Patricia Cammarata: Durch Musterbruch zu mehr Gleichberechtigung | 26 Zukunft gerecht Talk
Shownotes
Patricia Cammarata hat den Begriff "Mental Load" in Deutschland bekannt gemacht. Im Interview mit Christian Krell erzählt sie, was für sie der Schlüsselmoment war, die psychische Belastung durch Care-Arbeit zu erkennen und wie sie gegengesteuert hat. Als besonders wichtig bewertet sie ehrliche Gespräche mit dem Partner – am besten bevor Kinder Teil der Familie werden, um die Sorge-Arbeit möglichst fair aufzuteilen. Denn tief verwurzelte traditionelle Geschlechterrollen prägen uns bis heute. Dennoch hat sie Hoffnung, dass ein "Dranbleiben" am Thema zu positiven Veränderungen führen kann.
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00:00:00: Also ich war so erschöpft und war in diesem Fluss von Pendlern,
00:00:05: dass ich aber dachte, ich schere da jetzt aus,
00:00:07: ich leg mich da zehn Minuten hin, dann bin ich total entspannt
00:00:11: und dann gehe ich ins Büro.
00:00:12: Und ich wusste natürlich im Kopf damals,
00:00:15: das machen ja erwachsene Menschen in der Regel nicht,
00:00:17: sich auf den Boden legen.
00:00:19: Aber das war wirklich ein ganz, ganz starkes Gefühl.
00:00:22: Aber wir brauchen auch eine Generation Mann, die sagen kann,
00:00:27: ich bin nicht angewiesen auf das männliche Vorbild in der Kehrarbeit,
00:00:31: sondern ich sehe hier hunderte von Frauen,
00:00:34: also weibliche Vorbilder, denen ich auch nacheifern kann.
00:00:38: Oder auch wenn man Kinder in Kinderbücher irgendwie vorliest
00:00:41: oder die Serien gucken, wenn man dann so zahlen hört,
00:00:44: wie es gibt quasi mehr sprechende Tiere als sprechende Frauen
00:00:48: in Kinderserien, das ist schon übel eigentlich, ja.
00:00:57: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge des Zukunftgerecht-Talks
00:01:00: der Friedrich-Ebert-Stiftung.
00:01:02: Mein Name ist Christian Krell.
00:01:04: Ich freue mich sehr, diesen Podcast für die Friedrich-Ebert-Stiftung
00:01:07: moderieren zu dürfen und ich will das wie immer machen.
00:01:10: Ich will ein Gespräch unter Freunden führen,
00:01:13: offen, ehrlich, auch kritisch, aber immer einander zugewandt.
00:01:17: Und ich freue mich sehr auf unsere heutige Gesprächspartnerin,
00:01:21: die wirklich ganz, ganz, ganz viele Rollen in ihrem Leben ausfüllt,
00:01:26: unter anderem ist sie Podcasterin, Diplompsychologin,
00:01:29: sie blockt und das schon seit, wenn ich richtig gezählt habe,
00:01:33: 21 Jahren, sie ist Bestseller, Autorin, sogar mehrfach,
00:01:37: sie hat den Begriff "Mental Load" in Deutschland bekanntgemacht.
00:01:41: Sie ist Ratgeberin im Alltag und ich finde ihr gelingt es
00:01:44: über ganz viele Alltagssituationen,
00:01:46: die einen manchmal richtig ärgerlich machen können,
00:01:49: sehr entspannt und mit viel Humor zu reden und zu schreiben.
00:01:53: Herzlich willkommen, Patricia Kamerata.
00:01:55: Ja, hallo, freue mich da zu sein.
00:01:57: Ja, also toll, dass du da bist.
00:02:00: Wir beginnen unsere Gespräche in der Regel damit,
00:02:03: dass wir unsere Gäste nach einem Ort der Gerechtigkeit fragen.
00:02:07: Ein Ort, den Sie mit den Anfängen ihres Engagements
00:02:10: für Ihr Thema verbinden, manchmal ist es der Jugendtreff,
00:02:13: manchmal es ist eine Friedensdemo gewesen.
00:02:15: Gibt es so ein Ort, den du benennen kannst?
00:02:19: Also es gibt für mich eher einen Ort der Ungerechtigkeit,
00:02:23: den ich im Nachhinein aber quasi ganz deutlich sehen würde.
00:02:27: Das war in meiner eigenen Rush Hour des Lebens, also Mitte 30.
00:02:32: Ich war da gerade aus der Elternzeit gekommen.
00:02:37: Ich bin fest angestellt auch, arbeitend zurück in den Job.
00:02:41: Und da hatte ich wirklich jeden Morgen,
00:02:44: nachdem ich die Kinder abgeliefert habe,
00:02:47: auf dem Weg in die Arbeit an so einem großen Kino,
00:02:50: das Gefühl einfach, ich muss mich auf den Boden legen.
00:02:54: Also ich war so erschöpft und war in diesem Fluss von Pendlern,
00:02:59: dass ich aber dachte, ich schere da jetzt aus,
00:03:01: ich leg mich da zehn Minuten hin, dann bin ich total entspannt
00:03:05: und dann gehe ich ins Büro.
00:03:07: Und ich wusste natürlich im Kopf damals,
00:03:10: das machen ja erwachsene Menschen in der Regel nicht,
00:03:13: sich auf den Boden legen.
00:03:15: Aber das war wirklich ein ganz, ganz starkes Gefühl.
00:03:19: Und daraus ist eben sehr, sehr viel entstanden.
00:03:22: Also die Fragen so, warum fühle ich mich so,
00:03:24: was kann ich dagegen tun, bin ich da eigentlich alleine?
00:03:27: Was für Faktoren spielen da eine Rolle?
00:03:30: Und da hat sich dann sehr, sehr viel bewegt.
00:03:33: Und wenn ich diese Geschichte erzähle,
00:03:35: dann höre ich eben ganz oft, dass ganz, ganz viele,
00:03:38: vor allem Frauen solche Momente auch haben.
00:03:41: Und dass dieser Drang sich hinzulegen,
00:03:44: wirklich auch so was Banales ist, wie sich erden wollen.
00:03:48: Also wirklich mal eine Pause zu haben
00:03:50: und sich wieder in diesem ganzen Chaos und Gehetz
00:03:53: in dem Hamsterrad einfach erden zu wollen.
00:03:56: Und das spricht ja für eine total tiefe Erschöpfung,
00:03:59: die nicht nur eine Erschöpfung ist in Sinne von mal zehn Minuten
00:04:04: die Augen zu machen und schlafen,
00:04:06: sondern tatsächlich auch rauskommen aus diesem ständigen Weiterren.
00:04:10: Genau, also das hat nicht gereicht, sich zu sagen,
00:04:12: ich gehe jetzt früher ins Bett.
00:04:14: Ich bin sowieso immer um 20 Uhr eingeschlafen,
00:04:17: wenn ich meine Kinder ins Bett gebracht hab.
00:04:19: Und hab dann auch wirklich bis zum nächsten Morgen geschlafen,
00:04:23: aber ich bin immer relativ früh dann eben aufgewacht.
00:04:25: Ich hab dann auch geguckt, muss ich mich besser organisieren.
00:04:29: Ich hab dann angefangen, auch schöne Dinge in meinem Leben wegzustreichen.
00:04:33: Also, dass man einfach wirklich runterkommen kann.
00:04:36: Weil irgendwann war auch stressig, mit Freundinnen zu treffen
00:04:39: oder wirklich eine verbindliche Aussage zu machen.
00:04:42: Wir treffen uns heute um 16 Uhr noch mal
00:04:44: über den Kindern, aber das hat alles nicht gereicht.
00:04:48: Also, ich hab überall meine Puffer sozusagen
00:04:51: oder versucht zu optimieren,
00:04:53: aber das hat eben in der Lebensphase nicht gereicht,
00:04:56: um so einen Zustand zu bekommen, dass man sagt,
00:04:58: Mensch, ich war irgendwann mal erholt auch wieder.
00:05:02: Also, es war wie der Akku ist tiefen entladen.
00:05:04: Und dann kann man ihn ja auch eben immer wieder an den Strom hängen.
00:05:07: Aber er kommt ja dann eben nie über so ein so viel Prozent,
00:05:11: bzw. wenn die Anzeige das zeigt, dann dauert es eine Stunde
00:05:15: und man ist wieder auf 25 Prozent.
00:05:18: Ja. Und das klingt ja so nach einem, wie soll ich sagen,
00:05:22: so einem anorganisieren und anoptimieren
00:05:26: gegen etwas, was man eigentlich nicht erfüllen kann.
00:05:28: Ansprüche Erwartungen. - Das ist richtig.
00:05:30: Genau, nicht nur Ansprüchen Erwartungen,
00:05:33: sondern das ist mir erst später aufgegangen
00:05:35: wirklich an einem gesellschaftlichen Rahmen.
00:05:37: Also, die Art, wie ich individuell lebe,
00:05:40: die ist ja ganz stark eben bestimmt durch das Steuerrecht,
00:05:43: durch wie es Elterngeld wird es ausgezahlt,
00:05:47: was haben wir für Reulambilder auch in der Gesellschaft, etc.
00:05:51: Und das war dann irgendwann die große Erkenntnis.
00:05:53: Ich wusste damals von dem Gender Care Gap zum Beispiel überhaupt gar nicht.
00:05:58: Ich wusste nicht, in welchen Lebensphasen eben der besonders groß ist.
00:06:03: Und ich merke, wenn ich Vorträge halte und eben eine Zahl sage,
00:06:07: nämlich mit 34 ist der eben am allerhöchsten,
00:06:12: da machen Frauen im Schnitt 110 Prozent mehr Care Arbeit als ihre Partner.
00:06:18: Und dann sehe ich in den Gesichtern der Zuhörerinnen
00:06:21: wirklich so eine Art Erleichterung, dass die sagen,
00:06:24: Mensch, das bin ja nicht nur ich, sondern das ist also was,
00:06:28: was durchschnittlich einer Frau in Deutschland
00:06:31: eben in dieser Lebensphase in dem Alter passiert.
00:06:34: Und das bewegt aber auch ganz viel zu wissen,
00:06:37: man ist nicht alleine.
00:06:39: Man kann nicht ausschließlich über individuelle Maßnahmen da was verändern,
00:06:45: sondern man muss echt auch so diesen größeren Rahmen sehen.
00:06:49: Und plötzlich interessiert man sich dann vielleicht eben auch für politische Themen.
00:06:54: Hat aber eben in der Phase nur auch besonders wenig Zeit,
00:06:58: sich dann auch noch politisch zu engagieren.
00:07:00: Aber man guckt glaube ich dann echt nochmal anders auf die Wahlprogramme
00:07:03: und was die einzelnen Parteien da eben auch leisten,
00:07:07: damit diese Phase nicht so wahnsinnig stressig ist.
00:07:11: Das ist ganz spannend.
00:07:12: Ich hab, wenn ich mit Studierenden in Vorlesungen und Seminaren
00:07:19: über Politik rede, dann gibt es manchmal so ein davor- und danach-Moment,
00:07:23: den gerade junge Mütter beschreiben.
00:07:25: Die sagen, also seit ich jetzt Mutter geworden bin,
00:07:28: schau ich nochmal ganz anders auf Politik.
00:07:30: Interessier mich anders dafür als vorher.
00:07:34: Ja, das hat ja auch viele Gründe.
00:07:36: Man interessiert sich auch für Zukunftsthemen nochmal anders,
00:07:39: weil man sich die Frage stellt, so wie ist das dann auch für meine Kinder.
00:07:43: Aber man merkt eben doch, dass das so ein alter Spruch eigentlich,
00:07:47: dass das private politisch ist.
00:07:49: Damit kann man wirklich erst was anfangen,
00:07:52: wenn man dann eine Familie gegründet hat.
00:07:54: Und das zeigen die Studien auch.
00:07:56: Also wir gehen da alle sehr optimistisch in diese Phase rein.
00:08:01: Man macht sich maximal Gedanken über das finanzielle Rechnung
00:08:05: als Klassiker eben die Elternzeit, die ersten 14 Monate durch.
00:08:09: Aber alles andere, da denkt man so, das wird schon klappen.
00:08:13: Wir haben ja schon öfter darüber gesprochen.
00:08:15: Wir sind ja ein modernes Paar.
00:08:17: Aber der Teufel steckt dann eben doch im Detail
00:08:19: und nicht nur in den Finanzen und nicht nur in den 14 Monaten
00:08:23: nach der Geburt eines Kindes.
00:08:25: Hab bei dir gelesen, und das fand ich irgendwie überzeugend,
00:08:29: aber auch schwierig, ist es gut, vorher darüber zu reden.
00:08:32: Also bevor sozusagen die Ernstfall eintritt,
00:08:36: bevor man völlig am Ende und übernächtigt ist,
00:08:39: bevor man in diesem Hamsterrad drin ist, zu klären,
00:08:42: wie man sich das vorstellt, wie man Aufgabenteilung organisieren kann.
00:08:46: Und dabei habe ich aber auch immer daran gedacht,
00:08:48: in den ersten Wochen haben wir, glaube ich, jeden erzählt,
00:08:51: man kann es sich nicht vorstellen.
00:08:53: Es sagt einem keiner vorher, wie es wirklich wird.
00:08:56: Aber es ist ja auch immer so, dass man sich dann vorher quasi all das zu erfassen,
00:09:01: was da auf einen zukommt, um es gut gemeinsam zu lösen.
00:09:04: Ja, also alles schafft man natürlich nicht,
00:09:06: weil Rahmenbedingungen ändern sich ja.
00:09:08: Aber ich glaube wirklich, sich solche Fragen zu stellen,
00:09:12: wie entwickeln sich unsere Berufe eigentlich?
00:09:14: Mit welchem Stundenumfang wollen wir arbeiten?
00:09:17: Nach der Geburt, eben nach der Elternzeit, in den nächsten fünf Jahren,
00:09:22: was haben wir da für Ziele, und wie können wir die auch erreichen?
00:09:26: Wie geht es eigentlich mit Krankentagen?
00:09:28: Wie sehr werden wir uns von einem Gehaltsgefälle leiten lassen
00:09:32: bei der Verteilung von Kehrarbeit?
00:09:34: Wird es ein Dauerthema sein, wenn einer von uns beiden,
00:09:37: das ist ja meistens der Mann, mehr verdient,
00:09:40: wird er dann deswegen nie Kinderkrankentage nehmen,
00:09:43: weil man dann immer rumrechnet und sagt, na ja, das lohnt sich ja nicht.
00:09:47: Also ich glaube, es gibt sehr, sehr viele Themen,
00:09:49: über die man wirklich sprechen kann im Vorfeld.
00:09:53: Und wo man sich wirklich verständigen kann.
00:09:56: Und dass man erfasst natürlich nicht alles.
00:09:58: Und man ist sowieso, wie du sagst, kurz nach der Geburt,
00:10:02: steht alles Kopf.
00:10:03: Aber es gibt ja eben nicht nur diese ersten Monate.
00:10:07: Aber man stellt da schon auch Weichen.
00:10:10: Also das muss man sich auch klar sein, dass das eben Konsequenzen hat,
00:10:13: die ganz oft, ganz schwierig auch wieder auszuarbeiten sind
00:10:18: aus so einem Alltag.
00:10:20: Also auch, wenn man irgendwann so einen Bruch hat
00:10:22: und sagt, wir wollen das anders machen,
00:10:24: dann ist es eben gar nicht so leicht, diese Schiene zu verlassen.
00:10:28: Und das kostet was.
00:10:29: Also nicht nur tatsächlich oft ja Geld,
00:10:32: sondern eben ja auch, ja, man muss auch gute Gespräche führen können.
00:10:37: Also das ist ja auch was, was wir nicht so richtig lernen.
00:10:40: Also wir haben ja so ganz verstrahlte, romantische Ideale,
00:10:44: wo man eher sowas denkt, wie man liest sich jeden Wunsch
00:10:48: von den Augen ab und merkt dann so gut in der langjährigen Beziehung,
00:10:52: dass es dann kein tragendes Konzept mehr,
00:10:54: sondern man muss dann wirklich über Dinge sprechen,
00:10:57: die auch vielleicht erst mal unangenehm sind,
00:10:59: wo es auch Konflikte gibt, wo es Streit gibt.
00:11:01: Und da sind wir oft gar nicht so gut, diese Gespräche nicht so zu führen,
00:11:05: dass erst mal beide so denken, hey, Moment mal,
00:11:08: hier sieht ja keiner, was ich hier eigentlich einbringe.
00:11:11: Dieses gesehen werden ist ja etwas ganz Wichtiges auch in deinen Büchern,
00:11:15: dass zunächst erst mal anerkannt wird und klar ist,
00:11:19: was da alles geleistet wird.
00:11:21: Genau, weil halt ein ganz großer Teil eben unsichtbare Arbeit ist.
00:11:25: Also das ist ja quasi in diesem Begriff "Mental Load".
00:11:28: Womit sich eines meiner Bücher beschäftigt, ja, mit drinnen.
00:11:32: Und das ist tatsächlich dann eine schwierige Sache,
00:11:36: Dinge, die unsichtbar sind,
00:11:38: dann eben in solchen Verhandlungsgesprächen auch mitzubeurteilen,
00:11:41: weil man die erst mal vielleicht sogar selber gar nicht sieht,
00:11:44: beziehungsweise bevor es diesen Begriff gab,
00:11:47: glaube ich, war es auch wirklich schwierig, das überhaupt zu adressieren.
00:11:51: Man hatte immer nur so ein Gefühl, irgendwie da ist noch was,
00:11:54: irgendwie eine Schieflage,
00:11:56: dann hat man vielleicht wirklich geguckt,
00:11:58: aber wie sind denn die Arbeiten bei uns verteilt?
00:12:01: Da kriege ich auch die Rückmeldung von ganz vielen Paaren,
00:12:04: die sagen, bei uns ist eigentlich 50/50.
00:12:07: Und da gibt es auch wieder Studien zu, wenn man sagt,
00:12:09: fühlt ihr euch gleich berechtigt,
00:12:11: dann kommt oft so ein Ja auf dieser Ebene.
00:12:14: Wenn man dann aber nachfragt im Detail,
00:12:16: wer hatte denn im Blick, ob die Fingernägel wieder geschnitten werden müssen,
00:12:19: ob jetzt irgendwie die Winterschuhe schon zu warm sind,
00:12:23: oder man neue Turnschuhe braucht,
00:12:26: weil die Heilenturnschuhe viel zu klein geworden sind,
00:12:30: wer sortiert regelmäßig Klamotten aus,
00:12:33: wer denkt an den Kindergeburtstag und so weiter,
00:12:36: dann kommt plötzlich eben doch diese Schieflage.
00:12:39: Und man sieht so, das ist vielleicht gar nicht so doll gleich verteilt.
00:12:43: Und wenn man dann noch mal fragt, wer denkt daran und wer initiiert das,
00:12:47: dann kippt das ganz oft und man denkt so, okay, die To-Do's sind gleich verteilt.
00:12:51: Aber dass man immer quasi die Zukunft so ein bisschen scant und guckt,
00:12:57: was ist so das Nächste, wie entscheiden wir uns,
00:13:00: dass es dann oft eben bei einem Partner oder eben der Partnerin in der Regel.
00:13:05: Also das beschreibst du ja, wenn du da diese Situation
00:13:09: der völligen Erschöpfung auf unterschiedlichen Ebenen
00:13:11: da eben beschrieben hast, auf dem Weg zur Arbeit.
00:13:15: Das ist ja vielleicht auch manchmal so ein Moment,
00:13:17: wo man nicht unmittelbar reagieren muss.
00:13:19: Und dann kommen diese ganzen Gedanken,
00:13:21: wer muss noch das Geschenk für den Kindergeburtstag organisieren und so weiter.
00:13:25: Genau, richtig.
00:13:26: Und da vielleicht auch als Ergänzung, weil mir das auch immer ganz wichtig ist,
00:13:29: es geht in diesen Fragen ja nie um Schuld,
00:13:32: weil vieles machen wir eben auch gar nicht bewusst.
00:13:34: Also bei mir jetzt persönlich war das auch nicht so,
00:13:37: dass mein Partner gesagt hat, du musst das alles machen,
00:13:40: ich kümmere mich auf gar keinen Fall darum,
00:13:43: sondern das sind ja eben unsere eigenen Vorstellungen
00:13:46: über die gute Mutter, der gute Vater, was man macht
00:13:49: und welchen Schumen sich wirklich auch teilweise von alleine anzieht
00:13:52: und dass da manchmal dann jemand gar nicht dazwischen kommt,
00:13:56: weil man eben als Frau sagt,
00:13:57: aha, eine gute Mutter, die kümmert sich natürlich um all diese Dinge.
00:14:01: Und dann ist das alles schon erledigt,
00:14:03: bis der Partner überhaupt erst mal von dem Thema erfährt,
00:14:07: ist schon quasi alles abgerattert.
00:14:09: Und das ist ja auch eine Schwierigkeit darin,
00:14:13: dass man diese Muster bei sich selber auch erkennen muss.
00:14:16: Du bist ja an ganz unterschiedlichen Orten groß geworden
00:14:20: und hast unterschiedliche biografische Stationen.
00:14:23: Du beschreibst dich als Gastarbeiter, Enkelin.
00:14:26: Dein Opa ist nach Köln gekommen aus Italien.
00:14:28: Du bist dann in der Dung- und Weltstadt Köln geboren,
00:14:31: hast da ein paar Jahre gelebt, dann in einer fränkischen Kleinstadt.
00:14:35: Die ZVS hat dich nach Bamberg geschickt
00:14:37: und jetzt seit langer Zeit und glücklich lebst du in Berlin.
00:14:42: Welche Erfahrungen hast du an diesen unterschiedlichen Orten
00:14:45: mit diesen Erwartungen gemacht, die du gerade beschreibst?
00:14:48: Das ist ein gutes Stichwort.
00:14:50: Die Erwartungen sind komplett unterschiedlich
00:14:52: und auch die Lebensmodelle und was man als normal empfindet.
00:14:56: Also ein ganz großes Thema, was mir da einfallen würde,
00:14:59: ist das Thema Kinderbetreuung.
00:15:01: Da hat man ja einmal von der Infrastruktur
00:15:03: ganz unterschiedliche Voraussetzungen, die überhaupt zu bekommen,
00:15:07: in welcher Qualität man die bekommt,
00:15:09: zu welchen Kosten man die bekommt.
00:15:11: Und dann aber unabhängig davon,
00:15:13: ab wann gibt man seinen Kind eben in den Kindergarten
00:15:17: und wie ist man dann damit in dem Mutterbild irgendwie beurteilt von außen?
00:15:22: Also in einem Umfeld in Franken,
00:15:24: wo eben die Kinderbetreuungsmöglichkeiten bei Weitem nicht so sind,
00:15:29: wie die jetzt hier in Berlin auch normal immer noch auch sind,
00:15:33: da kann man nicht einfach seinen Kind dann auch
00:15:35: mit 12 Monaten in die Kita bringen,
00:15:37: ohne dass man sich ständig der Diskussion stellen muss,
00:15:40: ist man eigentlich eine gute Mutter?
00:15:42: Ist es nicht eigentlich total egoistisch?
00:15:44: Warum hat man sich den Kinder angeschafft,
00:15:46: wenn man sie dann wegorganisieren will?
00:15:49: Ist man nicht überergeizig?
00:15:51: Ist es wirklich nötig?
00:15:52: Was macht das mit der Psyche der Kinder?
00:15:54: Diese Fragen stellt einen in Berlin in der Regel eigentlich niemand.
00:15:58: Also das sind dann vielleicht zugezogen,
00:16:00: die das eben auch als Vorbilder so nicht hatten
00:16:03: oder auch die positiven Erfahrungen eben nicht gemacht haben.
00:16:06: Wie schön das auch für die Kinder selber sein kann,
00:16:09: wo wir jetzt ja ganz viele Einkindfamilien haben,
00:16:12: die Vorteile in der sozialen Gemeinschaft auch aufzuwachsen etc.
00:16:18: Also man führt da schon ganz andere Diskussionen
00:16:21: und das ist eben dieser Mix aus, du hast unterschiedliche Bedingungen
00:16:25: und selbst wenn die Bedingungen gleich sind,
00:16:27: kannst du dich nicht gleich verhalten,
00:16:30: ohne eben bestimmte Diskussionen dann ständig zu führen.
00:16:33: Ja, und zeigt ja ganz gut, was wir da alles mitschleppen.
00:16:36: Also was wir selber, was uns selber erzählt vor der Anrollenerwartung
00:16:39: oder womit wir dann auch konfrontiert werden
00:16:41: in unterschiedlichen Umwelt.
00:16:43: Genau, ja.
00:16:44: Du hast dieses Buch, Mental Load 2020,
00:16:48: ich glaube im Juni ist es erschienen.
00:16:50: An irgendwann im Frühjahr war es fertig.
00:16:53: Und dann kam die Pandemie.
00:16:55: Du hast dich also damit sozusagen professionell beschäftigt.
00:16:58: Warst du überrascht über dieses Maß an Retraditionalisierung,
00:17:03: das mit dieser Pandemie kam oder hast du gesagt,
00:17:05: nee, das ist eigentlich absehbar?
00:17:07: Ich war tatsächlich nochmal überrascht.
00:17:09: Also dieses Ausmaß, wenn die äußeren Strukturen wegfallen,
00:17:14: wie beispielsweise die Schulen, also dieses Thema Homeschooling,
00:17:17: da wäre ich im Leben nicht draufgekommen,
00:17:21: dass man solche Konzepte überhaupt in Erwägung zieht
00:17:25: und wie das auch tatsächlich erwartet wird.
00:17:29: Also von den Eltern das zu leisten
00:17:32: und wie das ja auch zusammengeht
00:17:35: mit den unterschiedlichen Bedingungen,
00:17:37: die man je nach Beruf irgendwie hat,
00:17:39: was da ja parallel so mit Zähneknirschen und Überlastung geht,
00:17:44: wenn man Homeoffice hat, aber in anderen Situationen,
00:17:47: wo das gar nicht möglich ist,
00:17:49: da musste man sich ja entscheiden,
00:17:51: wer von uns bleibt denn jetzt eigentlich zu Hause?
00:17:54: Und dann hat man sich natürlich in so einer schwierigen Situation,
00:17:58: wo man die Zukunft auch so schlecht vorhersagen konnte,
00:18:01: und man hat eher dafür entschieden, dass es die Person ist,
00:18:04: die weniger verdient.
00:18:06: Und das ist eben ja wegen Teilzeit und Gender, Paygab etc.
00:18:09: sind das ja in der Tendenz eher die Frauen.
00:18:13: Und diese Selbstverständlichkeit, mit der das ja zurückgekippt ist,
00:18:18: das fand ich schon schockierend, muss ich sagen.
00:18:20: Also wenn man ja auch sich nie die Frage gestellt hat,
00:18:23: wie sieht es dann eigentlich 22 aus?
00:18:26: Also welche Auswirkungen hat das in den ganzen Bereichen?
00:18:30: Und dass ja teilweise, also auch in der Wissenschaft und Forschung,
00:18:34: ging ja ganz rapide zurück,
00:18:35: beispielsweise eben die Beiträge,
00:18:37: die weibliche Wissenschaftlerinnen irgendwie leisten konnten.
00:18:40: Das ist ja einfach eine Lücke, die holt man ja auch nicht mehr auf.
00:18:44: In ganz vielen Stellen wurde diese Frage nach,
00:18:46: was ist da eigentlich in zwei Jahren,
00:18:49: wenn wir durch sind mit der Pandemie,
00:18:51: und wie räumen wir das auch auf?
00:18:53: Die wurde nicht gestellt, die ist ja bis heute,
00:18:56: also tut man ja so, als wäre das nie gewesen,
00:18:58: und wir machen jetzt einfach weiter.
00:19:00: Das ist wie bei dieser familiären Situation am Anfang,
00:19:04: man trifft Entscheidungen,
00:19:05: und die haben echt über lange Zeit heftige Konsequenzen.
00:19:08: Man kann vielleicht gar nicht überschauten.
00:19:11: Ja.
00:19:12: Es ist Zeit für unser Dafür-Dagegenspiel, Patrizja.
00:19:15: Wir haben, es klingelt schon zum zweiten Mal.
00:19:18: Das war ein kurzes Spiel.
00:19:20: Ja, also pass auf, wir haben 20 Begriffe.
00:19:23: Und die Bitte wäre, dass du dich kurz dafür oder dagegen positionierst.
00:19:30: Und wir fangen an mit der Vier-Tage-Woche.
00:19:33: Dafür? - Dafür.
00:19:35: Bastelnachmittage in der Kita.
00:19:37: Dagegen.
00:19:40: Wöchstest du darüber reden, oder ist es zu traumatisch?
00:19:43: Also, das ist eine längere Geschichte.
00:19:46: Also, ganz persönlich liegt mir das nicht so,
00:19:49: mit kleinen Kindern zu basteln.
00:19:52: Einer meiner Highlights in dein Block,
00:19:55: die Bastelnachmittag-Hölle,
00:19:58: glaub ich, da ist der Waldberg.
00:20:00: Die Basteln-Mottihölle.
00:20:02: Okay, Kinderschuhe kaufen.
00:20:04: Lieber nicht.
00:20:06: Also muss man machen, aber lieber jemand anders als ich.
00:20:09: Die Erhöhung des Mindestlohns.
00:20:12: Auf jeden Fall dafür.
00:20:14: Bildungsurlaub.
00:20:16: Dafür heißt ja Bildungszeit mittlerweile.
00:20:19: Das ist so wie Elternurlaub,
00:20:21: weil man macht ja was in der Zeit.
00:20:23: Das ist ein kluger berechtigter Hinweis.
00:20:26: Bildungszeit. E-Books.
00:20:28: Dafür.
00:20:30: Künstliche Intelligenz. - Dafür.
00:20:34: Die verpflichtende Verteilung der Elternzeit auf 50/50.
00:20:38: Sehr, sehr spannend dafür.
00:20:40: Allein um das Experiment zu machen.
00:20:42: Ja, weil ich muss da persönlich auch sagen,
00:20:45: ich weiß nicht, wie ich das vor fast 20 Jahren gefunden hätte,
00:20:48: wenn mein Partner wirklich gesagt hätte, wir machen 50/50.
00:20:52: Also, da würde ich auch gerne mal die Zeit zurückdrehen.
00:20:55: Wenn wir so sind, dann hätten wir es ja gemacht.
00:20:58: Also, da wäre ich schon neugierig.
00:21:00: Ja, verstehe.
00:21:02: Ich trau mich das kaum zu sagen, aber es ist ein Klassiker.
00:21:05: Pizza mit Sauce Hollandaise.
00:21:07: Ich muss jetzt sagen dagegen, weil sonst meine Familie mich enterbt.
00:21:12: Okay.
00:21:14: Sprich da eine Spuroffenheit oder Neugier auch aus dir?
00:21:17: Die Grenze bei Pizza ist bei Ananas.
00:21:20: Ananas auf der Pizza da kann ich auch sagen dagegen,
00:21:23: aber alles andere bin ich relativ liberal eingestellt.
00:21:27: Okay.
00:21:29: Sag noch schnell, es gibt ein Hinweis auf Pizza Jola.
00:21:32: Was ist das? Das klingt super.
00:21:34: Das ist was sehr Wildes aus den 80er-Jahren,
00:21:37: wo man sicher sehr fleischreich ernährt hat.
00:21:41: Und das gab es in meiner Familie, da wurden Rola ...
00:21:44: Also, ich glaub, das war so was wie Rolade.
00:21:47: Einfach ein Rindfleischstück, wie Pizza belegt
00:21:50: und im Ofen dann quasi gebraten oder gebacken wie Pizza.
00:21:54: Also, teiglose Pizza, Fleisch mit Belag.
00:21:58: Sehr gut. Also, in deinem Podcast, in deinem Blog
00:22:02: können wir das sogar mit Bild nachvollziehen.
00:22:05: Ich finde, es sieht sehr verlockend aus.
00:22:07: Homeoffice. - Das ist schwierig, ja.
00:22:10: Ja, warum schwierig?
00:22:12: Weil ich finde, bei manchen Sachen kann man es nicht eindeutig sagen.
00:22:16: Auch bei Homeoffice sind Rahmenbedingungen nötig,
00:22:19: damit das gut funktioniert.
00:22:21: Also, damit die Menschen nicht so entgrenzt leben, beispielsweise.
00:22:25: Man weiß auch, wenn man wieder geschlechterorientiert,
00:22:28: sich das anguckt, dass es für viele Frauen
00:22:31: auch eine geringere Sichtbarkeit bedeutet.
00:22:34: Und dann ist natürlich nicht die Lösung,
00:22:36: die Frauen ins Büro zu schicken,
00:22:38: aber eben sich zu überlegen, wie kann man solche Effekte,
00:22:41: die man mit der Weile kennt, eben besser abfangen?
00:22:45: Hm. Ein elternunabhängiges Barvög.
00:22:49: Das wäre natürlich auch eine fantastische Sache.
00:22:52: Lohnt sich das auszuprobieren.
00:22:54: Die bundesweite Abschaffung der Kita-Gebühren.
00:22:57: Das wünsche ich mir sehr.
00:22:59: Das haben wir ja in Berlin seit ein paar Jahren.
00:23:02: Ich glaube, das ist eine wahnsinnige Erleichterung.
00:23:05: Wenn ich da in anderen Bundesländer höre,
00:23:07: das ist, glaube ich, ein großer Behinderung
00:23:10: in den Gleichberechtigungsdebatten,
00:23:12: weil man da ja ganz oft anfängt,
00:23:14: mit dem Ehegattensplitting über Netto gehälter zu sprechen
00:23:18: und der Frauenfrage stellt,
00:23:20: wenn jetzt die Kinderbetreuung schon so viel kostet
00:23:22: und uns so viel Stress macht und du Netto so wenig bekommst,
00:23:26: lohnt sich das überhaupt. - Macht doch gar keinen Sinn.
00:23:29: Das ist ja erstaunlich, wie groß da die Unterschiede in Deutschland sind.
00:23:33: Ich finde, es schlägt so doppelt rein.
00:23:35: Es hat so eine geschlechter Komponente
00:23:37: und eine starke soziale Komponente.
00:23:39: Absolut, ja.
00:23:41: Gewerkschaften? - Bin ich dafür.
00:23:44: Urlaub am Strand? - Bist du auch dafür.
00:23:48: Bedingungsloses Grundeinkommen.
00:23:50: Ich auch dafür.
00:23:52: Sehr viel Ja. - Sehr gut.
00:23:54: Dann herzlichen Dank für das Mitmachen.
00:23:57: Lass uns ein bisschen über diese Musterreden,
00:24:00: die du angesprochen hast,
00:24:02: die liegen ja implizit quasi hinter allem
00:24:05: und du hast das ja explizit gemacht
00:24:07: mit einem Buch, das "Musterbruch" heißt.
00:24:09: Und was sich total schön und faszinierend
00:24:13: und manchmal auch erschreckend finde,
00:24:15: in wie vielen Bereichen
00:24:17: unseres Zusammenlebens,
00:24:20: Staatgesellschaft, Politik,
00:24:22: aber auch so was wie Schönheitsideale,
00:24:24: KI, Steuersystem, so Muster drinstecken.
00:24:27: Was du selber verblüfft sozusagen,
00:24:30: wenn man so eine systematische Aufnahme macht.
00:24:33: Absolut, also die Grundidee vom Buch war ursprünglich,
00:24:37: dass ich mir mal die ganzen Gaps angucke, die es gibt.
00:24:40: Und dann habe ich aber festgestellt,
00:24:43: man kann gar nicht kapitelweise sinnvoll
00:24:46: über unterschiedliche Gendergaps schreiben,
00:24:48: weil die ja alle ineinandergehen.
00:24:50: Und dann habe ich mich sozusagen im nächsten Schritt gefragt,
00:24:53: wenn man das also aufarbeiten möchte,
00:24:55: wie gelingt einem das?
00:24:57: Und das geht dann eher tatsächlich nach Themenbereichen,
00:25:00: weil man da besser darstellen kann,
00:25:03: sozusagen wo man überhaupt auch ansetzen kann
00:25:08: und zu was das führt.
00:25:10: Und da war ich schon in vielen Sachen auch noch mal erstaunt.
00:25:14: Wenn man dort in die Studien und in die Zahlen geht,
00:25:18: ja, man vermutet das oft gar nicht so dramatisch.
00:25:21: Also Beispiel, was die Schulbildung angeht
00:25:25: oder immer diese Frage,
00:25:27: wie Mädchen,
00:25:29: eigentlich lernen, wie wichtig oder unwichtig Frauen sind. Also wenn man da quasi einfach
00:25:35: abfragt, sagen wir mal fünf bekannte Komponisten, fünf bekannte Maler etc., also alles männliche
00:25:41: Form, dass man da wirklich aus dem Steg reif einfach die Leute runterrattern kann und sich
00:25:47: wahnsinnig schwer tut, wenn man das mit weiblichen Komponisten tun soll oder Mathematikerinnen etc.
00:25:54: und das kommt natürlich auch ja aus der Schule, aus den Lehrplänen und das ist so ganz unter
00:26:00: der Oberfläche, aber Mädchen wachsen dann beispielsweise eben damit auf, dass sie ständig
00:26:06: nur als Referenz und Vorbild eben Männer hören und gar keine Vorstellung davon haben, dass Frauen
00:26:12: auch Großes leisten und dann wenn man ja noch eine Stufe weitergeht, dann ist es ja auch wiederum,
00:26:18: das hat ja auch historische Gründe, also dass man sagt, wie lange dürfen denn Frauen überhaupt
00:26:23: schon studieren? In welchen Phasen, wo die großen Entdeckungen gemacht wurden, haben Frauen unter
00:26:29: welchen Bedingungen gelebt, durften die überhaupt veröffentlichen, hat die überhaupt jemand ernst
00:26:33: genommen etc., also das ist dann wirklich sehr, sehr spannend, wo man dann denkt, ja okay, dann
00:26:39: zählt man also quasi Schulbücher durch und zählt durch wie viele Frauen, wie viele Männer, aber
00:26:45: da ist ja so ein Riesenratten-Schwanz einfach dran und die tiefer man da reingedenkt, man ist
00:26:49: es eigentlich unglaublich und ich bin ja selber betroffen, ich kriege jetzt oder über ein Jahr
00:26:54: nach der Buchveröffentlichung kriege ich auch wieder meine fünf Komponistinnen nicht quasi
00:26:59: auswendig aufgesagt und das ist einfach ja ganz tief in uns drinnen und ja, also es ist in ganz
00:27:05: vielen Details wirklich sehr, sehr spannend, wo diese Muster liegen und was sie mit uns machen und
00:27:11: wie die auch wirklich dann auf unterbewusster Ebene wirken einfach und unser Verhalten aber ja
00:27:17: auch steuern dann und das setzt sich ja sogar fort, es sind ja quasi, also du beschreibst ja auch sehr
00:27:24: anschaulich, wenn man die KI jetzt fragt, die ja so eine scheinbare technisch-neutrale Perspektive
00:27:31: dann entwickelt, aber natürlich nur das reproduziert, was schon da ist, dann kommen ja auch nur die
00:27:37: fünfmännlichen Komponisten raus. Genau, aber da lernt man eben ja, das ist ja dieses Shit in,
00:27:42: Shit out irgendwie, dass das natürlich irgendwie KI eben auf bestimmte Dinge zurückgreift, die ja
00:27:49: schon da sind und die dann eben reproduziert und man da merkt, man muss schon sehr genau fragen,
00:27:56: dass man dann eben nachfragt, so kannst du auch weibliche Komponisten benennen und wenn man dann
00:28:01: die wieder anguckt, dann sieht man, ja ja gut, jetzt habe ich halt viele weiße Menschen, aber und
00:28:06: das ist irgendwie wahnsinnig westlich irgendwie orientiert, aber es gibt ja da auch wiederum mehr,
00:28:12: also dann kommt man wieder in andere Themengebiete, die schwierig sind und wo es an Repräsentanz
00:28:17: irgendwie fehlt. Aber ja, das, wie gesagt, das prägt uns ganz stark oder auch, wenn man Kinder
00:28:23: in Kinderbücher irgendwie vorliest oder die Serien gucken, wenn man dann so zahlen hört,
00:28:28: wie es gibt quasi mehrsprechende Tiere als sprechende Frauen in Kinderserien,
00:28:33: ist das schon übel eigentlich, ja? Wahnsinn, ich würde gerne gleich noch mit dir über Politik,
00:28:40: über Steuern und so reden, aber das ist ja jetzt auch so eine ganz tief verwurzelte Ebene auf
00:28:45: so einer gesellschaftlich kulturellen Ebene. Wie glaubst du, können da Veränderungen gelingen?
00:28:52: Was sind da Ansatzpunkte? Also ich glaube, das ist was, was man wirklich im Privaten mit beeinflussen
00:28:59: kann, also das kann man nicht komplett selber lösen, aber man kann sich da ja wirklich
00:29:03: sensibilisieren und dann gucken, was haben wir eigentlich zu Hause, was lesen wir zu Hause,
00:29:09: was gucken wir zu Hause und wenn man irgendwelche Mainstream-Sachen guckt, wie keine Ahnung,
00:29:15: wenn man fünfjährige Kinder hat, dann wird sowas wie Paw Patrol sicherlich irgendwann eine Rolle
00:29:20: spielen. Und da kann man aber auch schon mit Kindern überreden, natürlich immer altersgemäß,
00:29:26: aber dass man dort diese Grundlage schafft, zu sensibilisieren, diese Muster irgendwie zu sehen
00:29:31: und damit dann irgendwie umzugehen und dann auch zum Beispiel eben am Elternabend im
00:29:36: Deutschunterricht zu sagen, Mensch, mir ist aufgefallen, wir haben jetzt drei männliche
00:29:40: Autoren gelesen, können wir nicht einfach auch mal eine Frau mit aufnehmen, da gibt es sicherlich
00:29:45: eine. Und das funktioniert schon, dass man da so ein bisschen was bewegt und eben bei den Kindern
00:29:52: auch eine andere Voraussetzungen schafft, dass die sich das also nicht alles irgendwann quasi eben
00:29:58: in der Rush Hour des Lebens selber aneignen müssen, sondern dass man eben verteilt über die
00:30:02: Biografie schon mit vielen Themen in Kontakt kommt und da ein bisschen eine andere Wahrnehmung bekommt,
00:30:08: kritische Fragen stellen kann, vielleicht auch dann eben selber irgendwann ein bisschen
00:30:13: unbequem wird in der Schule, weil man sich das eben nicht geben möchte, so den so und so
00:30:18: viel Mann dann zu zitieren, wenn man denkt, nee, das kann ich auch anders machen, ich mache jetzt hier
00:30:22: mal ein Referat über eine Mathematikerin oder so. Also ich glaube, da bin ich optimistisch,
00:30:28: dass wir das alle so ein bisschen beeinflussen können an ganz, ganz vielen Stellen. Also man
00:30:34: kann ja in Bibliotheken beispielsweise auch Wünsche abgeben, welche Bücher angeschafft
00:30:39: werden und so. Und das ist was Kleines, wo man eben sagen kann, nee, da bewege ich was. Ja,
00:30:45: und du schlägst da ja so eine Brücke zwischen einem individuellen Verhalten und Institutionen.
00:30:50: Also sobald man dann in der Kita sagt, lass uns doch mal nach einer Autorin gucken, dann ist es ja
00:30:58: mehr sozusagen als nur im eigenen Nahbereich das zu vermitteln. Ich bin nicht das erzählen darf,
00:31:05: die Zuhörer müssen jetzt taffer sein, weil ich das schon mehr vererzählt habe, aber wir haben
00:31:09: eine Zeit als Familie in Schweden gelebt und sind dann wieder nach Deutschland und der größte
00:31:16: Unterschied eigentlich war für uns so der Blick auf Geschlechter und Geschlechterrollen, den wir
00:31:22: dann in der Kita erlebt haben. Also wo die Kinder irgendwie zwei, drei, vier sind und wo es dann
00:31:28: plötzlich zum Problem wurde in Deutschland, wenn unser Sohn mit lackierten Finger anäggeln oder
00:31:34: einem roten Pullover in die Kita kamen. Wir in Schweden ein ganz anderes Extrem erlebt haben,
00:31:40: wir haben irgendwann gesagt, also wie toll, wie ihr das hier mit Jungs und Mädchen schafft und
00:31:46: dann haben die gesagt, nee, wir haben keine Jungs und Mädchen, wir haben nur Menschen. Ja, ja,
00:31:51: das ist ein Riesenunterschied und das ist ja, wir nehmen ja gerade in der Karnevalszeit auf,
00:31:55: für mich auch immer wieder so ein Schocker zu sehen, wie das ist. Also für was dürfen sich kleine
00:32:01: Jungs entscheiden, sich zu verkleiden und wie schwer das wirklich vielen immer noch fällt, wenn
00:32:07: ein kleiner Junge sagt, ich möchte aber jetzt als älter mich verkleiden und dann auch da weiter
00:32:12: zu denken. Also wirklich zu sagen, was ist denn da dieses dahinterliegende Muster und das ist ja
00:32:18: wirklich die Minderwertigkeit des Weiblichen. Also dass man da befürchtet, dass so ein kleiner Junge
00:32:24: sich abwertet, weil er quasi in einer weiblichen Stereotypie folgt, weil umgekehrt jedes Mädchen,
00:32:32: das irgendwie Cowboy sein will oder Feuerwehr, Frau, da sagt man, Mensch, das ist ja richtig toll,
00:32:38: klar kann die das machen und das finde ich wirklich sehr, sehr bitter, sich da wirklich auch die,
00:32:44: die dahinterliegende Frage zu stellen, warum fürchten wir uns denn so, was verliert ein 3,
00:32:50: 4, 5-jähriger Junge, wenn er Nagelack trägt, wenn er ein Kleid trägt, wenn er sich keine
00:32:56: Walle als Elsa verkleidet? Was sind das für Ängste? Hast du eine Idee, was dahintersteckt,
00:33:02: welche vielleicht auch Form von Unsicherheit dahintersteckt, wenn man so sehr Angst davor hat?
00:33:07: Also ich glaube, das sind einfach die Wertigkeit, wie wir auf die Geschlechter gucken in unserer
00:33:14: Gesellschaft und da mögen ja viele immer sagen, dass das auch alles schon längst gleichberechtigt,
00:33:20: aber an sowas merkt man, dass eben das nicht so ist, sondern dass wir noch wirklich ganz stark
00:33:24: so 2 Sphären haben und auch diese Binarität irgendwie sehen, Männer und Frauen und Männer
00:33:30: sind sozusagen dann eher eben so das Leistungsorientierte, das Kompetitive, das ist nach außen
00:33:39: wirkend, da ist auch sozusagen die Einflussmöglichkeiten und das Weibliche ist eben eher so, dass da
00:33:45: nach innen gekehrte, das sanfte, das sich kümmernde und so weiter und deswegen ist sozusagen jeder
00:33:52: Junge und jeder Mann, der sich in diese weibliche Sphäre bewegt, entwertet sich dadurch und
00:33:58: das zeigt sich ja eben nicht nur bei Jungs, sondern wenn ein erwachsener Mann, der auch
00:34:03: schon ein paar Jahre Berufskarriere gemacht hat, dann an einem bestimmten Punkt zum Beispiel
00:34:07: sagt, ich möchte sieben Monate Elternzeit machen, das ist ja teilweise unglaublich,
00:34:11: dass sich diese Männer dann anhören müssen, weil sie sagen ja wieso, hast du keine Frau
00:34:17: irgendwie und also ich will es gar nicht alles zitieren, was da also auch unschönes irgendwie
00:34:21: gesagt wird, weil man nicht davon ausgehen kann, dass sowas wie kümmern wirklich ein
00:34:28: Bedürfnis des Mannes sein auch könnte, dass der wirklich auch möchte, die seinen Beruf
00:34:34: in der Zeit lang an zweiter Stelle oder zurück zu priorisieren, um eben Kerarbeit zu leisten,
00:34:41: das ist in ganz vielen Köpfen einfach quasi nach wie vor völlig undenkbar, weil man sich
00:34:46: selber damit abwertet.
00:34:48: Und das ist ja dann einer der Gründe, warum du in den Musterbrüchen auch darüber schreibst,
00:34:52: warum es so wichtig ist, die männliche Kerarbeit sichtbar zu machen, zu normalisieren vielleicht.
00:34:58: Ja genau, dass man diese, also das ist ja auch so ein zweischneidiges Sperr mit den Vorbildern,
00:35:03: also ich glaube schon, dass es Vorbilder braucht, aber wir brauchen auch eine Generation Mann,
00:35:08: die sagen kann, ich bin nicht angewiesen auf das männliche Vorbild in der Kerarbeit, sondern
00:35:14: ich sehe hier hunderte von Frauen, also weibliche Vorbilder, denen ich auch nacheifern kann.
00:35:21: Also dass man dann in dem Schritt nicht aus Vaterschaft so eine Extrawurst macht, dass
00:35:26: man sagt also klar, ich kann hier Vater sein, aber das geht nur cool und cool bedeutet so
00:35:31: bestimmte Sachen mache ich dann nicht und ich mache mich da auch mal locker und da muss
00:35:36: man auch nicht an alles denken, sondern dass man wirklich sagt, nee so wie mit den schwedischen
00:35:40: Kindern, es gibt eben gute Kümmerer und zum guten Kümmern gehört X, Y, Z und dass man da dann
00:35:47: einfach anknüpfen kann als Mann und nicht sein eigenes Welt schaffen muss, um eben eine
00:35:53: Rechtfertigung zu haben. Ich bleibe Mann, aber ich bin dann halt cooler Vater und nicht halt wie
00:35:59: so eine Mutti, also allein in solchen Begriffen merken wir ja diese Abwertung.
00:36:03: Ich habe mich auch auf das Gespräch gefreut, weil ich hoffe, dass du mir helfen kannst,
00:36:08: ein Phänomen zu sortieren, was ich nicht so gut verstehe, nämlich dass der Thread Wives,
00:36:14: das ja so ein bisschen trendet, nach wie vor trendet, also eine Inszenierung von einer Form von
00:36:20: Weiblichkeit als traditionelle Hausfrau und Mutter, die sich dem Mann unterordnet und also das ist
00:36:27: ahistorisch, das hat wahrscheinlich so nur für einen ganz kleinen Teil der Gesellschaft
00:36:33: jemals sich so dargestellt und mir ist auch klar, dass das sozusagen politisch getrieben ist,
00:36:39: aber trotzdem scheint es ja ein Teil in der Gesellschaft, eine Resonanz zu finden. Wie erklärst
00:36:45: dir das? Ja, also da vielleicht nochmal, weil du selber auch jetzt gerade gesagt hast, also die
00:36:50: Thread Wives sind ja nicht wirklich Frauen, die traditionell leben, sondern das sind ja Influencer
00:36:56: Innen, die auch ja quasi zum Teil auch Geld verdienen mit dem, was sie da tun und die sind ja
00:37:02: vor allem rechtskonservative Influencerinnen so, aber dass das ja Zuschauerinnen quasi bekommt und
00:37:10: auch Zuspruch, das ist ja schon so ein bisschen sozusagen vielleicht für Leute, die sich mit
00:37:16: Gleichberechtigungen beschäftigen, erstmal so ein bisschen Rätsel, aber da muss ich auch sagen,
00:37:21: da wird Gleichberechtigung und da würde ich gerne weg von den Thread Wives, sondern einfach hin
00:37:26: zu traditionellen Familienmodellen. Da wird ja Gleichberechtigung manchmal auch ein bisschen
00:37:31: falsch verstanden, finde ich, also dass man eben nur ein bestimmtes Modell dann befördert und das
00:37:38: finde ich nicht so wirklich hilfreich. Also ich würde Gleichberechtigung da sehen, wo man wirklich
00:37:42: eine Wahlfreiheit hat und diese Wahl kann auch heißen, dass man zugunsten der Kehrarbeit quasi
00:37:49: seine berufliche Entwicklung eben ja also nicht im gleichen Maße vorantreibt oder sogar auch
00:37:56: zurückstellt und da würde ich mir wünschen, dass das für Männer und Frauen möglich ist und dass
00:38:01: das keine finanziellen Abhängigkeiten erzeugt. Das ist ja das, womit man dann irgendwie ein ungutes
00:38:07: Gefühl hat, dass man sagt, ja gut so lange das gut geht, können die Leute das ja machen,
00:38:12: aber wir kennen ja die Scheidungsquote, wir kennen das Phänomen Altersarmut etc. Es gibt
00:38:18: ja auch nach langjährigen Ähen mittlerweile keinen Unterhalt mehr für die Frau und das ist ja
00:38:25: auch nur so ein bisschen theoretisch, dass man, wenn man dann wirklich jetzt mal sechs, sieben Jahre
00:38:30: aus dem Job war, in Vollzeit sich da auch ohne Probleme wieder ein Einkommen irgendwie erwirtschaften
00:38:36: kann. Also das entspricht ja einfach nicht der Realität und ich glaube, das sind die Sachen,
00:38:41: wo man sagt, ah, das ist dann vielleicht ein schwieriges Lebensmodell, weil da einfach so große
00:38:46: Abhängigkeiten beschrieben. Aber wäre das nicht so, würde ich jetzt persönlich sagen,
00:38:52: bin ich total fein, damit das andere Menschen andere Vorstellungen von Familie und Rollenverteilung
00:38:57: haben und ich sehe es nur kritisch durch diese Abhängigkeit und dadurch, dass mir irgendwo die
00:39:03: Thread Husbands sozusagen fehlen, die es ja einfach überhaupt gar nicht gibt. Genau, die Wahlfreiheit
00:39:10: ist sozusagen das Entscheidende und du hast auf jetzt schon ganz viele gesellschaftspolitische
00:39:17: Rahmenbedingungen auch hingewiesen. Den klatten Text von den Musterbrüchen heißt es ja so schön,
00:39:24: wie heute gleichberechtigt leben will, der kann nicht auf die Politik von morgen warten. Aber
00:39:27: also wie müsste Politik aussehen, was wären die großen Stellschrauben, an denen wir rasch drehen
00:39:33: sollten? Also ich glaube, einige Stellschrauben sind ja auch immer schon wieder und diskutiert
00:39:38: worden in den letzten Jahren, aber eben nicht umgesetzt worden. Das sind kleine Dinge in
00:39:44: Anführungszeichen, wie ich habe jetzt das Wort leider vergessen, aber die Möglichkeit,
00:39:49: dass beide Partner die Wochen nach der Geburt quasi bei voller Bezahlung zu Hause sein können,
00:39:55: um eben die Frau, die ja die Geburt hinter sich hat, zu entlasten und wirklich diesen Staat
00:40:01: gemeinsam zu haben, dass da also sich nicht Parallelwelten entwickeln, sondern man wirklich
00:40:06: diese Überforderung, die Unsicherheit etc. selber erlebt und teilen kann mit der Partnerin oder
00:40:13: dem Partner. Und dann gibt es natürlich auch größere Dinge wie das Ehegattensplitting,
00:40:19: was ja auch immer wieder diskutiert wird, wo man aber wirklich auch gut weiß, wie die Effekte sind
00:40:26: und was das wieder eben im Privaten macht, wie die Diskussionen eben geführt werden. Damit verbunden
00:40:33: ist ja das Thema Mini-Jobs auch. Das spielt da ja ganz stark mit rein, wo sich eben aufgrund
00:40:40: dieser Bedingungen Familien erstmal sagen, das ist ja total logisch, aber man dann nach 3, 5,
00:40:45: 7 Jahren merkt so, das ist schon eine schwierige Konstellation, wo wir uns eben nicht einfach wieder
00:40:51: umentscheiden können. Ja, wie ihr gattensplitting, also bitte sagst ja in gewisser Weise ein alter Hut.
00:40:59: Also das wissen wir total gut. Es gibt tausend Studien darüber, Studien über die Verteilungseffekte,
00:41:06: was das langfristig macht in den Beziehungen. Trotzdem passiert wenig. Es gibt Parteien,
00:41:11: die sich da für Veränderungen aussprechen, die bei Wahlen keine Mehrheiten bekommen.
00:41:15: Ja, man hält eben weiterhin daran fest, dass es eine richtige Familienform gibt und die wird
00:41:22: eben durch den Staat befördert und alle anderen Modelle, die sich jetzt ja auch in größerer
00:41:28: Masse als vor 50 Jahren zeigen, die werden dann mehr oder weniger da auch wieder reingeordnet.
00:41:34: Also wenn dann Ehe für alle, dann ist es ja eben nicht, dass man sagt, machen wir uns mal Gedanken
00:41:39: über Familien, die vielleicht eben gar nicht heiraten wollen, aber man braucht trotzdem irgendwie
00:41:44: einen rechtlichen Rahmen, was vollmachten angeht, was sorgerecht angeht etc., sondern man versucht
00:41:50: ja da dann wieder zu sagen, ah ja gut, dann öffnen wir das Modell Ehe, aber am Ende landen wir ja dann
00:41:57: doch wieder eben in den traditionellen Rollen. Spätestens wenn Kinder eben in die Beziehung
00:42:03: kommen, das gilt ja dann eben bei homosexuellen Paaren genauso. Das weiß man mit der Weile auch,
00:42:08: weil die ja dann auch die gleichen Bedingungen haben. Die haben vorher ein viel gleichberechtigteres
00:42:13: Leben geführt, aber wenn dann die Kinder da sind, man dann geheiratet hat, dann Lohnsteuerklasse 3
00:42:19: und 5 hat, ja dann trifft man dann die gleichen Entscheidungen wie eben heterosexuelle Paare
00:42:25: und das ist, weil der Staat einfach möchte, dass so ein Modell am besten eben Mutter, Vater, Kind
00:42:31: er befördert wird und wenn das nicht geht, holen wir noch so ein paar mit in dieses Ehe-Modell ein,
00:42:37: aber eigentlich macht man sich eben keine Gedanken, wie ist die Lebensrealität von vielen
00:42:43: Menschen und was können wir da anders auch befördern, nämlich zum Beispiel die Kinder und nicht die Ehe.
00:42:49: Aber jetzt sagst du der Staat und das ist natürlich richtig, da sind diese Strukturen,
00:42:57: die wir vorfinden, aber das können wir ja auch verändern. Jetzt haben wir gerade ein Wahlkampf
00:43:01: hinter uns, wo wir nach meiner Einschätzung über also die wichtigsten drei Themen waren in meiner
00:43:06: Erinnerung Migration, Migration und Migration und viele, viele wichtige Fragen haben wir eigentlich
00:43:12: nicht thematisiert und ich habe das Gefühl geschlechter Verhältnisse, Kehrarbeit. Also ich
00:43:18: weiß gar nicht, ob es in irgendeinem dieser TV-Duelle irgendeine Rolle gespielt hat.
00:43:21: Nee, ich glaube, dass es auch konkret ausgezählt worden und das hat wirklich fast überhaupt gar
00:43:27: keine Rolle gespielt und das liegt natürlich auch daran, dass es halt, also ich meine, die anderen
00:43:31: Themen sind natürlich auch komplex, aber einfache Lösungen lassen sich halt auch besser verkaufen
00:43:37: und ich glaube, da sind wir eben bei dem Thema, da gibt es keine einfachen Lösungen im Sinne
00:43:44: für eine Lösung, passt da für alle, sondern man müsste da wirklich eben gucken, was haben wir
00:43:49: eigentlich für Familienmodelle und was können wir für die tun und dann spricht man ja auch
00:43:54: unterschiedliche Wählergruppen an, aber da sieht man dann ja gut, nur weil hier 25 Prozent der
00:44:00: Menschen irgendwie alleine erziehend sind. Ja, was ist denn dann mit den anderen 75 Prozent,
00:44:05: wenn man sich dann entscheiden muss, was kommt da für ein markiger Spruch auf, so ein Wahlplakat,
00:44:10: dann erreicht man natürlich mit Themen, die alle betreffen, wie die Mieten zum Beispiel eher die
00:44:15: Menschen und das Problem ist, glaube ich, dass wirklich sehr viele Menschen Wahl, also die auch
00:44:21: die Kapazitäten und die Zeit nicht haben, Wahlprogramme auch zu lesen und dass wir auch da uns schwer
00:44:28: tun, uns für Parteien zu entscheiden, die sozusagen nicht 100 Prozent unserer Auffassung
00:44:34: entsprechen, also weil dann kommt man dann auch zu keiner Entscheidung. Was man ja machen müsste,
00:44:40: ist sich über verschiedene Parteien informieren und dann dort sich Schwerpunkte setzen und dann
00:44:45: auch Kompromissbereits sozusagen, sagen gut, die haben eine gute Position in der Familienpolitik,
00:44:51: aber keine Ahnung, ein anderes Thema bin ich jetzt nicht so hundertprozentig mit zufrieden,
00:44:57: aber ich will die jetzt trotzdem. Deswegen glaube ich, dass eben Parteien die sehr einfache
00:45:02: Modelle die Ordnung versprechen und Haltversprechen in der Welt auch einen höheren Zuspruch haben
00:45:09: und damit meine ich jetzt gar nicht so sehr auch wirklich das Rechtsaußen, sondern auch die
00:45:14: konservativen Positionen, die geben uns ja Orientierung in der Welt, wenn wir wissen, was ein
00:45:21: Mann ist und wie er sich zu verhalten hat und wo sein Lebensschwerpunkt ist und was eine Frau ist
00:45:26: und wo ihr Lebensschwerpunkt ist etc. Das ist ja vielleicht eben in dieser komplexen Welt,
00:45:31: in der alles wahnsinnig schnell geht und vernetzt ist für viele Menschen ja wie so ein letzter
00:45:37: Strohhalm, an dem man sich da festhält. Das kann halt geben, dieses Gehäuse, dieses Korsett sozusagen.
00:45:45: Ja. Jetzt habe ich dich in allem, was du schreibst und auch ich hier schon dargestellt hast,
00:45:51: als optimistischen Menschen erlebt. Was gibt uns trotz dieser Hindernisse, die du gerade beschrieben
00:45:59: hast, was gibt dir Hoffnung, dass sich die Dinge in 10, 15, 20 Jahren doch entscheidend verändert
00:46:04: haben können? Na tatsächlich der Blick zurück. Also ich glaube man darf bei solchen gesellschaftlichen
00:46:09: Veränderungen, da muss man manchmal wirklich auch weit zurückgucken und sagen, also das hat
00:46:16: manche Dinge, die haben wirklich vor 100 Jahren angefangen, wo die Menschen, für die, die sich
00:46:22: engagiert haben, nie die Effekte gemerkt haben, aber sie haben das für folgende Generationen quasi
00:46:29: erkämpft. Und das finde ich, das sollte einem auch immer im Kopf bleiben, dass man ganz oft
00:46:35: sich jetzt für Dinge einsetzt, die vielleicht wirklich nicht mal für die Kinder, aber vielleicht
00:46:40: für die Enkelkindern in Effekt haben werden. Das finde ich schon wichtig zu sehen, dass es solche
00:46:47: Prozesse eben auch gibt und dann aber auch wieder sich so mit den, sage ich mal großen Schlagworten
00:46:53: auseinandersetzen. Das ist ja eben nicht so weit weg die 70er Jahre. Also ich bin da geboren worden,
00:46:59: das ist dann quasi individuell weit weg. Aber da war ja die Gesetzeslage so, dass Frauen noch
00:47:05: keine eigenen Bank konnten haben, konnten, dass man nicht eben einfach einen Job haben konnte,
00:47:10: ohne dass der Ehemann zugestimmt hat etc. Und da hat sich schon viel getan und wir sind natürlich
00:47:16: ungeduldig und wollen mehr und das ist auch total richtig, weil wenn wir nichts fordern, wird sich
00:47:21: nichts bewegen. Also ich bin jetzt weiter von weg zu sagen, jetzt ist ja auch mal gut, sondern
00:47:27: ich glaube, das gehört ja wirklich zu der fortwährenden Bewegung sozusagen, dass man auch
00:47:32: festhält an den Dingen, die noch besser werden können. Aber deswegen, also ich sehe eine Bewegung
00:47:38: und ich sehe auch, dass man vielleicht selber nicht von allen Dingen profitiert, die man jetzt
00:47:44: initiiert, aber das sollte irgendwie der Fokus in gesellschaftlichen Veränderungen nicht sein.
00:47:50: Also einerseits ein langer Atem, manchmal erkämpft man Dinge, von denen andere sehr
00:47:57: viel später profitieren, andererseits auch anerkennen, was geleistet wurde eigentlich in
00:48:01: relativ kurzer Zeit. Und auch unter welchen Risiken, das muss man ja auch sagen, dass
00:48:08: wir jetzt hier es noch relativ gut haben, weil wir keine großen Risiken eingehen. Aber wenn man
00:48:13: irgendwie an das Frauenwahlrecht denkt und was dafür alles nötig war und in welcher Radikalität
00:48:19: das auch erkämpft werden musste, dann denke ich so, oh Gott, ja da haben wir es noch irgendwie
00:48:24: relativ gut und dann kann man sich auch mal trauen, irgendwo was Unbequemes zu fragen oder zu sagen
00:48:30: oder sich an einem Streik zu beteiligen oder sich solidarisch Streiks gegenüber zu zeigen,
00:48:37: weil man eben sagt, ja das ist halt nötig, damit sich die Dinge in eine Bewegung ändern. Das ist
00:48:42: da jetzt vielleicht eine Branche, in der ich nicht arbeite, aber die erkämpfen im Grunde quasi
00:48:47: einen neuen Standard, der dann irgendwann auch auf andere Branchen übergeht. Sehr gut, das gibt
00:48:52: da ein bisschen Hoffnung, finde ich. Ja, die darf man ja nicht verlieren tatsächlich, das ist ja
00:48:57: ganz ganz wichtig, aber ich kämpfe da auch regelmäßig mit. Also das muss man sich immer wieder auch
00:49:04: tatsächlich bewusst sagen und diese Beispiele finden, gerade auch wenn man mit Kindern redet.
00:49:10: Ich erinnere eine Aufzeichnung, die ist noch gar nicht so lange her mit Raul Krauthausen und das
00:49:18: war kurz nach der Wiederwahl von Trump und der hat es ähnlich formuliert wie du, also natürlich
00:49:24: gibt es diese Rückschläge und man muss es auch zulassen, sich selbst gegenüber auch zulassen,
00:49:29: da einfach einen tiefen Schmerz zu spüren, dann aber auch die Hoffnung nicht aufzugeben.
00:49:35: Ja und auch immer auf seinen eigenen Wirkkreis zu gucken, dass glaube ich, dass es auch was,
00:49:41: was mir selber ganz viel Kraft gibt. Also wenn ich mich dann frage, so wie verhalte ich mich eigentlich
00:49:48: gegenüber jungen Frauen, gegen Frauen generell oder gegenüber Frauen generell, wenn ich irgendwo
00:49:55: arbeite, wo kommentiert man was, wo kommentiert man nicht. Also man kann sich ja ganz viel solidarisch
00:50:01: zeigen, wenn irgendwelche komischen Kommentare kommen für Männer, die dann jetzt eben Kinderkrankentage
00:50:07: nehmen etc., dass man sich dann da solidarisch zeigt. Ich glaube, das ist auch was, was sehr
00:50:13: Kraftspäntend ist. Also man schenkt das ja anderen Menschen, aber man kriegt auch ganz viel zurück,
00:50:19: dass Menschen dann sagen, ich habe das mitbekommen, dass du auf meiner Seite warst. Das hat mir total
00:50:24: geholfen, das hat auch meinem Chef irgendwie schwieriger gemacht, das nochmal anders zu
00:50:28: kommentieren etc. Und das kann ja manchmal eine Kleinigkeit sein, die aber in der Situation
00:50:32: und für den Menschen echt was verändert. Ja. Patrizia, herzlichen Dank. Ich glaube,
00:50:37: das ist eine super ermutigende Folge in einem riesen, riesen Thema gewesen. Ich bin dir sehr
00:50:43: dankbar für all dein Wissen, für die Offenheit und tatsächlich auch für die Zuversicht,
00:50:47: mit der du das hier geteilt hast. Danke für das gute Gespräch. Ja, danke dir auch.
00:50:51: [Musik]
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