Manuel Gava und die letzte freie Rede | 05 Zukunft gerecht Talk

Shownotes

In einem alten Alfa Romeo erlebte der damals dreijährige Manuel Gava den Umzug seiner Familie von Italien nach Deutschland. Bereits im Geschichtsunterricht begann seine Leidenschaft für politische Themen - mit der eindrücklichen Rede von Otto Wels zum Ermächtigungsgesetz. Als einer von wenigen Bundestagsabgeordneten mit nichtakademischem Hintergrund und Berufserfahrung im Niedriglohnsektor vertritt Manuel Gava heute einen Großteil der Gesellschaft. Im Gespräch teilt er seine Vorstellungen von transparenter Lobby-Arbeit und erklärt, wie Betriebsräte auch in Kleinstunternehmen funktionieren.
Gast: Manuel Gava (SPD), Moderation: Christian Krell

Transkript anzeigen

00:00:00: Herzlich willkommen zum Zukunft gerecht Podcast der Friedrich-Ebert-Stiftung.

00:00:11: Mein Name ist Christian Krell, ich bin von Beruf Politikwissenschaftler und ich bin aus

00:00:15: Neigung ein sehr sehr neugieriger Mensch und deshalb freue ich mich sehr, diesen Podcast

00:00:20: für die Friedrich-Ebert-Stiftung moderieren zu dürfen. Der offizielle Titel von unserem Podcast

00:00:25: ist Zukunft gerecht. Wir wollen mit Menschen reden, die sich irgendwie in irgendeiner Art und Weise

00:00:30: für eine gerechter, eine bessere Welt engagieren und wir wollen sie fragen, was treibt euch an,

00:00:36: was sind die großen Themen, was motiviert euch, was macht euer Engagement aus und lohnt sich das?

00:00:41: Der offizielle Titel lautet also "Zukunft gerecht". Der inoffizielle Titel, so wie wir das hier im

00:00:48: Kollegenkreis besprechen, heißt "Unterfreunden". Wir wollen so reden, wie man das Unterfreunden

00:00:52: macht, offen, ehrlich, manchmal auch kritisch, aber immer einander zugewandt und ich freue mich sehr

00:00:57: auf unseren heutigen Gast, auf unseren heutigen Gesprächspartner. Wir haben einen ganz untypischen

00:01:03: Bundestagsabgeordneten da. Manuel Gawar, herzlich willkommen. Schön, dass du da bist. Schön, dass

00:01:08: ich dabei sein darf. Ich freue mich drauf. Super, toll, dass du dir die Zeit genommen hast. Manuel,

00:01:14: wir reden mit unseren Gästen zu Beginn des Gesprächs, zum Einstieg in das Gespräch häufig über

00:01:19: ein Ort, den sie mit ihrem politischen Engagement verbinden. Ja, wir haben schon jemanden gehabt,

00:01:25: der hat gesagt, also das war das Jugendzentrum, in dem ich mich zuerst engagiert habe. Das habe

00:01:29: ich immer noch vor Augen. Andere haben gesagt, der Küchentisch meiner Eltern war super wichtig,

00:01:33: da wurde immer über Politik gestritten. Gibt es bei dir ein Ort, den man in Verbindung bringen

00:01:39: könnte mit deinem Engagement? Ich habe sogar zwei Orte, die ich hoffentlich beide nennen. Der erste

00:01:45: Ort ist tatsächlich die Schule gewesen. Ich kann mich sogar sehr gut an den Klassenraum erinnern.

00:01:50: Das war der Geschichtsunterricht und es ging um die Rede von Auto-Wels im Reichstag gegen das

00:01:56: Ermächtigungsgesetz. Wir haben uns diese Rede angeschaut, wir haben sie uns angehört, zumindest

00:02:00: Teile davon. Und das hat mich ziemlich bewegt und seit dem Tag kann man sagen, habe ich mich

00:02:05: deutlich politisiert. Also ich habe mich deutlich stärker mit Politik und allem, was dazu gehört,

00:02:11: beschäftigt, als es eben vorher der Fall war. Und das zweite war mein Wohnzimmer. Das klingt

00:02:18: vielleicht komisch, ist aber so. Das war mein Wohnzimmer, weil ich in diesem Wohnzimmer in die

00:02:23: SPD eingetreten bin und in die Gewerkschaft. Und das war im Jahr 2016 und Auslöser dafür war,

00:02:30: das war der Ergebnis der AfD in Sachsen-Anhalt und in Baden-Württemberg. In Sachsen-Anhalt irgendwie

00:02:35: bei 25 Prozent in Baden-Württemberg deutlich zweistellig. Und das war so ein Moment für mich,

00:02:40: ich hatte mal wieder Siegmar Gabel im Fernsehen gesehen, wie er das Ganze verkünden musste,

00:02:44: was dann auch so mit der SPD passierte. Das hat mich irgendwie so bewegt, dass ich gesagt habe,

00:02:48: an dem Abend, so jetzt kannst du meckern, kannst das alles blöd finden oder du trittst tatsächlich

00:02:53: aktiv auf. Das ist ja spannend. Das war ja eine Zeit, du hast es gerade schon angesprochen,

00:02:58: 2016 wurde die SPD nicht so unfassbar glänzend darstand. Wo sie freundlich formuliert nicht jede

00:03:05: Wahl gewonnen hat. Wie kam es dazu, dass du dich denn trotzdem für die SPD entschieden hast? Hat er

00:03:10: das irgendwas mit dieser Welsrede zu tun oder wo kam das her? Ja, so sicher spielte das mit rein. Ich

00:03:17: habe auch ein großes Interesse an Geschichte, an Sicht. Deswegen hatte ich mich schon auch vorher

00:03:21: mit der Geschichte der SPD beschäftigt, mit der ganzen Arbeiterbewegung in Deutschland,

00:03:25: aber auch weltweit. Von daher war für mich klar, wenn es in der Partei geht, wird es wahrscheinlich

00:03:30: in die SPD gehen. Ich hatte mal darüber nachgedacht, hatte mir mal alles angeschaut, aber wie gesagt,

00:03:35: ich kam wieder zu bis zu diesem einen Abend, an dem ich gesagt habe, so jetzt ist es soweit. Von

00:03:39: daher war eigentlich schnell klar, es ist für mich eben die SPD. Du bist dann ja auch rasch in die

00:03:45: Gewerkschaft eingetreten. Du bist Werdy Mitglied geworden. Hingt es für dich zusammen mit der SPD?

00:03:52: Das ist ja auch ein ungewöhnlicher Schritt in einigermaßen jungen Alter, in eine Gewerkschaft

00:03:56: einzutreten. Wenn sich die Historie der Sozialdemokratie anschaut, dann gehört sie natürlich ganz

00:04:01: eng mit den Gewerkschaften zusammen. Das war ja auch früher, waren das ja auch in der Regel fast

00:04:06: immer Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die in den Gewerkschaften aktiv waren. Für mich war

00:04:10: klar, wenn ich mich als Teil der Bewegung führen will, dann ist das eine die Partei, aber das andere

00:04:16: eben auch die Gewerkschaft. Ich war schon immer betriebsratsmäßig auch unterwegs, habe mich auch

00:04:21: immer für die Belange der Kolleginnen und Kollegen im Betrieb interessiert und eingesetzt. Dementsprechend

00:04:25: war dann doch an dem Abend für mich klar, wenn dann richtig. Also wenn dann mit voller Power und

00:04:30: nicht nur so halbgar Partei und Gewerkschaften dann an der Stelle gehörten für mich zusammen.

00:04:34: Das ganze Programm. Und ich habe verstanden, das hat auch was mit deinem Leben zu tun und damit,

00:04:41: wo du gearbeitet hast und wie du gearbeitet hast. Lass uns da doch noch mal ein bisschen schauen.

00:04:46: Du hast ja eine sehr, sehr spannende Biografie. Wenn ich es richtig überschaue, in Norditalien

00:04:51: geboren und im Alter von drei Jahren bist du noch Deutschland gekommen. Gibt es erste Erinnerungen?

00:04:59: Hast du Eindrücke, die du noch heute abrufen kannst an dieses Ankommen in Deutschland? Ich kann mich

00:05:05: sogar an die Vater erinnern. Das war ein relativ alter Alpha Romeo mit mehreren Zigaretten,

00:05:11: Löchern hinten auf Verrückbank und da konnte ich mich ein bisschen mit beschäftigen als

00:05:15: kleiner Junge, als es dann so über den Brenner ging. Warum auch immer hat sich diese Fahrt tatsächlich

00:05:20: eingebrannt, das Ankommen dann auch. Wir haben in so einem Hochhaus dann als erstes gewohnt und

00:05:26: ja die Bilder habe ich tatsächlich auch noch sehr gut vor Augen. Ich habe auch sehr gut vor Augen,

00:05:29: wie der erste Tag im Kindergarten so war. Denn ich kam in diesen Kindergarten und konnte

00:05:33: tatsächlich kein einziges Wort Deutsch. Das hat man als Kind natürlich den Vorteil, dass man

00:05:38: schneller miteinander ins Kommunizieren kommt, als jetzt Erwachsene, die nicht die Sprache sprechen.

00:05:42: Und trotzdem waren das schon Eindrücke, die bis heute da sind. Also dieses erste Ankommen im

00:05:47: Kindergarten ohne die Sprache zu sprechen. Das hat sich durchaus auch irgendwo eingebrannt.

00:05:51: Das vergisst man nicht. Ich stelle mir gerade den Geruch sozusagen, diesem Alpha Romeo auch vor.

00:06:01: Die Zigaretten haben da möglicherweise ihre Spuren hinterlassen. Und diese Erfahrung hat

00:06:06: aber auch sozusagen bei dir Spuren hinterlassen. Du bist dann irgendwann aus dem Kindergarten,

00:06:12: in die Schule gekommen, hast einen Hauptschulabschluss gemacht. Und das ist ja was Besonderes,

00:06:18: weil es dich von vielen deiner jetzigen Kolleginnen und Kollegen unterscheidet. Und darauf müssen

00:06:24: wir gleich noch zurückkommen. Aber ich bin ganz gespannt, was dann eine ganze Reihe von

00:06:28: beruflichen Stationen gehabt, die auch wiederum untypisch sind. Du hast in der Eisstile gearbeitet,

00:06:33: Pakete ausgeliefert, Brigale eingeräumt. Was nimmst du aus all dem mit für deinen politischen Alltag?

00:06:41: Zum einen, dass ich glaube, ich einfach vom eigenen Erlebnis schon ganz gut nachvollziehen kann,

00:06:48: wie es sich anfühlt, für einen Paketdienstleister durch die Gegend zu fahren und für wirklich

00:06:52: eine sehr schlechte Bezahlung diese Pakete dann auch eben abzugeben. Tage lang, gerade vor Weihnachten,

00:06:57: fahren die Kollegen 12, 14 Stunden durch die Gegend und verteilen diese Pakete. Das habe ich auch

00:07:03: gemacht. Und ich glaube, dass mir das durchaus ein gewisses Empfinden und ein gewisses Gefühl

00:07:07: gibt, wie sich das eben anfühlt und was da auch für Sorgen und was da auch vielleicht für Ängste

00:07:11: dahinterstehen. Also ich sehe das absolut als bereichernd an, dass ich diese Erfahrungen machen

00:07:16: durfte. Und in meiner bisherigen politischen Arbeit kann ich sagen, dass das durchaus Menschen auch

00:07:21: anerkennen, wenn man selbst eben in dieser Situation war. Das heißt jetzt nicht, dass man in der

00:07:26: Situation gewesen sein muss, um diese Gruppe zu vertreten. Das geht auch ohne das gemacht zu

00:07:31: haben. Aber ich finde es für mich als Vorteil und bin eigentlich auch ganz dankbar, dass ich

00:07:35: diese Erfahrungen so machen durfte. Auch wenn das zugegebenermaßen damals nicht immer schön war.

00:07:39: Das gab auch Momente, wo ich diese Jobs auch nicht so klasse fand. Ja, das kann ich gut.

00:07:46: Gut verstehen. Du sagst also, das wird anerkannt. Du hast ja jetzt einen Wahlkampf hinter dir und du bist ja

00:07:51: in einem ständigen Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern. Hast du den Eindruck, diese Erfahrung

00:07:55: hilft dir? Da öffnet das sozusagen Türen. Kommst du einfacher ins Gespräch mit Menschen, wenn du

00:08:00: da von erzählen kannst? Ja, ich kann schon sagen, dass das so war. Ich habe 10.000 Hausbesuche gemacht

00:08:06: im Wahlkampf. Mit etwa 5.500 Leuten habe ich gesprochen, mal länger, mal kürzer. Dazu hatte

00:08:13: ich ein Video, in dem ich meine Vita so ein bisschen dargelegt habe und so ein bisschen mich

00:08:17: vorgestellt habe. Und dieses Video ist ziemlich viral gegangen hier im Wahlkreis. Wir hatten bei

00:08:21: Facebook über 60.000 Aufrufe, bei YouTube 40.000 Aufrufe und man konnte sehen, dass das schon

00:08:27: überwiegend auch aus dem Wahlkreis heraus angeschaut wurde. Und darauf wurde ich auch häufig

00:08:32: angesprochen. Also das war ganz spannend, weil die Leute die Tür aufgemacht hatten oder aufgemacht

00:08:36: haben. Viele wussten, wer vor ihnen steht. Das war schon irgendwie ein Vorteil, weil man dann

00:08:41: gleich ein Icebreaker hatte, um ins Gespräch zu kommen. Und gerade so die Biografie, darauf wurde

00:08:45: ich tatsächlich sehr häufig angesprochen. Auch der Faktor mit dem Hauptschulabschluss, weil da hast

00:08:50: du völlig recht, das ist jetzt nicht unbedingt typisch, dass Bundestagsabgeordnete oder auch

00:08:55: Kandidierende eben dann im Hauptschulabschluss von der Schule aus gegeladen wird. Wie ist es diese

00:09:00: Gespräche, wenn du sagst, also 5.000 Gespräche, ja das sind ja mal kürzere, mal längere Gespräche. Wie

00:09:07: hat dich das verändert? Ich stelle mir vor, dass man nach so einer intensiven Zeit mit einem ganz

00:09:11: intensiven Austausch anders daraus geht, als man reingeht. Das hat angefangen zu einem Zeitpunkt

00:09:17: mit den Hausbesuchen, als die SPD bei 14 Prozent war. Dementsprechend habe ich auch oft Mitleid an

00:09:23: den Türen bekommen. Also das war tatsächlich ganz spannend zu sehen, auch im Verlauf des Wahlkampfes,

00:09:28: wie sich das verändert hat. Anfangs waren Fragen, warum machst du das überhaupt? Hast du das nötig?

00:09:33: Muss das denn sein bei so einer Partei, die quasi mehr oder weniger am Ende ist? Hast du keine Freunde?

00:09:38: Das waren tatsächlich so Begegnungen am Anfang und das wandelte dann so Richtung Sommer, als

00:09:44: dann auch die Umfragewerte nach oben ging und abzusehen, weil okay, die SPD hat eine realistische

00:09:48: Chance, diesen Wahlkampf auch zu gewinnen. Dann wurden die Gespräche auch anders. Aber diese

00:09:52: Erfahrung habe ich gemacht, dass teilweise auch Mitleid entgegengebracht wurde. Ich habe mich

00:09:58: davon nicht unterkriegen lassen. Es hat nämlich auch riesengespass gemacht und für mich war klar,

00:10:01: ob es nun klappt oder nicht. Das ist eine Lebenserfahrung, die man mir so nicht mehr wegnehmen kann.

00:10:06: Dementsprechend hat mir das sehr viel geholfen. Man muss allerdings dazu sagen, ich bin ja im

00:10:11: Vertrieb. Da kommen wir vielleicht ja auch, ich war lange im Vertrieb, da kommen wir vielleicht

00:10:14: noch drauf hin. Dementsprechend war es jetzt nicht besonders fremd, mit Menschen ins Gespräch zu

00:10:18: kommen. Ich meine, ein guter Verkäufer muss auch ganz gut mit Menschen können und auch gut mit ihnen

00:10:23: umgehen können. Deswegen viel mir das ehrlicherweise jetzt auch nicht ganz so schwer, so ein Small

00:10:27: Talk an der Tür zu führen. Ja, das glaube ich. Das merkt man ja. Also, wenn man dich reden hört und

00:10:32: wenn man dir zuschaut, dann fällt ja leicht mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Gab es einzelne

00:10:37: Themen, die sich da durchgezogen haben oder waren, wenn man quasi auf Themen der Bürgerinnen und

00:10:43: Bürger da guckt, waren das ganz unterschiedliche Themen? Ja, es hat sich schon, sag ich mal,

00:10:48: zwei Blöcke konzentriert zum einen Thema Mindestlohn und alles, was damit zusammenhängt. Also,

00:10:53: ich sage mal, klassische SPD-Themen, alles rund um die Arbeitswelt. Das war schon vorherrschend,

00:10:58: aber natürlich auch ganz klar Klima und Umwelt und gerade bei uns im Wahlkreis. Wir haben ein

00:11:03: Stahlwerk, wir haben Automobilindustrie, wir haben Kupferproduktion, also ganz klassische

00:11:08: Industrieberufe oder Betriebe, die sich verändern werden mit der Zeit durch Digitalisierung,

00:11:13: Automatisierung und den Folgen der veränderten Situation einfach auch, dass wir mehr fürs

00:11:20: Klima machen müssen. Dementsprechend waren diese Sorgen auch da und auch häufig die Frage,

00:11:25: wie schaffen wir das eigentlich, weiter gute Arbeitsplätze in Deutschland zu haben und

00:11:29: trotzdem etwas fürs Klima zu tun und unsere Ziele einzuhalten, damit wir bei 1,5 Grad dann eben

00:11:33: auch rauskommen. Das war schon ziemlich ein großes Thema, muss man schon sagen. Und war das eher

00:11:39: von Sorge getrieben oder sozusagen von Euphorie? Wir schaffen jetzt den Wandel? Das kann ich nicht

00:11:46: zwar zu 100 Prozent so beantworten, weil es sehr unterschiedlich war, aber ich habe schon wahrgenommen,

00:11:51: dass das je nach Stadtteil anders diskutiert wurde. Wenn man jetzt eher in so klassisch

00:11:56: bürgerlichen Stadtteilen auch mal unterwegs war, war das ganze Thema eher mit Hoffnungen verbunden

00:12:02: und Aufbruch, nenne ich es mal. Wenn man jetzt so in den klassischen Industriesiedlungen unterwegs

00:12:07: war, waren auch viele Ängste dabei. Also wirklich viele Ängste. Viele Menschen, die Angst haben,

00:12:12: ihren relativ gut bezahlten Job und mit gut bezahlten Job meine ich irgendwo ein Einkommen bei

00:12:16: 4.000 Euro. Das ist ja ein Facharbeiter, diesen Job zu verlieren. Das war tatsächlich, konnte man

00:12:22: schon merken, dass es da Unterschiede gab. Natürlich nicht bei jedem, da gab es auch wieder

00:12:27: Differenzierungen, aber wenn ich das so ganz grob widerspiegeln müsste, dann habe ich das schon

00:12:31: wahrgenommen. Ja, das sind sehr, sehr spannende Eindrücke und ist ja gar nicht überraschend,

00:12:36: dass da eine unterschiedliche Art und Weise zu leben, also das unterschiedliche berufliche

00:12:42: Hintergründe dann den Blick auf die Dinge prägen. Oder wir haben es eben schon angesprochen,

00:12:48: du hast dann diesen Wahlkampf ja gewonnen. Du bist vor einem sozusagen etablierten CDU-Kandidaten

00:12:54: dann ins Ziel gekommen, hast ihn bei den Erststimmen geschlagen und bist jetzt also Abgeordneter. Und

00:13:01: wir wissen also etwa 80 Prozent der Abgeordneten sind Akademiker. Genau, umgekehrt zur Bevölkerung.

00:13:07: Wie um alles in der Welt kommt das? Warum scheint es so schwierig zu sein, als Nicht-Akademiker

00:13:13: in den Bundestag zu kommen? Da gibt es unterschiedliche Ansätze. Ein Ansatz ist schon, auch wenn wir uns

00:13:19: die Jugendorganisation der Parteien anschauen, übrigens völlig egal welcher Kulör. Also von

00:13:24: Linkspartei bis CDU, FDP. Es ist schon so, dass schon in den Jugendorganisationen überwiegend

00:13:29: Personen und Menschen unterwegs sind, die sich auch ein Studium vorbereiten und jetzt weniger auf

00:13:34: eine Ausbildung berufen. Das hat glaube ich mehrere Gründe. Das hat zum einen den Grund des Zugangs an

00:13:40: Politik. Der ist sicher bei Haushalten, die schon Bildung haben bzw. einen hohen Bildungsstandard

00:13:46: etwas einfacher und etwas schneller da. Da sehe ich übrigens auch die Aufgabe gerade auch der SPD

00:13:52: und auch der USOS logischerweise, da auch andere Zugänge zu schaffen, damit nicht nur Studierende

00:13:57: den Weg zu uns finden, was auch sehr gut ist, dass wir das haben, sondern auch Leute, die jetzt

00:14:01: beispielsweise in Ausbildung sind oder sich auf dem Weg dahin befinden. Ich glaube, das hat viel mit

00:14:06: Zugang und Chancengleichheit zu tun. Weil es ja schon so ist, dass wenn man sich so die Biografie der

00:14:11: Bundestagsabgeordneten anschaut, da auch viele Aufsteiger dabei sind, die sich das selbst erarbeitet

00:14:16: haben. Aber da sind auch schon viele dabei, die natürlich aus Haushalten kommen, wo es vielleicht

00:14:21: auch ein bisschen einfacher war, den Zugang zu finden. Genau. Und da gibt es dann auch eine Aufgabe,

00:14:27: so verstehe ich dich für die Parteien, da irgendwie andere Strukturen zu haben,

00:14:31: vielleicht eine andere Sprache, nicht so akademisch daherzukommen. Wir brauchen alles.

00:14:39: Wir brauchen Menschen mit Studium, ohne Studium. Wir brauchen einfach unterschiedliche Biografien

00:14:44: in Parteien. Deswegen kann man auch nie sagen, es ist ein Missen unbedingt jetzt,

00:14:48: weniger Studierte in die Politik. Das wäre der völlig falsche Ansatz. Ich freue mich über

00:14:52: jeden, der den Weg zu uns findet, egal in welcher Partei. Aber der Ansatz muss einfach sein,

00:14:57: dass wir den Zugang besser gestalten für die, die jetzt noch nicht so privilegiert sind, um da

00:15:01: vielleicht, sage ich mal, schneller hinzukommen. Würdest du das auch so beschreiben für Menschen

00:15:07: mit Migrationshintergrund? Auch da haben wir ja so etwas, was verzeihe, sozusagen, dass die Politik

00:15:12: Wissenschaftler dann ganz umständlich Repräsentationslücke beschreiben. Wir haben quasi mehr,

00:15:18: wesentlich mehr Menschen in der Bevölkerung mit Migrationsgeschichte, als wir sie im Bundestag

00:15:23: haben. Ähnliche Ursachen? Ähnliche Ursache. Man muss allerdings so gut erhalten, dass das in dieser

00:15:30: Legislatur etwas besser geworden ist. Die Quote hat sich verbessert. Man kann auch sagen,

00:15:34: dass die SPD da ihren Anteil zu beigetragen hat. Das sehe ich nämlich auch daran. Die

00:15:39: jungen Abgeordneten mit Migrationshintergrund in der SPD-Fraktion haben eine Gruppe, also einen

00:15:44: Online-Shut, nenn ich es mal. Und da sind 30 Leute drin. Und das ist ein ganz gutes Zeichen, dass das

00:15:49: in die richtige Richtung geht. Wir haben 206 Abgeordnete, da sind 30 Mitglieder drin. Was sind

00:15:55: das? 15 Prozent oder was? Das heißt, es geht schon nach oben, aber du hast völlig recht im

00:16:00: Verhältnis zur Bevölkerung. Auch wenn wir uns jetzt anschauen, wie ist der Anteil von denen,

00:16:04: die heute eingeschult werden. Der ist ja noch mal deutlich höher als der der Gesamtbevölkerung.

00:16:08: Dann gibt es da immer noch eine deutliche Lücke. Ich möchte einmal ganz kurz, wenn ich darf,

00:16:13: unseren ehemaligen Bundestagspräsidenten zitieren. Wir werden nie eine Repräsentanz

00:16:18: hinbekommen, wie eins zu eins ist. Also die völlig identisch mit der Gesellschaft ist. Das stimmt.

00:16:22: Aber wir sollten schon daran arbeiten, dass sich das weitestgehend angleicht oder zumindest

00:16:27: anpasst. Und da sind wir auf einem ganz guten Weg. Es bleibt aber auch noch viel Arbeit für uns.

00:16:32: Ja, das ist ja echt beeindruckend. Was für ein Schwung, junger, auch unterschiedlicher Menschen da in

00:16:38: den Bundestag gekommen ist. Jetzt liegt ja die Wahl ein paar wenige Monate zurück. Ihr habt

00:16:44: erste gemeinsame Erfahrung gemacht, erste Eindrücke gewonnen. Kann man schon so eine Art

00:16:49: Zwischenbilanz ziehen? Was ist anders, als ihr es erwartet habt? Was hat sich bewahrheitet?

00:16:55: Naja, man muss schon sagen, man kommt da mit einer gehörigen Portion aller Marlin auch rein in den

00:17:01: Bundestag. Alle Neuen haben einen wahnsinnig anstrengenden Wahlkampf hinter sich. Also man ist

00:17:05: immer unter Strom gewesen. Man kommt da rein und würde sich natürlich wünschen, dass es dann so

00:17:10: eins zu eins weitergeht vom Spirit und von der Geschwindigkeit. Die Realität ist natürlich,

00:17:15: dass man erstmal ankommen muss. Man muss ganz profane Dinge regeln. Das hatte ich so,

00:17:18: ehrlich gesagt, auch gar nicht auf dem Schirm. Also die Wohnungssuche in Berlin beispielsweise,

00:17:22: die gestaltet sich nicht immer einfach. Und wir haben ja auch noch die privilegierte Ausgangslage

00:17:29: als Bundestagsabgeordnete im Verhältnis zu vielen Menschen, die ein anderes Einkommen haben,

00:17:32: als wir es haben. Dementsprechend mussten wir erstmal ganz profane Dinge regeln in den ersten

00:17:37: Monaten, was sicher so ein bisschen von diesem Ausgangspirit rausgenommen hat. Zumindest ein

00:17:44: bisschen die Geschwindigkeit. Also man kommt schon an, man stellt fest, der Bundestag ist echt

00:17:50: nochmal was ganz anderes. Das ist eine Riesenverwaltung. Es gibt Strukturen, es gibt Abläufe,

00:17:55: an die man sich halten muss. Und das ist ein Lernprozess, glaube ich, gerade für uns Neuen,

00:17:58: der eine Weile gedauert hat und der sicher auch noch ein bisschen dauern wird. Also man will die

00:18:04: Welt retten und muss erstmal Formulare ausfüllen. Das trifft gut. Also ich glaube, ich habe noch

00:18:10: nie in meinem Leben so viel Formulare ausgefüllt wie in den letzten Monaten, seitdem ich habe geäupt.

00:18:14: Oh, war ja. Dann machen wir jetzt etwas ganz unbürokratisches. Wir machen unser dafür-der-

00:18:20: gegen- Spiel. Wir haben so ein kleines Spiel, wo wir 20 Schlagwörter, 20 Begriffe haben und wir

00:18:27: bitten unsere Gäste sehr rasch zu sagen, ob sie dafür sind oder ob sie dagegen sind. Und wir

00:18:32: kommen dann später auf einzelne Themen nochmal zurück. Sehr gut. Wir fangen an mit kostenfreiem

00:18:38: ÖPNV. Dafür unbedingt. Sehr gut. Ausgefahlene Eiskreationen, so was wie Cheeseburger oder Knoblauch.

00:18:47: Gute Frage. Ich würde es probieren, wird sicher nicht mein Lieblingseis. Tendenziell ist dagegen,

00:18:55: aber eine offene Halt. Hip Hop. Ja, läuft. Gut. Allgemeines Tempolimit von 120 auf den Autobahnen.

00:19:04: In der Diskussion 130. Ich war lange dagegen, bin aber mittlerweile so, dass ich dafür stimmen

00:19:10: würde. Pizza mit Sauce Hall und der Eis. Nee. Es gibt Grenzen. Genau. Gerade aus Italien stammt,

00:19:20: gibt es einfach auch ein paar Dinge, die man nicht machen wollte und das gehört dazu. Sehr gut.

00:19:25: Sehr klar. Legalisierung von Cannabis. Bringen wir jetzt auf den Weg und ist auch der richtige Schritt.

00:19:31: Alles klar. Twitter. Politischer Arbeit über Twitter. Ich lese mit, benutze es bislang noch

00:19:40: nicht aktiv und habe für mich ehrlicherweise noch nicht entschieden, ob ich es machen werde.

00:19:43: Tendenz 9. Tendenz 9. Alles klar. Online-Wahlen. Also Abstimmung auch online durchführen bei

00:19:51: Wahlen. Nee. Lieber klassisch mit Papier, Zettel und Wahlen. Eine Dauerkarte für den VfL Osnabrück.

00:20:00: Besitze ich schon seit Längerem und war schon lange nicht mehr da, aber werde mir auch weiter

00:20:05: einen holen. Sehr gut. Das ist klar. Ist dafür autofreie Innenstädte. Wir sollten auf jeden Fall

00:20:12: weniger Verkehr in den Autostädten haben, weniger Autos pauschal zu sagen, autofreie Innenstädte

00:20:18: ist mir aber zu kurz gedacht. Betriebsräter auch in kleinen Unternehmen. Unbedingt. Mit Sonderlösungen

00:20:27: und die etwas angepasster sein müssen, denn in einer 5-Mann-Bude oder 5-Menschen-Bude ist es

00:20:33: tatsächlich ein bisschen komplizierter, aber wir können da gute Wege finden, um auch da ein

00:20:37: Betriebsrat zu etablieren. Serienmarathon auf Netflix. Dafür dagegen. Mache ich sehr gerne,

00:20:44: seitdem ich angetreten oder seitdem ich Bundestags abgeordnet habe, dann habe ich da leider nicht

00:20:47: mehr so viel Zeit zu. Urlaub am Strand. Ja, ich komme aus dem Dolomiten, da ist der Strand jetzt

00:20:54: ein bisschen weiter weg, aber kann man machen. Ich komme aus dem Rheinland, Kölsch. Ist okay.

00:21:03: Das nehme ich zu Kenntnis. Einfachere Einbürgerung, einfache Möglichkeiten,

00:21:16: die Staatsbürgerschaft zu erwerben. Ja, absolut richtig und wir haben im Koalitionsvertrag dazu

00:21:22: auch einiges entschieden und beschlossen. Ich freue mich auf die Umsetzung. Eine Ausbildungsplatzgarantie.

00:21:28: Auch das, die Forderung der Users, wenn man so will, eine sehr großen Forderung. Ich freue mich,

00:21:33: dass sie kommen wird. Hätte sie gerne noch etwas schärfer gehabt als das, was die Koalition

00:21:37: beschlossen haben, aber als erster Schritt ist das, glaube ich, ganz in Ordnung. Eine Viertagewoche.

00:21:43: Wird sicher Diskussionswürdig bleiben. Das wird auch nicht überall funktionieren, aber Arbeitszeit,

00:21:53: Verkürzung und Reduzierung war schon immer ein Thema der soziale Demokratie und wird es auch in

00:21:56: Zukunft bleiben. Ein Lobbyregister. Muss kommen, deutlich strenger als das, was wir bislang haben.

00:22:04: Ich habe für mich da auch einige Entscheidungen getroffen, die ich vielleicht später noch mal

00:22:08: einbringen kann. Und letzte Frage, ein Grundeinkommen, bedingungsloses Grundeinkommen.

00:22:16: Bin ich nicht dafür. Ich bin für ein Bürgergeld, ich würde das Bürgergeld auch noch etwas

00:22:23: anders gestalten als das, was wir jetzt beschlossen haben. Aber ich bin gegen ein Grundeinkommen

00:22:28: und sehe tatsächlich eher das Arbeiten im Vordergrund und natürlich mit einem Sozialstaat,

00:22:33: der die Menschen unterstützt und nicht sie gängelt, aber ein reines Grundeinkommen sehe ich nicht mehr.

00:22:38: Ja, Arbeit spielt eine wichtige Rolle im Leben von Menschen. Ja, herzlichen Dank für diesen

00:22:44: kleinen Marathon. Danke für deine schnellen spontanen Antworten. Das ist ja selber schon

00:22:50: angesprochen. Wir müssen auf einiges dann noch zurückkommen. Zum Beispiel auf dieses Lobbyregister.

00:22:54: Da hast du gesagt, was für dich einige Entscheidungen getroffen. Was waren da deine Entscheidungen?

00:22:58: Man kann sagen zwei Entscheidungen. Zum einen, ich werde keine Nebeneinkünfte haben. Also ich werde

00:23:06: alles dafür tun, dass ich keine haben werde. Falls es doch dazu kommen sollte, habe ich für mich

00:23:11: die Entscheidung getroffen, dass ich das transparent spenden werde. Also ich denke unsere Abgeordneten

00:23:16: Entschädigung ist hoch. Es gibt auch Gründe, warum sie so hoch ist, wie sie ist. Aber das muss es dann

00:23:21: aus meiner Sicht auch sein. Alle anderen Kolleginnen und Kollegen können das für sich entscheiden im

00:23:25: Rahmen der Gesetzgebung, wie sie da ist. Aber ich glaube, das reicht das Einkommen, was wir haben

00:23:31: und man muss da nicht noch Nebeneinkünfte haben. Das ist aber meine ganz persönliche Meinung. Das

00:23:35: andere ist, ich habe für mich entschieden, dass ich alle Lobbykontakte, alle Lobby treffen vor allen

00:23:39: Dingen und Kontakte öffentlich machen werde mit einem kurzen Protokoll, was wir da eigentlich so

00:23:44: besprochen haben. Das wird sicher dazu führen, dass sich der ein oder andere nicht mit mir treffen

00:23:49: wollen wird. Aber das ist okay. Zu Lobby zählt übrigens alles und das ist mir auch wichtig zu

00:23:54: sagen, weil bei Lobby sehr oft unterschiedliches, sage ich mal, zusammengewürfelt wird. Also Lobby sind

00:23:59: im Grunde genommen alle Organisationen, ob Unternehmen, Gewerkschaften, Umweltverbände, mit denen man

00:24:04: ins Gespräch kommt. Und ich glaube, da eine gewisse Transparenz herzustellen und auch zu zeigen,

00:24:10: wie politische Arbeit funktioniert, mit wem spricht man eigentlich. Das ist schon wichtig und das werde

00:24:15: ich auf jeden Fall auch möglichst Transparenz machen. Natürlich sage ich aber auch, dass es trotzdem

00:24:19: vier Augengespräche auch geben muss. Also eine gewisse Vertraulichkeit in Situationen, beispielsweise

00:24:24: mit einer Gewerkschaft, kann durchaus auch wichtig sein und richtig. Und trotzdem glaube ich, dass

00:24:30: da möglichst viel Transparenz sein muss. Also viel Transparenz und wenn ich dich richtig verstehe,

00:24:36: ist das ja auch so eine Differenzierung bei dir. Du hast ja, dir war es ja wichtig zu betonen,

00:24:40: was man alles als Lobby verstehen kann, auch um deutlich zu machen. Es ist jetzt nicht immer

00:24:44: quasi ein Check von irgendeinem zwilligen Unternehmer, sondern es sind auch gesellschaftliche Interessen,

00:24:49: die eine Berechtigung haben. Absolut und ich finde auch, dass es durchaus legitim und auch

00:24:55: wichtig ist, weil es Bundestagsabgeordnete sich mit Unternehmen und von mir aus auch mit Verwenden

00:24:59: zu treffen. Beispielsweise, wenn die örtliche Handelskammer oder Handwerkskammer sich mit dir

00:25:05: treffen möchte, um mit gewisse Dinge zu besprechen, die hier anstehen, dann ist das eigentlich auch

00:25:09: meine Aufgabe, deshalb habe ich mich auch wählen lassen, um da eben auch mir alle Interessen

00:25:13: anzuhören. Nur da ist mir wichtig, dass eine Transparenz drin ist. Ich glaube, da sollten alle

00:25:20: sich auf den Weg machen, das möglichst auch herzustellen. Damit sowas wie Maskenwiels und andere

00:25:24: Dinge einfach auch der Vergangenheit angehören. Wenn man mit anderen Abgeordneten spricht,

00:25:30: die gerade frisch gewählt sind, dann gibt es manchmal einen Erstaunen darüber, wie viel es

00:25:35: quasi an Post gibt, an Anfragen aus diesem Bereich. Warst du auch überrascht oder hattest du damit

00:25:41: gerechnet? Ich habe ehrlich gesagt schon damit gerechnet, aber dass es so viel sein würde,

00:25:46: hat mich dann doch überrascht. Und das trotz Corona muss man sagen. Also ich glaube,

00:25:50: wer Corona, wer die Lage der Einladungen noch viel viel höher, das hat mich schon überrascht.

00:25:56: Und wenn man sich manchmal auch so die Locations anschaut, wohin man dann eingeladen wird,

00:26:00: dann stellt man auch Unterschiede fest, muss ich ganz ehrlich sagen. Also von fünf Sternehotels,

00:26:07: von einigen Unternehmen bis, sag ich mal, zu schlichten Bürokomplexen von Organisationen ist

00:26:12: alles dabei. Ja, das sind ganz interessante Eindrücke. Lass uns noch ein bisschen über Arbeit,

00:26:19: Arbeitswelt, Gewerkschaften, Betriebsräte und all das reden. Ich habe eben genau zugehört,

00:26:25: als wir darüber gesprochen haben, wie das mit Betriebsräten in kleinen Unternehmen ist. Und

00:26:31: du hast ja eine Reihe von beruflichen Erfahrungen auch in kleinen Unternehmen gemacht. Du kennst

00:26:36: quasi die Eisdiele deines Vaters, ja, weiß, wie da gearbeitet und Arbeit organisiert wird. Und

00:26:40: trotzdem sagst du, wir brauchen hier irgendwie auch in kleineren Unternehmen, brauchen wir Betriebsräte.

00:26:48: Wie kann man das organisieren in einer sich verändernen Arbeitswelt, wo vielleicht immer

00:26:52: mehr so kleine Strukturen haben werden? Also dass eine grundsätzliche Teilhabe und Beteiligung

00:26:57: da sein muss, ich glaube, das muss einfach auch das Ziel sein. Die Frage der Organisation,

00:27:03: gerade bei sehr kleinen Einheiten, ist tatsächlich spannend. Man wird nicht einen riesigen bürokratischen

00:27:08: Apparat aufbauen können, wie es bei großen Betriebsräten ist, also mit Vorzimmer und Organisationen

00:27:13: und auch ziemlich viel Bürokratie. Das wird tatsächlich nicht leistbar sein. Und es ist auch

00:27:18: völlig utopisch zu glauben, dass bei einem fünf Mann oder Frau Unternehmen einer freigestellt werden

00:27:23: kann irgendwann, um Betriebsratsarbeit zu machen. Das wird nicht funktionieren. Und trotzdem individuelle

00:27:30: Lösungen zu finden. Also in dem Bereich bin ich für individuelle Lösungen bei größeren Einheiten,

00:27:36: bin ich schon für standardisierte Verfahren, die haben uns in der Vergangenheit auch eher geholfen. Wenn es

00:27:41: zu individual wird, gibt es nämlich auch wieder Gefahren von Lücken und sage ich mal so Lösungen,

00:27:46: die vielleicht nicht im Sinne der Arbeitnehmerinnen undnehmer sind. Trotzdem, ich glaube, dass es da

00:27:50: sehr individuelle Konzepte braucht, gerade bei den kleinsten Einheiten. Und da würde ich tatsächlich

00:27:56: gerne in den nächsten Jahren daran arbeiten. Es gibt Ideen, die aber glaube ich noch nicht

00:28:00: vollständig sind. Das ist tatsächlich so ein Themenfeld, wo ich mich auch noch engagieren möchte

00:28:06: in den nächsten Jahren mit Zusammenarbeit, mit Gewerkschaften, Verwände. Aber es gibt auch

00:28:10: Unternehmensverwände, die da durchaus offen für das Thema sind. Die Frage ist, wie man es macht.

00:28:15: Was sind da die Stimmen aus den unterschiedlichen Bereichen, die du gerade dargestellt hast?

00:28:21: Also du hast Gewerkschaften, aber auch unterschiedliche Unternehmerverbände angesprochen.

00:28:25: Also vielleicht so ein paar Ideen, die da zirkuliert werden für uns.

00:28:29: Ja, eine Idee ist beispielsweise, dass von einer 40 oder 38, 59, 30 Stundenwoche eine Stunde für

00:28:37: klassische Betriebsreiz Arbeit aufgewendet wird. Das kann beispielsweise so funktionieren, dass

00:28:42: diese eine Person sich immer wieder die Kolleginnen und Kollegen ranholt und dann gemeinsam überlegt,

00:28:47: was kann verändert werden. Und dann gibt es einen klaren Ablauf, wie die Beteiligung der

00:28:53: Mitarbeitenden laufen muss und dann auch wieder das Gespräch mit der Geschäftsführung oder dem

00:28:57: Chef laufen soll. Das ist bislang nögenzwo geregelt. Das wäre beispielsweise ein Verfahren,

00:29:03: was man aufwenden könnte oder von mir aus zwei Stunden bei einer 38, 59, 30 Woche.

00:29:09: Also das ist tatsächlich Möglichkeiten geschaffen werden, wie man das fördern kann. Natürlich

00:29:14: muss man diese Leute dann aber auch Schulen, Schulungen müssen auch möglich sein. Generell

00:29:18: das ganze Thema Weiterbildung wird uns in den nächsten Jahren noch deutlich anders beschäftigen,

00:29:21: als es uns bislang beschäftigt hat. Das wäre jetzt so eine Idee, nehmen wir mal an, es tun sich

00:29:26: zehn kleine Unternehmen zusammen, die in derselben Branche sind und dann einen Betriebsrat, der dann

00:29:31: freigestellt wird, sich um diese Unternehmen kümmert. Also zehn kleine Betriebe, einen

00:29:37: Betriebsratsvorsitzender nenne ich ihn mal, der dann quasi seine Zeit damit verbringt,

00:29:41: die Unternehmen abzuklappern, mit den Beschäftigten ins Gespräch zu kommen und Überlösungen und

00:29:45: Probleme nachzudenken und zu besprechen. Das wäre eine neue Art, die wir so in Deutschland bislang

00:29:50: noch nicht kennen. Der Regel, einen Betrieb, einen Betriebsrat oder einem Konzern mehrere

00:29:55: Betriebsräte, aber pro Firma meistens nur einer. Das wäre so ein Konzept, was ich ganz spannend

00:30:00: bin. Ja, ist in der Tat, wenn ich es richtig überschaue, ein ziemlich neuer Vorschlag in

00:30:04: der Debatte und ein Vorschlag, der sich quasi löst von dem klassischen Betriebsverständnis. Wir

00:30:09: haben hier den einen Betrieb und da haben wir die Arbeitnehmervertretung organisiert. Das wird

00:30:14: auch nötig sein. Wir sehen immer mehr Start-ups, ist immer mehr Volatiler geworden. Es ist durchaus

00:30:20: möglich, dass Unternehmen heute nicht mehr 100 Jahre am Markt bestehen, so wie es bislang häufig

00:30:25: war, sondern dass Unternehmen vielleicht nur sehr kurze Zeiten auf dem Markt bestehen und dann

00:30:29: verändern sich wieder Dinge. Das wird tatsächlich Volatiler. Die Betriebszugehörigkeit sinkt

00:30:34: auch, wo früher 20, 30, 40 Jahre bis zur Wente die Normalität waren. Geht das jetzt Richtung

00:30:40: sechs, sieben Jahre Betriebszugehörigkeit. Das sind einfach veränderte Bedingungen, an die man auch

00:30:45: Betriebsratsarbeit und Gewerkschaftsarbeit anpassen muss. Denn sonst, und das gehört zur Wahrheit dazu,

00:30:50: das ist ein bisschen hart, aber sonst wird sie irgendwann auch obsolet. Und das wollen wir nicht.

00:30:54: Mitbestimmung ist wichtig. Es ist auch wichtig, die Berücksrede zu haben, Tarikverträge und

00:30:59: die müssen wir aber schon an die Gegebenheiten anpassen. Wir haben ja bisher vor allem über

00:31:05: Strukturen gesprochen, wo es dann noch einen klassischen Betrieb gibt, also der dann vielleicht

00:31:09: kürzer am Markt ist oder so. Ein wachsender Bereich in unseren Gesellschaften sind ja auch

00:31:14: selbstständige. Alle möglichen Formen von selbstständigen. Wie können Gewerkschaften sich

00:31:20: da besser aufstellen? Wir sehen, dass da quasi Mitgliedschaften in Gewerkschaften in diesen

00:31:23: Bereichen ganz, ganz gering sind. Was müssen Gewerkschaften da tun? Wie können sie attraktiver

00:31:28: werden? Ein spannendes Thema für Gewerkschaften wäre beispielsweise Schulungen und Fortbildungen

00:31:35: anzubieten, gerade für Selbstständige, die neu rankommen. Und ich glaube, dass man so die Leute

00:31:40: auch noch besser binden könnte. Man könnte über einen erweiterten Rechtschutz für Selbstständige

00:31:45: nachdenken, denen Gewerkschaften gemeinschaftlich mit ihrer ganzen Power anbieten. Man könnte

00:31:49: darüber nachdenken, so eine Art Netzwerk auch zu bilden. Also über dieses klassische Betriebsarbeit

00:31:55: hinaus. Das machen einige vor Ort. Das ist unterschiedlich auch erfolgreich, muss man sagen.

00:32:00: Verdi ist eine Gewerkschaft, die sich ja um die Selbstständigen auch kümmert. Das funktioniert

00:32:05: in einigen Ortsgruppen sehr, sehr gut. Das funktioniert anderswo noch nicht so gut, das stimmt.

00:32:09: Ich habe jetzt das Glück, dass ich in Ausschuss für Arbeit und Soziales für die Selbstständigen

00:32:14: kündig bin. Ich bin Berichterstatter für die Selbstständigen, aber auch für die Rentneransprüche

00:32:18: und ich bin auch für die Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung. Dementsprechend

00:32:24: habe ich jetzt die nächsten vier Jahre Zeit, um die Selbstständigen ganz gut zu kümmern.

00:32:28: Ich hoffe, dass mir da so ein bisschen auch meine bisherige Wieter einfach hilft, weil

00:32:33: ich eben immer mit Selbstständigen zu tun hatte. Sowohl in der Familie, aber auch in der Arbeit

00:32:38: waren Selbstständige quasi die, mit denen ich mich jeden Tag betroffen habe, um mit Nonna

00:32:43: ins Gespräch zu kommen. Ich glaube, dass mir das ganz gut helfen kann.

00:32:46: Ja, das sind glaube ich auch optimale Voraussetzungen. Wir haben gerade über die Gewerkschaften

00:32:51: gesprochen. Gibt es auch sozusagen, wenn man auf staatliche Regulierungen in engeren

00:32:58: Sinne schaut, etwas, was da passieren müsste, um diesen Bereich des Arbeitsmarktes zu gestalten

00:33:04: und auch, um vielleicht diese sogenannte Plattformökonomie noch besser zu gestalten. Wir haben

00:33:08: es da ja manchmal mit Gesprächspartnern zu tun, die ganz schwer rechtlich greifbar sind.

00:33:13: Ja, also man muss glaube ich dazu kommen, dass es verpflichtend wird, wer in Deutschland

00:33:20: eben Produkte oder Dienstleistungen anbietet, muss auch in Deutschland zumindest ab einer

00:33:25: gewissen Unternehmensgröße dann auch einen Sitz haben, einen rechtlichen Sitz. Und zwar

00:33:29: ein Sitz, mit dem man dann auch ins Gespräch kommen kann. Und zwar nicht nur ins Gespräch

00:33:33: kommen, sondern auch büristisch, wenn nötig, dann eben auch ins Gespräch kommen kann.

00:33:38: Das ist bislang nicht so. Da fällt mir jetzt natürlich ein Messengerdienst ein, der häufig

00:33:42: jetzt auch in der Diskussion ist, der quasi fogelfrei hier in Deutschland seine Dienste

00:33:48: anbietet, die auch von Millionen von Menschen genutzt werden. Da braucht es deutlich stärkere

00:33:54: Regulierung, das stimmt. Und aus meiner Sicht muss jedes Unternehmen, was in Deutschland

00:33:59: Geschäfte macht, hier auch einen Sitz haben, damit das Gleichgesetz werden kann mit den

00:34:03: Unternehmen, die hier schon sehr lange sind und sich auch an Recht ungesetzhalten. Das

00:34:07: ist glaube ich ein wichtiger Schritt, den wir in diese Richtung gehen wollen. Aber wenn

00:34:10: ich noch eins sagen darf, grundsätzlich gibt es viele Dinge, die wir in diesem ganzen

00:34:14: Bereich machen müssen. Das hat jetzt nicht nur mit Plattformen, Ökonomie zu tun, aber

00:34:18: die ganze Tarifflucht, die wir in Deutschland haben, die Frage der Tarifverträge, der allgemeinen

00:34:23: Tarifverträge, die wir eigentlich noch viel stärker fördern müssten, aber auch die

00:34:28: Frage, warum es eigentlich möglich ist, wie in der Pflege beispielsweise, dass immer

00:34:32: noch Löhne gezahlt werden, die obwohl da ja ein Bedarf ist, völlig unter min, also

00:34:38: unter 12 Euro beispielsweise sind im Osten. Also ich glaube, da müssen wir rein, um da

00:34:42: tatsächlich auch eine Gerechtigkeit zu schaffen. Und das sind viele Millionen Beschäftigte,

00:34:46: die das betrifft. Das muss man sich immer wieder auch vor Augen führen, wenn ich jetzt

00:34:50: noch einmal kurz den Burg um zu den 12 Euro Mindestlohn finden darf, weil man das ja

00:34:54: fast schon manchmal so gefühlt bei einigen schon abhakt. Naja, jetzt kommen halt 12 Euro.

00:34:59: Das ist eine der kräftigsten Lohnsteigerungen der Geschichte, die wir überhaupt hier hatten,

00:35:03: für viele Beschäftigte, für viele Millionen Menschen. Und ich glaube, das ist auch jetzt

00:35:07: unsere Aufgabe, das ganz klar nach außen zu kommunizieren und zu sagen, Leute, wir haben

00:35:11: wirklich dafür gekämpft. Und das war nicht einfach. Man meinte, man macht ein Gesetz

00:35:15: und da steht jetzt 12 Euro drin und dann ist alles gut. Der Widerstand gegen diese 12

00:35:20: Euro war massiv und ist immer noch sehr massiv. Das kann man, glaube ich, an der Stelle so

00:35:24: sagen. Ja, nichts kommt von allein, um neben Otto Wels anderen großen Sozialdemokraten

00:35:31: will iBrand zu zitieren. Das Interessante ist ja, dass es diese Debatten nach wie vor

00:35:35: gibt, obwohl wir ja viele Menschen von diesen 12 Euro etwa betroffen sind, von denen wir

00:35:40: sagen, die nehmen eine ganz, ganz wichtige Funktion in unserer Gesellschaft ein. Das

00:35:44: haben wir in den letzten Monaten ja viel drastischer gesehen als vorher vielleicht noch. Ja, diese

00:35:50: Menschen haben, ich will nicht sagen das Problem, aber die Situation zumindest ist, dass da

00:35:54: häufig keine starke Lobby dahinter steckt. Wenn wir uns die Automobilindustrie anschauen

00:35:59: mit ihren Beschäftigten, dann haben die einen sehr hohen Organisationsgrad, wenn ich an

00:36:04: einen Automobilhersteller aus Niedersakten denke, dann ist da die IG Metallquote bei

00:36:09: den Beschäftigten bei weit über 90, eher 95 Prozent und dann ist da natürlich auch eine

00:36:14: große starke Kraft dahinter, die für gute Löhne, gute Bedingungen kämpft. Gerade

00:36:19: bei Menschen, die jetzt unter 12 Euro sind, das ist auch Dienstleistungsgewerbe, das ist

00:36:24: Reinigungsgewerbe, das ist, zuweilen Friseurgewerbe, teilweise aber auch Pflege an dem einen oder

00:36:29: anderen Bereich, Hausmeisterservice und und und, da gibt es keine große Lobby dahinter.

00:36:35: Da gibt es keine große starke Organisation, die gezielt für diese Leute kämpft und natürlich

00:36:40: ist WER die beispielsweise in vielen Bereichen drin, die NGG, also Gewerkschaften sind schon

00:36:44: drinne, aber es ist eine andere Power dahinter, das muss man einfach sagen. Wenn du Bereiche

00:36:49: hast, wo nicht mal fünf Prozent der Beschäftigten eine Gewerkschaft eben Mitgliedschaft haben,

00:36:54: dann ist da eine andere Kraft dahinter. Dementsprechend, die Lobby fehlt einfach und daher ist es

00:36:59: gut, dass er jetzt diesen großen Sprung wagen, der ja auch kritisiert wird von anderen Parteien,

00:37:04: weil sie sagen, naja, das ist doch eigentlich Sache der Tarifpartner, sowas zu entscheiden

00:37:08: und nicht von Politik und dem stimme ich grundsätzlich sogar zu. Aber wenn Menschen für, jetzt haben

00:37:14: wir ein Mindestlohn von über 10 Euro, aber wenn Menschen vorher für unter 10 Euro gearbeitet

00:37:18: haben und das in irgendeinem Tarifvertrag drinsteckt, dann führt das dazu, dass der Steuerzahler

00:37:24: diese Arbeit sogar noch subventionieren muss, weil diese Leute quasi unter der Grundsicherungsgrenze

00:37:30: sind und im Alter auch wieder in der Grundsicherung landen. Also sprich, der Steuerzahler würde

00:37:34: sogar so ein Lohndumping zweimal subventionieren und das kann nicht Sinn der Übung sein. Dementsprechend

00:37:40: ist das jetzt wirklich der richtige Weg zu sagen, 12 Euro muss es sein und wir werden uns die

00:37:45: Entwicklung ganz genau anschauen, aber wir werden nicht jedes Jahr einen politischen Mindestlohn

00:37:49: machen. Das ist wichtig. Also es ist schon Sache der Tarifpartner und Tarifpartner, aber wenn es

00:37:54: aus unterschiedlichen Gründen nicht funktioniert hat, muss Politik rein und das haben wir jetzt gemacht.

00:37:58: Ja, also ich sehe, in einem Zweifelsfall muss Politik dann rein, muss Staat irgendwie rein. Ich würde

00:38:06: mit dir gerne noch über ein anderes Thema reden, über den Staat insgesamt. Ich habe so den Eindruck,

00:38:11: dass ich unsere Vorstellung davon, was der Staat kann und soll, sehr verändert. Wenn ich auf

00:38:17: mein politisches Leben schaue, ich bin quasi in den 1990ern in die SPD eingetreten und das war

00:38:23: eine Zeit, in der es quasi losging mit der Vorstellung, dass sich Staat möglichst weit zurückziehen soll

00:38:28: aus allem. Und das wurde dann ja auch gemacht aus der Daseinsvorsorge, aus vielen Bereichen hat sich

00:38:34: Staat zurückgezogen und man hat den Eindruck, dass dieses Bild jetzt ein bisschen kippt. Das

00:38:39: wird jetzt die Vorstellung haben, Staat soll wieder mehr machen. Er soll zum Beispiel da reingehen,

00:38:43: wenn es die Gewerkschaften nicht hinkriegen, dann müssen wir vielleicht bestimmte Zustände

00:38:47: einfach auch staatlich regulieren. Was glaubst du, was können wir vom Staat erwarten? Welches

00:38:53: Staatsbild brauchen wir vom Staat? Ja, also Staat löst nicht alle Probleme. Ich glaube,

00:39:00: das muss man an der Stelle auch sagen. Staat löst nicht das Problem, wenn eine Gesellschaft

00:39:07: nicht zusammenhalten würde. Das muss schon auch jeder von uns, muss da tatsächlich seinen Beitrag

00:39:12: zu leisten. Aber gerade im Bereich Gesundheit oder wenn wir über öffentlichen Nahverkehr sprechen,

00:39:18: wenn wir über die Frage sprechen, ob es nicht besser wäre, wenn wir starke kommunale

00:39:23: Stadtwerke beispielsweise hätten, die die Stromversorgung, Gasversorgung besser organisieren

00:39:28: können und vor allem verlässlicher, als wir jetzt gerade sehen. Wir haben jetzt so wirklich

00:39:32: Heimat am Markt gehabt, die tatsächlich, na ja, irgendwo auch die Preise künstlich nach unten

00:39:38: gedrückt haben, um möglichst viele Kunden zu gewinnen. Und das Ergebnis ist, dass jetzt viele

00:39:42: Pleite gegangen sind. Also ich glaube schon, dass es in einigen Bereichen der Energieversorgung,

00:39:46: der Gesundheit vor allem, des ÖPNV und der Sozialabsicherung sowieso schon einen starken

00:39:51: Staat braucht. Und ich gebe dir recht, ich habe auch das Gefühl bei vielen Menschen,

00:39:55: dass sich da auch etwas getan hat in letzter Zeit. Und gerade seit Corona ist es doch,

00:40:00: glaube ich, auch vielen bewusst geworden, dass uns ein starker Staat hilft und uns eben nicht

00:40:04: schadet. Und die Argumentation der Gegner, sage ich mal, oder der Kritiker ist ja eigentlich

00:40:12: genau die andere. Und sie wurde ja jetzt deutlich widerlegt. Also wir haben gesehen, dass der Markt

00:40:17: eben nicht alles regeln kann. Es muss schon einen Gleichgewicht zwischen Markt und Staat geben.

00:40:22: Deswegen soziale Marktwirtschaft an sich ist eine gute Sache, wenn sie vernünftig gelebt wird.

00:40:26: Ich glaube, dieser Erkenntnisgewinn, der setzt sich wirklich bei vielen durch, dass beispielsweise im

00:40:33: Gesundheitsbereich es nicht darauf ankommt, eine schwarze Null zu schreiben. Warum muss ein

00:40:37: Krankenhaus eigentlich eine schwarze Null schreiben? Wer würde denn auf die warnwitzige Idee kommen,

00:40:41: zu sagen, liebe Polizei, liebe Feuerwehr? Ah, das sieht jetzt aber schlecht aus im elften Monat des

00:40:46: Jahres. Jetzt gibt es keinen neuen Schlauch mehr. Jetzt holen wir uns den Schlauch erst ein Jahr

00:40:50: später und dann gibt es halt, weiß ich nicht, ich könnte mit Eimann den Brand bekämpfen. Also

00:40:54: diese warnwitzige Idee hatte ja, hoffentlich, kaum jemand, warum ist sie im Gesundheitsbereich

00:41:00: eigentlich so stark? Das sind, glaube ich, wichtige Fragen, die wir beantworten sollten, denn es ist

00:41:05: nicht zu wenig Geld da in Deutschland. Wir haben Geld und wir haben auch genug Möglichkeiten. Die

00:41:09: Frage der Verteilung ist sicher eine Spanne, die wir auch noch in den nächsten Jahren weiter

00:41:14: diskutieren werden. Aber warum gerade im Gesundheitsbereich so alles zusammengespart wurde,

00:41:19: glaube ich, das ist so ein Punkt, wo Menschen jetzt erkannt haben, das war der falsche Weg. Und

00:41:24: da wäre es vielleicht auch gut, eine gewisse Rekommunalisierung an der einen oder anderen Stelle

00:41:28: durchzuführen. Das Problem ist ja, wenn man jetzt 20 Jahre, 30 Jahre Staatsabbau hatte, dann gibt es so

00:41:35: etwas, was man Institutionalisierung nennt. Es sind nicht nur Ideen, sondern die sind dann jetzt

00:41:40: Realität geworden. Du hast die Krankenhäuser schon angesprochen, die plötzlich in privater

00:41:43: Trägerschaft sind. Bei Energieversorgern haben wir da was Ähnliches. Glaubst du, es kann gelingen,

00:41:49: diese Institutionalisierung sozusagen zurückzudrehen? Nicht von heute auf morgen. Und vielleicht auch nicht

00:41:57: in jedem Bereich. Man muss sich schon anschauen, wo macht es auch Sinn. Aber zurückzudrehen nicht.

00:42:03: Wir sollten nach vorne schauen, aber uns überlegen, in was für einem Staat wollen wir eigentlich

00:42:07: morgen leben. Und dafür sollten wir heute anfangen, die Weichen zu legen. Das ist ein langer Prozess,

00:42:12: da braucht man den Leuten auch nicht Sand in die Augen streuen. Das wird nicht von heute auf morgen

00:42:16: funktionieren. Selbst wenn ich beispielsweise ein Krankenhaus rekommunalisiere, habe ich dadurch

00:42:21: noch keinen einzigen Pfleger oder Pflegerin mehr und ich habe auch keinen einzigen Arzt mehr. Also

00:42:26: das sind tatsächlich gewisse Dinge, die man zusammen denken muss. Beispielsweise bei den

00:42:30: Pflegekräften, die Ausbildung zu verbessern. Wir müssen uns über U-Wanderung anders unterhalten.

00:42:35: Wir müssen uns auch über die Finanzierung anders unterhalten, als wir das bisher getan haben.

00:42:39: Es sind viele Dinge, die zusammen zu denken sind, aber wenn wir heute nicht damit anfangen,

00:42:42: wird sich das morgen nicht verändern. Ja, ich nehme mit, es gibt keine einfachen Antworten. Also nur

00:42:49: irgendwie die Trägerschaft zu verändern. Das ändert möglicherweise noch nichts. Das sind eine

00:42:54: ganze Reihe von Herausforderungen. Ich würde gerne noch in einen letzten Bereich schauen, der ja auch

00:43:01: mit deiner Biografie zu tun hat. Du hast gesagt, in die SPD eingetreten, weil es da diese hohen

00:43:09: Wahlergebnisse für die AfD gab. Das daraus spricht ja so eine Sorge letztlich um Demokratie, um

00:43:15: gesellschaftlichen Zusammenhalt. Viele reden im Moment von einer Spaltung der Gesellschaft in

00:43:20: Deutschland. Du bist nur das Teil, geht das zu weit, ist dein Blick auf das Zusammenleben in

00:43:25: Deutschland. Ich habe letztens eine Grafik gesehen zur Spaltung in Deutschland. Eine Spaltung,

00:43:31: also jeder, der schon mal Holz gehackt hat, weiß, man legt das Holzstück in die Mitte und

00:43:36: spaltet die Mitte durch, denn dann ist es einfacher, die anderen Stücke zu zerspalten. Das sehe ich

00:43:41: nicht. Also wir haben sicher einen Teil an Bevölkerung, der im Moment nicht mitgeht,

00:43:46: zumindest nicht im weitesten Sinne mitgeht. Spaltung hieße für mich 50 Prozent oder etwa 50

00:43:52: Prozent und das sehe ich nicht. Das sieht man bei der Impfquote glücklicherweise nicht, das sieht man

00:43:56: aber auch nicht auf der Straße. Auch wenn durchaus Menschen auf der Straße sind und wir immer noch

00:44:01: einen Anteil von glaube ich 15, 16 Millionen Bürgern und Bürgern haben in Deutschland, die nicht

00:44:05: geimpft sind. Das ist einfach mal Fakt. Aber ich würde schon sagen, dass eine große, große

00:44:11: Mehrheit in unserer Gesellschaft und das kann ich jetzt nicht nur an der Impfquote festmachen,

00:44:15: aber grundsätzlich, wenn wir über aktuelle Ereignisse sprechen, durchaus mit den Maßnahmen,

00:44:20: bei den meisten Maßnahmen mitgeht, obwohl es auch bei einzelnen Maßnahmen viel zu kritisieren geht.

00:44:25: Ich selbst habe auch im Wahlkampf zwei Maßnahmen meiner eigenen Landesregierung kritisiert,

00:44:31: weil ich sie für falsch schiebe. Das war zum einen die Ausgangsstelle, weil ich eben an die

00:44:36: Leupe gedacht habe, die nicht so einen kleinen Vorgarten haben wie ich selbst, sondern an die

00:44:40: Leute, die im fünften Geschoss in einer 60-Quadratmeter-Wohnung mit zwei Eltern und drei Kindern

00:44:45: unterwegs sind. Und wenn die einen Hund hatten, durften sie noch wenigstens Gas hier gehen,

00:44:49: hatten sie aber kein Hund, konnten sie auch nicht mehr vor die Tür gehen. Und das war dann so ein

00:44:53: Punkt, der für mich zu weit ging, das habe ich auch öffentlich gesagt. Und der andere Punkt war eben die

00:44:58: Gastronomie-Schließung, weil ich auch zu dem Zeitpunkt der Meinung war, dass das nicht richtig war.

00:45:02: Also was will ich damit sagen? Einzelne Maßnahmen von Regierungen zu kritisieren und da ging auch

00:45:07: aufzustehen, juristisch fortzugehen, sich bei Social Media aufzuregen, ist völlig legitim. Das ist

00:45:12: auch wichtig, dass jede Bürgerin, jeder Bürger sich genau Gedanken macht und auch eine Regierung

00:45:17: kontrolliert. Dafür wurden wir auch gewählt. Also ich finde nicht nur die Opposition sollte uns

00:45:22: kontrollieren, sondern jede Bürgerin und jeder Bürger hat das Recht darauf. Was aber nicht geht,

00:45:26: ist mit illustren Gestalten aus der rechtsextremen Szene auf die Straße zu gehen, mit wirklich

00:45:33: Verschwörungstheoretikerinnen und Theoretikern zu demonstrieren, die unseren ganzen Staat in

00:45:39: Fragestellen, die wirklich abstruse Gedanken haben von irgendwelchen Chips und irgendwelchen

00:45:45: Verschwörungen von kleinen Eliten, die irgendwo in der Welt sich es zur Aufgabe gemacht haben,

00:45:51: die ganze Welt zu knechten. Also das ist wirklich blöd, das muss man einfach auch so sagen. Das

00:45:56: darf man auch klar sagen. Dementsprechend differenziere ich schon zwischen denen, die jetzt sich mit diesen

00:46:01: Leuten gemeintun und dann eben gemeinschaftlich auf der Straße protestieren und den Menschen,

00:46:06: die sich vielleicht immer noch nicht haben impfen lassen, aber trotzdem gesprächsbereit sind. Also

00:46:11: ich versuche da wirklich eine Differenzierung hinzubekommen. Also Kritik ist erlaubt und willkommen.

00:46:17: Wir brauchen eine lebendige Debatte. Das gehört dazu zu Demokratie, aber es gibt dann sozusagen

00:46:22: auch Grenzen. Ich denke, dass wir als Rechtsstaat diese Grenzen auch klar aufzeigen müssen. Also

00:46:29: zum einen als Rechtsstaat, auch als Zivilgesellschaft. Aber wenn es einfach gewisse Linien überschreitet,

00:46:35: wenn irgendwelche Fackelzüge nachts vor Häusern von Politikerinnen und Politikern stattfinden,

00:46:41: oder wenn kommunalpolitisch aktive oder Menschen, die in Vereinen fürs Impfen werben,

00:46:46: aus meinem eigenen Wahlkreis, einen Sportvereinsvorsitzender, der sich öffentlich fürs Impfen dann

00:46:52: eben ausgesprochen hat und dann irgend eine komische Post nach Hause geschickt bekommt,

00:46:56: das geht nicht. Und da müssen wir auch echt rote Linien ziehen. Und die müssen auch sehr hart sein,

00:47:00: weil wir da tatsächlich sonst in die Gefahr gehen, dass sich diese Radikalisierung fortsetzt,

00:47:05: weil diese Menschen dann das Gefühl haben, Mensch dieser Rechtsstaat in Deutschland,

00:47:09: der ist jetzt ziemlich wehrlos. Der lässt uns ja hier ziemlich freie Leine und diese freie

00:47:13: Leine dürfen wir aus meiner Sicht zumindest auf gar keinen Fall geben. Genau, du hast ja zwei Dinge

00:47:19: angesprochen, du hast gesagt, Rechtsstaat brauchen wir da, ja und hast gerade beschrieben, dass da

00:47:23: Rechtsstaat sozusagen rote Linien deutlich aufzeigen muss und dann hast du gesagt, wir müssen auch

00:47:27: zivilgesellschaftlich da aufstehen. Was wünscht du dir von Zivilgesellschaft? Wie kann das aussehen?

00:47:33: Ich wünsche mir von grundsätzlich jedem Bürgerinnen und jedem Bürger, dass wenn irgendwelche seltsamen

00:47:41: Theorien im Freundes- oder bekannten Kreis aufkommen, man mit den Leuten spricht beispielsweise und ihnen

00:47:47: auch deutlich macht, dass das so nicht in Ordnung ist und das wünsche ich mir tatsächlich von jedem

00:47:53: und von jeder oder wenn man in der Kneipe sitzt und da wird irgendein Quatsch über Ausländer erzählt

00:47:59: oder irgendwelche sexistischen Dinge da propagiert, dann liegt es an jedem und jeder von uns da auch

00:48:06: etwas gegen zu tun und das ist überhaupt nicht einfach, das muss man an der Stelle ganz deutlich

00:48:10: sagen. Beispielsweise gegen einen Freund zu richten, den man jahrelang gut kennt und mit dem man sich

00:48:16: immer gut verstanden hat, der jetzt auf einmal, weil er in irgendeiner Chatdienstleistungsgruppe

00:48:22: da unterwegs ist und irgendwem Quatsch schließt, sich da jetzt radikalisiert oder so, das ist

00:48:27: sau schwierig und das möchte ich auch überhaupt nicht von oben herab den Leuten so sagen. Aus

00:48:32: eigener Erfahrung weiß ich, dass es echt hart und trotzdem muss man hier wirklich auch eigene

00:48:38: rote Linien ziehen und da auch einfach mit den Leuten sprechen und ihnen sagen, dass das so nicht

00:48:43: in Ordnung ist. Das bedeutet ja nicht gleich, dass man so eine Freundschaft beispielsweise in die

00:48:47: Tonne raunen muss, aber da sehe ich tatsächlich jede und jeden von uns irgendwo auch in der Verantwortung.

00:48:51: Ja, also es ist vielleicht kein Zufall, dass es hier ein Bezug gibt zu dem Titel unseres Gesprächs,

00:48:58: ja unter Freunden. Unter Freunden muss man tatsächlich manchmal auch schwierige Gespräche

00:49:03: führen, das fällt besonders schwer, wenn alle die Freunde am Herzen liegen, aber dann ist es

00:49:06: vielleicht auch besonders wichtig. Manuel, ich würde damit gerne das Gespräch schließen,

00:49:11: ich finde das ist ein ganz eindrucksvollen, richtigen, wichtigen Appell, der ja quasi von

00:49:15: deinem persönlichen Engagement auch sich an jeden von uns richtet, miteinander reden,

00:49:22: das Gespräch suchen, so wie wir es hier vielleicht heute getan haben. Herzlichen Dank für deine

00:49:27: Offenheit, herzlichen Dank für die Zeit, sich eine Stunde rauszunehmen, das ist ja etwas Besonderes.

00:49:32: Ich bedanke mich für den Austausch und wir wünschen dir alles Gute beim weiteren Verfolgen

00:49:37: eines Engagement. Vielen Dank. Vielen Dank, ich habe mich auch sehr gefreut heute dabei sein zu dürfen.

00:49:42: [Musik]

00:49:47: [Musik]

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.