensträume, gerade für viele, weil die gar nicht mehr wissen, wie sie da

00:26:19: weitermachen sollen, es gibt, wir sehen, dass, also womöglich wird es viele Kinder geben, die hätten

00:26:26: ohne Corona vielleicht ihr Abi gemacht und werden das jetzt nicht machen, weil ihnen so viel fehlt,

00:26:33: das ist verheerend und was ich finde, da kann man auch gar nicht und natürlich sieht sie vielen

00:26:40: Toten und deren Angehörige und die vielen mit den Langzeit folgen, also das irgendwie schön zu

00:26:46: reden, das verbietet sich von vornherein, aber natürlich kann ich das positive auch erkennen,

00:26:51: dass plötzlich über Sozialstaatlichkeit, über Miteinander, dass man sich unterhakt,

00:26:56: dieses Gefühl vielleicht auch im eigenen Haus, ich bin nicht alleine, ich habe jemanden,

00:27:02: der da in Zweifel mir hilft, den Sozialstaat zu erleben, der versucht es abzufedern,

00:27:09: zu sehen, okay, unser Gesundheitssystem kollabiert nicht, obwohl wir dann an vielen

00:27:15: Stellen noch was besser machen mussten, aber tolle Leistung, was unser Gesundheitssystem

00:27:22: hier abliefert, das sind natürlich positive Aspekte der Krise, ja, aber trotzdem,

00:27:30: ich glaube, alle, die wir zu Hause sitzen, wünschen wir uns nicht sehendicher als,

00:27:35: dass das sofort bitte schön vorbei ist. Und das beschrieben quasi, wie du an verschiedenen

00:27:43: Stellen im Bundestag nun viel erreicht hast, Frustrationsmomente hin oder her, die gab es ja,

00:27:49: aber es gab auch diese großen befriedigenden Momente, etwa den Mindestlohn durchzusetzen.

00:27:56: Und das ist ja ein unglaublicher Hebel quasi, ein Bundestagsmandat zu haben. Man ist an einer

00:28:04: wichtigen Stellschraube, das darf man nicht überschätzen, aber auch nicht unterschätzen.

00:28:08: Und nun ist es so, dass du nicht wieder antrittst, diese Legislaturperiode ist eine letzte Legislaturperiode.

00:28:14: Was, was hat dich motiviert, sozusagen, ist reicht an dieser Stelle?

00:28:21: Ja, ich habe da schon von Anfang an, als ich mich für den Bundestag zur Wahl gestellt habe,

00:28:29: habe ich mich gefragt, was ist das jetzt, ist das jetzt das, was du bis zur Rente machst?

00:28:35: oder ist das jetzt ein...

00:28:37: was auf Zeit. Und für mich war immer klar, das mache ich nicht bis zur Rente. Also ich

00:28:43: halte das nicht durch. Ich bin erstaunt, dass manche das durchziehen, aber ich war damals 29.

00:28:49: Und für mich war klar, du bist da sehr schnell in ein sehr hohes Mandat gekommen, aber das machst

00:28:59: du besser nicht bis zur Rente. Das ist auch nicht gut für dich selbst und auch nicht für die Politik

00:29:03: im übrigen. Und insofern war für mich immer klar, dass drei so eine Zahl ist, die eigentlich eine gute

00:29:09: Zahl ist, zwölf Jahre, ein Dutzend Jahre im Bundestag. Und insofern war für mich schon weit vor der

00:29:16: letzten Ausstellung klar, okay, das ist jetzt meine letzte Runde. Und fühle mich damit sehr gut.

00:29:22: Ich habe noch keine fixen Pläne für das danach, aber ich habe das Gefühl, Ästheten der Politik gar

00:29:30: nicht so unwohl, wenn es Erklärungsbedürftig, also ich muss mich ja gerade erklären, warum ich nach

00:29:39: drei Legislaturen aufhöre. Ich finde es andersherum klüger, wenn man ab einer gewissen Zeitspanne

00:29:46: es erklären muss, warum man dann jetzt noch eine Legislatur machen muss. Weil ich glaube,

00:29:53: dass es sehr viele Menschen gibt, die was beizutragen haben und die so einen Mandat gut

00:29:57: ausführen können. Und ich glaube, es wäre gut, wenn da auch eine große Vielfalt und auch immer mal

00:30:02: einen Wechsel ist. Nicht ständig, ich sehe auch für Spitzenenter Erfahrung maximal Sinn, aber so

00:30:11: in der großen Runde des Bundestages tut ein bisschen Abwechslung bei den Personen schon auch gut.

00:30:18: Wenn wir versuchen, so ein bisschen auf die Zeit danach zu schauen, du sagst keine konkreten Pläne,

00:30:25: du bist vor kurzem in ein neues Ehrenamt gekommen, du bist stellvertretende Vorsitzende der

00:30:32: Friedrich-Ebert-Stiftung geworden, der größten und schönsten politischen Stiftung, die wir haben

00:30:38: weltweit wahrscheinlich. Erzähl, du hast sich ja viel mit politischer Bildung auseinandergesetzt,

00:30:45: hast eben darüber gesprochen, wie wichtig die ist und ein Baustein der Arbeit,

00:30:49: bei weitem nicht der einzig, aber ein Baustein der Ebert-Stiftung ist ja politische Bildung.

00:30:53: Was ist das vielleicht ein Bereich, in dem du dich möglicherweise stärker einbringen möchtest,

00:30:58: wenn ja, was sind da Ideen, was könnte da getan werden? Ja, also ich habe extrem viele Ideen

00:31:06: und politische Bildung tatsächlich ist eines, was mich umtreibt, weil ich an so vielen Stellen

00:31:11: auch an mir persönlich erlebt habe, was politische Bildung leisten kann. Es kann dazu beitragen,

00:31:16: dass sich Menschen weiterentwickeln, das richtige Werkzeug für einen Amt oder Mandat plötzlich

00:31:21: bekommen, sich als Persönlichkeiten entwickeln und ich glaube, dass das gut tut in unserer

00:31:27: heutigen komplizierten Welt. Aber es muss natürlich auf der Höhe der Zeit sein und da erlebe ich

00:31:34: auch die Ebert-Stiftung sehr wach. Ich glaube, dass man auf Themen wie Digitalisierung und andere

00:31:41: Herausforderungen eine gute Antwort finden muss, da ist die Ebert-Stiftung sehr gut dabei.

00:31:46: Und neben politischer Bildung habe ich natürlich auch einen Fokus auf Ostdeutschland, ganz klar.

00:31:53: Ich bin ein ganz bewusstes ostdeutsches Pflänzchen, obwohl ich war klein,

00:31:58: als die Wende kam, da war ich neun Jahre alt. Trotzdem habe ich das erlebt,

00:32:03: dass es was das mit den Leuten gemacht hat, die die Transformation und auch der Strukturwandel,

00:32:11: der da gefolgt ist. Und gerade in der Demokratie in Ostdeutschland ist es extrem wichtig,

00:32:17: Player zu haben, die eine Wertepasis haben und vermitteln und glaube, dass da die Ebert-Stiftung

00:32:25: ein extrem wertvoller Partner ist. So erlebe ich sie jedenfalls in Ostdeutschland, einer,

00:32:31: der auf Vertrauen genießt, einer, den die Menschen zuhören. Und die Ebert-Stiftung ist auch auf

00:32:39: dem Plattenland unterwegs, wo viele Parteien schon lange nicht mehr da sind. Das ist ein riesiger

00:32:45: Gewinn. Also es ist nicht mit Gold aufzuwiegen. Das ist dann doch noch mal eine Veranstaltung gibt,

00:32:51: wo man unterschiedliche Blickwinkel an Geboten bekommt auf nem politisches Thema. Ja, insofern

00:32:58: da will ich mich umtun, dass die Ebert-Stiftung da weiterhin so tolle Arbeit macht.

00:33:03: Ich bin gespannt, was die nächsten Monate und Jahre bringen an dieser Stelle. Und in der Tat,

00:33:10: die Ebert-Stiftung kann ja an verschiedenen Stellen quasi ein Ort für das Brückenbilden sein,

00:33:15: was du eben beschrieben hast, über unterschiedliche Milieus hinweg vielleicht. Menschen besuchen

00:33:21: vielleicht nicht unbedingt eine Parteiveranstaltung, vielleicht gehen sie aber zu einer politischen

00:33:25: Diskussion, die von anderen organisiert wird, wie einer politischen Stiftung oder wem auch immer.

00:33:30: Ja, das ist meine Erfahrung, dass das super gerne angenommen wird. Ja, auch durchaus fast als

00:33:37: kulturelles Angebot ist ja auch über Lesungen und über Diskussionen, über nicht ganz so

00:33:45: alltagspolitische Themen. Da reicht mal eben ganz viele Menschen und das tut bitte Not, weil ich

00:33:52: eben tatsächlich mit Blick auf die Demokratie in Ostdeutschland, das ist aber kein ostespezifisches

00:33:57: Thema, aber sehe, dass es dafür zu wenig Ansprache gibt. Es ist nicht so, dass man sich darauf

00:34:04: verlassen kann, dass alle Menschen in diesem Land von Geburt an Demokraten und Demokraten sind,

00:34:09: die aus vollem, voller Überzeugung fürs Grundgesetz streiten. Es gibt auch viele andere

00:34:15: Grundhaltungen, die er sich wünschen, dass es da einen starken Mann oder was auch immer gibt.

00:34:21: Sie sind jetzt noch nicht per se gleich rechtsextreme, aber an diese Menschen heranzukommen,

00:34:29: da braucht es eben diese, die starken Demokraten und Demokraten vor Ort. Dafür braucht es auch

00:34:36: Partner wie die Ebertiftung, die eben Angebote macht, um diese mutigen Leute vor Ort auch zu

00:34:41: stärken und zu unterstützen. Wenn das nicht ist, dann sieht es in manchen Stellen echt düster aus

00:34:47: für die Demokratie. Ja, das braucht Strukturen und Angebote auch in der Fläche. Ich fand

00:34:57: das eben ganz spannend. Du hast kurz über West und Ost gesprochen und ich würde an der Stelle

00:35:03: gerne noch mal ein bisschen anknüpfen, auch vor dem Hintergrund eines besonderen Datums. Vor

00:35:07: uns liegt der Internationale Frauentag. Und ich habe in dein Tweet, ein ganz interessanten Tweet

00:35:13: vom Frauentag 2019 gelesen. Da schreibst du, naja, also in Ostdeutschland ist das der viel

00:35:18: traditionsreichere und lebendigere Feiertag. Was für eine Tradition ist es? Woher kommt

00:35:24: diese Lebendigkeit, die da im Osten stärker vorherstellt als im Westen? Na ja, also das war

00:35:32: schon ein wichtiger Termin in ZDDR-Zeiten. Natürlich einer, der instrumentalisiert worden ist,

00:35:39: aber tatsächlich in den Belegschaften, in den Unternehmen war das klar, dass man am 8. März

00:35:44: den Frauen dankt und sich bedankt bei den Frauen. Und das erlebe ich dann auch, wenn man in normalen

00:35:51: Zeiten würde, wenn man ja rausgehen, am 8. März Blumen verteilen, zum Beispiel, dass jede Frau

00:35:57: weiß, um was es geht, wenn man ja am 8. März eine Blume in die Hand gibt und die Augen strahlen und

00:36:04: viele Ältere bedanken sich, dass man da dran denkt. Ja, und das finde ich eigentlich, es ist

00:36:11: wirklich eine Tradition im Osten. Ich glaube, das mir wird oft gespiegelt, dass das in Westdeutschland

00:36:16: eher nicht so tief vorwurzelt ist. Ich finde den 8. März deswegen aber auch ohne diese Tradition aus

00:36:26: DDR-Zeiten einen sehr wichtigen Termin, weil er einfach mal nochmal an was ist, sich klar zu

00:36:31: machen, dass was dort in der Frauenbewegung erkämpft und erstritten worden ist. Das ist erstens,

00:36:40: hat er kämpft und zweitens noch gar nicht fertig. Und deswegen finde ich den 8. März wichtig, klar

00:36:48: zu machen, da ist noch eine ganze Wegstrecke, die vor uns liegt und Frauen, die sich gegenseitig

00:36:53: auch ermuntern und zuofen, lass uns weiterkämpfen und die auch den wohlmeinenden Männern, die damit

00:37:01: tun wollen, auch die Hand reicht, weil man das ja als Gesellschaft auch nur gemeinsam erreichen kann,

00:37:07: dass es eine echte Gleichberechtigung gibt von Männern und Frauen. Was ich noch spannend finde,

00:37:13: du hast ja gesagt, wir müssen also quasi das erreichte Feiern bewusst sein, dass das keine

00:37:19: Selbstverständlichkeiten waren, sondern hart erkämpft und es gilt auch für weiteres zu kämpfen.

00:37:25: Was ist dieses weitere, was sind Themen, die du benennen würdest? Ich finde das heftigste ist

00:37:33: der Gender Pay Gap, noch heftiger ist eigentlich nur der Gender Pension Gap. Also das eine ist der

00:37:41: Unterschied beim Lohn, dass die größte Ungerechtigkeit ist, dass Berufe so unterschiedlich

00:37:48: bewertet werden, je nachdem ob sie vorrangig von Frauen oder von Männern ausgeübt werden,

00:37:55: das ist auch ein gesellschaftliches Phänomen, das muss man gesellschaftlich lösen und diskutieren.

00:37:59: Warum bekommt denn eine Krankenschwester nicht deutlich mehr Geld eigentlich als ein Kfz-Mechatroniker?

00:38:05: Oder also jetzt mal im Ernst, eine Krankenschwester entscheidet mit über Menschenleben, wird aber

00:38:14: gesellschaftlich ungefähr auf dem Level oder sogar unterhalb eines Kfz-Mechatronikers gesehen.

00:38:19: Ich finde, es kann man mal diskutieren, ob das ohne den Kfz-Mechatroniker in seiner Arbeit an

00:38:24: zu greifen, das ist nicht der Punkt. Aber hier machen Leute Kehrarbeit, sind bestens ausgebildet,

00:38:31: machen Nachtschichten, geben oft ganz viel Privates auch auf dafür und ich finde,

00:38:41: das was die gesellschaftliche Anrufmeldung bekommen, kann man Fragezeichen ersetzen und das macht sich

00:38:49: ja schlimmer bemerkbar beim Genderpension Gap, also bei der Rente, wo wir sehen, dass gerade durch

00:38:56: westdeutsche Biografien der Genderpension Gap bei 50 Prozent in Deutschland, das ist verheerend.

00:39:02: Also das sich um andere Menschen kümmern, um Kinder, um Pflegebedürftige, das zahlt sich für

00:39:11: die Frauen überhaupt nicht aus, weil sie in der Rente dann mit deutlich weniger Geld dastehen.

00:39:15: Und das finde ich, sind die Diskussionen, die muss man führen und das sind auch knüffelige

00:39:23: Fragen dabei. Also wie bewerten wir denn Kehrarbeit? Wir wollen einerseits keine

00:39:28: Herdprämie, weil wir nicht wollen, dass das nur ob die Frauen machen. Auf der anderen Seite

00:39:33: heißt es aber im Moment, dass diese Kehrarbeit in den Familien unbezahlt, komplett unbezahlt ist,

00:39:40: außer mit Ausnahme eines, wie ich finde, vorbildhaften Elterngeldes. Und ich finde auch da muss

00:39:48: Gesellschaft diskutieren, wie wollen wir das eigentlich handhaben. Das sind für mich die

00:39:53: beiden großen Themen. Natürlich geht es auch um Macht, um Positionen, um Repräsentanz in bestimmten

00:39:59: Positionen und um vieles mehr. Ein hartes Kopf-von-Kopf-Rennen zwischen Genderpension Gap und Genderpension Gap,

00:40:07: was schlimmer ist, wie Gap. Das hängt halt miteinander zusammen, ja, in einer Gesellschaft, wo die Rente,

00:40:14: das Abbild des Erwerbslebens ist und eben Erwerbsausrufe, Zeichen Lebens, bedeutet das,

00:40:25: dass im Moment die Frauen noch sehr stark benachteiligt sind gegenüber den Männern.

00:40:29: Und das hat ja wiederum viel mit Gerechtigkeit zu tun. Du hast ja verschiedene Gerechtigkeitsbegriffe

00:40:35: entfaltet. Wir haben über Verteilungsgerechtigkeit gesprochen und ganz kurz auch über Leistungsgerechtigkeit.

00:40:41: Und Rente funktioniert ja in gewisser Weise nach Leistungsgerechtigkeit. Also wer mehr Einzahl

00:40:46: kriegt, auch mehr raus. Aber es wird eben das an Leistung berücksichtigt, was der Markt

00:40:51: als Leistung anerkennt. Nicht das, was vielleicht gesellschaftlich wertvoll ist. Wir würden ja

00:40:56: alle sagen, dass Pflegearbeit super wichtig ist. Aber es wird vom Markt nicht als solches anerkannt.

00:41:00: Exakt. Und das hat dann dazu geführt, dass wir die Situation hatten, dass Menschen jahrzehntelang

00:41:08: eingezahlt haben und wir haben es ja eigentlich immer noch, dass Leute jahrzehntelang arbeiten

00:41:13: oder auch Kinder erziehen und dann im Alter auf einem Niveau rauskommen, als hätten sie

00:41:17: Grundsicherung, also nie eingezahlt. Das ist ja dann gerade die Umkehrung von jeder Leistungsgerechtigkeit.

00:41:26: Also es ist eigentlich Zahlen. Jeden Monat von meinem hart verdienten Geld gebe ich was ab in

00:41:32: Solidarsysteme und dann habe ich hinten raus, wird mir die Rechnung ausgestellt. Da hätte

00:41:37: wir eigentlich schwarren können, Grundsicherung kriegst du ja auch so. Das ist etwas, das war eine

00:41:44: weißende Ungerechtigkeit. Wir haben mit der Grundrente jetzt da ein bisschen was dagegen gemacht. Und

00:41:49: das ist nicht zu unterschätzen, dieses Signal, dass wir da auch das Thema Leistungsgerechtigkeit mal

00:41:56: von der Seite aufmachen. Dass eben auch diejenigen, die nicht so viel Geld verdient haben, weil das

00:42:01: man als Friseurin halt nicht so viel Geld verdient hat, bevor es den Mindestlohn gab. Und jetzt

00:42:05: Mindestlohn ist auch noch nicht so prall. Den wollen wir auch deutlich anheben, dass die zumindest in

00:42:12: der Rente dann hochgewertet werden, damit sie auf ein vernünftiges Niveau kommen. Und wir hätten

00:42:22: sicherlich noch besser gemacht. Vielleicht bekommen wir auch noch die Gelegenheit, die Grundrente

00:42:25: noch ein bisschen besser zu machen, dass man sie besser versteht und sie nicht ganz so bürokratisch

00:42:29: ist. Ja, aber das hat der Wähler und die Wählerin in der Hand. Ja, es ist noch Luft nach oben,

00:42:35: aber das, was erreicht ist, wird Lebensrealitäten von Millionen Menschen verändern. Daniela,

00:42:42: wir haben so ein kleines Dafür-Dar-Gegen-Spiel vorbereitet. Wir haben 19 Begriffe gesammelt,

00:42:48: kleines Redaktionsteam und ich. Und wir würden dich gerne bitten, zu diesen Begriffen kurz mit

00:42:55: Dafür- oder Dar-Gegen-Stellung zu nehmen. Du hast gerne natürlich auch ein Enthaltungsjoker,

00:43:01: aber wir sind natürlich auch neugierig zu erfahren, wie du zu einzelnen Dingen stehst. Und

00:43:06: wir würden einfach, wenn du gestattest, da flott durchgehen und vielleicht auch das eine oder

00:43:10: andere gerne noch später zur Vertiefung zurückkommen. Salziges Popcorn. Dafür oder Dar-Gegen?

00:43:19: Dar-Gegen. Autofreie Innenstädte. Dafür. Klappt gut. Die CO2-Steuer. Dafür. Die private Krankenversicherung.

00:43:34: Dar-Gegen braucht keiner. Frühstück im Bett. Dafür. Auch wenn's grübelt. Künstliche Intelligenz in

00:43:45: der Kranken- und Altenpflege. Dafür. Schulenöffnern bei einem Inzidenzwert über 50.

00:43:52: Das ist echt harbs, ja. Sachsen hat's gemacht und ich war Dar-Gegen und dachte, das kann eigentlich

00:44:02: nicht sein, dass du Dar-Gegen wirst, weil man natürlich weiß, was in den Familien los ist. Aber

00:44:07: ich fand's unvernünftig. Das zeigt, wie schwierig das ist manchmal mit dem Dar-Gegen und das

00:44:14: Politik so nicht funktioniert. Wir machen noch weiter ein eigenes Smartphone für Grundschüler.

00:44:19: Dar-Gegen. Das bedingungslose Grundeinkommen. Total Dar-Gegen. Musik im Fahrstuhl. Oh, das kommt

00:44:30: sehr drauf an. Dar-Gegen. Tendenzieller Dar-Gegen kommt drauf an. Eher Gartensplitting. Dar-Gegen.

00:44:39: Onlinewahlen für alle Parlamente. Auch Dar-Gegen. Bisschen die Nachtsserien gucken, auch wenn der

00:44:50: nächste Termin im Bundestag am nächsten Morgen um 7.30 Uhr ansteht. Dar-Gegen liegt aber eher an

00:44:57: den Kindern, die irgendwie nicht durchschlafen wollen. Sehr gut. Mit Rechten reden. Mit Nazis

00:45:08: nicht reden. Niemals mit Nazis reden. Mit Rechten reden. Klarer Abgrenzung. Mit der

00:45:18: extremen Rechten nicht. Mit Rechten durchaus. Ein Familienhäuser. Also habe ich jetzt nichts

00:45:26: dagegen. Sag mal so. Zimt du aus dem Rad auf dem Platten Land, finde ich. Letzte Frage,

00:45:37: wahrscheinlich einfach zu beantworten. Pizza Hawaii. Dar-Gegen. Vegetarierin.

00:45:43: Herzlichen Dank für das schnelle, sozusagen durchgehend durch eine ganze Reihe von ja

00:45:52: komplizierten Fragen. Unter anderem die künstliche Intelligenz in der Kranken- und Altenpflege

00:45:57: taucht da auf. Du hast gesagt dafür. Das ist für manche beängstigend. Manche haben Sorge,

00:46:02: andere erkennen große Potenziale. Warum dafür? Ja, ich habe eine Enquete geleitet zum Thema

00:46:08: künstliche Intelligenz. Und ich bin sehr dafür, das zu regulieren. Also KI-Systeme. Es ist

00:46:15: besonders, wo sie mit Grundrechten zu tun haben. Muss man genau hinschauen. Was machen die eigentlich?

00:46:23: Kann man sie kontrollieren? Ist das ethisch vertretbar? Aber gleichzeitig sind die Chancen

00:46:30: für künstliche Intelligenz in der Medizin so heftig groß, dass wir ziemlich doof werden,

00:46:36: das nicht zu nutzen. Also allein bei der Diagnostik sind Assistenzsysteme, die KI basiert sind,

00:46:42: für Ärzte von unschätzbaren Wert, wenn sie einfach aus ganz viel Material lernen können,

00:46:49: was das sein könnte und können gut unterstützen. Roboter, die beim, die operieren können,

00:46:57: können das viel präziser als Menschen und auch in der Altenpflege, ob das jetzt die,

00:47:04: das die intelligente, das intelligente Bett ist, was feststellt, da ist jemand rausgefallen. Oder

00:47:11: ein System ist, was hilft, die ganzen Dokumentationspflichten leichter zu machen für die Pflegekräfte.

00:47:18: Da gibt es so viele Sachen, die vernünftig sind. Warum sollte man das nicht machen? Nur weil es neu

00:47:24: ist. Also da sehe ich sehr viel, sehr, sehr viel Potenzialen. Und gerade auf Pandemien bezogen,

00:47:30: stellt euch vor KI-gestützte bessere Nachverfolgung, Impfstoffherstellung,

00:47:40: beziehungsweise Forschung und vieles mehr. Also warum sollte man da auf KI verzichten,

00:47:47: das wäre ja widersinnig. Künstliche Intelligenz und Gerechtigkeit. Wir haben viel über Gerechtigkeit

00:47:53: gesprochen. Die große Sorge ist ja, wenn man auf künstliche Intelligenz, auf Algorithmen,

00:47:58: auf Scoring schaut, dass sich bestehende Ungerechtigkeiten verstärken, weil die Entwicklungen

00:48:05: von künstlicher Intelligenz häufig Marktgetrieben sind, weil sie sozusagen profitorientiert sind

00:48:10: und jetzt keine Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit oder Gleichheit in sich tragen.

00:48:15: Ist das eine berechtigte Sorge? Und wenn ja, wie gehen wir damit um?

00:48:20: Deswegen ist ja eine gesellschaftliche Debatte darüber so wichtig und auch eine Regulierung,

00:48:28: die diese Werte mitdenkt, dass man tatsächlich das Gemeinwohl und den Menschen bei KI-System

00:48:36: in den Mittelpunkt stellt, dass KI-System etwas Vernünftiges tun sollen und nicht rein

00:48:41: marktgetriebene Prozesse, wo es der Markt schon richtet, passieren. Und ich glaube,

00:48:46: dass das gelingen kann. Also ich gebe mal ein Beispiel. Wenn man so mit Betriebsreden

00:48:53: spricht beispielsweise, dann sind die ja nicht per se gegen KI-System in ihren Unternehmen.

00:48:59: Aber sie wollen schon, dass da Arbeitnehmerinnenrechte geachtet werden, dass klar ist, was passiert

00:49:10: denn da, dass das absehbar ist, dass Datenschutz funktioniert und dass Beschäftigte als Menschen

00:49:17: wahrgenommen werden und sich Arbeitsbedingungen eher verbessern als verschlechter. Wenn ich

00:49:22: jetzt aber mal gucke, wenn in Betrieben in Europa Algorithmen einzukalten, die, sag ich

00:49:28: mal, im Silicon Valley programmiert werden, bei Amazon zum Beispiel, da gibt es die ja schon.

00:49:35: Und dann muss ich zur Kenntnis nehmen, dass dort sowas wie ein Betriebsrat oder Arbeitnehmerrechte

00:49:42: in den Algorithmen überhaupt nicht mitgedacht werden. Da im Gegenteil, bei Amazon in den

00:49:47: USA gab es zeitweise Fälle, wo Abmahnungen und Kündigungen maschinell durch die KI-Systeme

00:49:55: ausgestellt worden sind. Undenkbar in Deutschland, schlicht verboten in Deutschland, ganz klar

00:50:01: ist klar. Aber um es mal positiv zu wenden, natürlich sind KI-Systeme denkbar, wenn sie

00:50:08: mit einer gewissen Wertekrungthaltung programmiert sind, dass sie eben genau diesen Ansprüchen

00:50:13: auch genügen und damit auch für die Unternehmen ja nichts Schlechtes tun, sondern eher glückliche

00:50:19: Beschäftigte sind ja jetzt auch etwas Positives für Unternehmen. Also ich bin schon der Auffassung,

00:50:25: dass eine KI-Systeme europäischer Prägung einfach anders sein können als die rein

00:50:35: marktgetriebenen, die man aus den USA kennt. Und das wäre gut, wenn es die gibt, ja.

00:50:44: Nichts wäre schlimmer, als wenn wir dauerhaft auf die KI-Systeme eher US-amerikanischer

00:50:51: Prägung oder chinesischer Prägung angewiesen sind. Deswegen sind wir da fast zum Erfolg

00:50:55: verdammt. Wir müssen dafür sorgen, dass es überhaupt KI-Systeme, wettbewerbsfähige

00:51:01: KI-Systeme mit europäischer Werteprägung gibt, damit die überhaupt auch zur Anwendung

00:51:05: kommen können. Und deswegen ist es so wichtig da nicht so äxtlich ran zu gehen. Also klar,

00:51:11: die Probleme sehen, aber auf der anderen Seite auch das Ding angehen. Es ist eine Technologie,

00:51:18: ist schon lange da in unseren Smartphones, an so vielen Bereichen in unseren Häusern, wenn

00:51:27: wir uns was übersetzen lassen. Überall steckt KI drin und ja, es geht darum, das zu gestalten.

00:51:36: Verhindern kann man das nicht. Das heißt, wir wollen es vernünftig gestalten, national.

00:51:40: Letzte Frage noch zu diesem bedingungslosen Grundeinkommen. Danke haben eine besonders

00:51:47: leidenschaftliche Ablehnung von dir, war mein Eindruck. Warum? Ja, ich bin immer total skeptisch,

00:51:56: wenn Liberale das Gleiche fordern wie kämpferische Linke und die katholischen Frauen. Ja, also wenn

00:52:07: so unterschiedlichen gesellschaftlichen Richtungen eine vermeintliche einfache Antwort auf ein höchst

00:52:13: kompliziertes Thema kommt, dann schrillen wir mir alle Alarmglocken. Und es gibt viele Gründe

00:52:19: gegen so ein bedingungsloses Grundeinkommen zu sein. Aus meiner Sicht ist es meistens so gedacht,

00:52:25: dass es eben alle anderen Sozialsysteme ablösen soll. Und da fängt es bei mir schon an. Ich finde,

00:52:33: es macht sehr großen Sinn zu gucken, wer steht vor mir. Ist das jemand mit einer Beeinträchtigung,

00:52:37: zum Beispiel? Ist da jemand, ein junger Erwachsener, der tatsächlich nochmal auch wirklich einen Push

00:52:46: braucht, wo nochmal Sozialpädagogen getragen müssen, wo eine Weiterbildung es braucht, der

00:52:51: nochmal besondere Betreuung braucht? Da finde ich unser Sozialsystem deutlich besser und für solche

00:52:58: Menschen wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen wahrscheinlich finanziell sogar eine schlechter

00:53:02: Stellung und für viele wäre es auch eine Stillhalteprämie. Viele, die eigentlich Förderung bräuchten

00:53:08: und damit sozusagen zu vermeintlichen, kann es ja ganz emanzipatorisch zu Hause sitzen. Ja,

00:53:15: aber für die ist das nicht viel wert. Und ich glaube, dass die SPD gut daran tut, ein Gegenmodell

00:53:21: zu entwickeln. Und ich finde, sie hat es schon mit dem Recht auf Arbeit. Das steht in unseren

00:53:28: Sozialstaatspapier drin. Das heißt, erst mal diejenigen, die gar nicht arbeiten sollen,

00:53:35: gehören sowieso nicht in die Sicherungssysteme. Das heißt, Kinder sollen da sowieso erst mal

00:53:41: raus aus dem SGB II aus dem Hartz IV mit einer Kindergrundsicherung. Und die anderen Menschen

00:53:47: sollen ein Arbeitseingemot, und zwar würdige Arbeit bekommen, wenn nötig weitergebildet werden

00:53:54: und Angebote bekommen, dass sie sich selbst verwirklichen können. Das ist, finde ich,

00:54:00: das Gegenmodell auch im 21. Jahrhundert gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen. Wie gesagt,

00:54:06: solange irgendwie große Unternehmer wie DM und so das toll finden, bedingungsloses Grundeinkommen

00:54:13: würde ich immer vorsichtig sein, ob das wirklich so ein emanzipatives Projekt ist. Ich

00:54:19: halte es nicht für ein emanzipatives Projekt zum bedingungsloses Grundeinkommen. Im Gegenteil,

00:54:23: da machen sich viele viel vorn. Ja, so eine One-Size-Fits-All-Lösung ist vielleicht nicht

00:54:30: für jede Lebenslage das Richtige. Man verliert sozusagen eine Gestaltungsmöglichkeit. Aber

00:54:35: trotzdem ist es natürlich eine interessante Idee. Ich will nicht verhehren, ich habe auch schon einige

00:54:41: Abende darüber diskutiert und philosophiert, was das für Auswirkungen hätte. Und es ist sicherlich

00:54:48: auch gut, dass viele darüber diskutieren und sozusagen auch sich Gedanken darüber machen,

00:54:54: wie soll eigentlich unser Sozialsystem funktionieren. Das finde ich eine gute Sache. Aber ich komme

00:55:02: einfach zu einem ganz anderen Schluss. Ich glaube nicht, dass es so eine eierlegende Wollmilchsäu,

00:55:09: ich glaube nicht, dass es eierlegende Wollmilchsäu gibt. Schade, aber wahrscheinlich ein Angelehrungsspot.

00:55:16: Obwohl die sehen auch komisch aus, wenn man durch die Bilder anguckt zu eierlegende Wollmilchsäu.

00:55:21: Du hast überabendliche Diskussionen gesprochen. Wir haben eben über die 16-jährige Daniela

00:55:29: Kolber am Familientisch gesprochen, die streitet mit ihrem Vater. Wo würdest du heute nicht mehr

00:55:34: darüber streiten? Was hat sich verändert quasi in deinem Blick auf Gerechtigkeit und die Welt

00:55:42: von damals 16 zu heute 41? Wir streiten noch über die gleichen Dinge. Das ist eigentlich

00:55:50: das Spannende. Also ich diskutiere immer noch mit meinem Vater über Gerechtigkeit und die Themen

00:55:56: sind eigentlich gleich geblieben. Ich würde sagen, das hat sich aber viel durchaus zum

00:56:01: Positiven bewegt. Also gerade, was so die Löhne im unteren Bereich angeht, da bin ich ganz glücklich

00:56:06: drum. Ich habe manchmal den Eindruck, dass mein Vater ein bisschen milder geworden ist. Also sich

00:56:14: damit abgefunden hat, dass auch mit meiner Schwester und meiner Mutter, die beiden Frauen sind in

00:56:22: mein Team gewechselt. So dass er eigentlich eher in der Binderheit jetzt mittlerweile ist. Mein Eindruck

00:56:29: ist, dass er sich damit auch abgefunden hat. Verstehe, du hast mehrheiten gewonnen am Familientisch.

00:56:36: Ja, darum geht es doch in der Politik oder dass man mehrheiten gewinnt.

00:56:40: Darum geht es. Super. Herzlichen Dank Daniela für den super spannenden Austausch. Ich fand

00:56:46: das sehr, sehr anregend und schön, dich sozusagen noch etwas näher, etwas besser kennen zu lernen und

00:56:52: zu hören, was dich angetrieben hat, was dich nach wie vor antreibt und motiviert im Engagement

00:56:57: für mehr Gerechtigkeit. Wir haben gehört, eine hohe Frustrationstoleranz braucht man,

00:57:02: aber man kann auch einiges erreichen und bewegen. Herzlichen Dank für den offenen Austausch.

00:57:08: [Musik]

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