Die EU und das Erwachen als außenpolitischer Akteur? | 08 Zukunft gerecht Talk
Shownotes
Erwacht die Europäische Union durch den Krieg in der Ukraine zu einem außenpolitischen Akteur? Unter dieser Leitfrage haben wir Expert_innen aus der Friedrich-Ebert-Stiftung zu einem Gespräch eingeladen. Gemeinsam mit Christian Krell diskutieren diese, welche Hindernisse die EU und ihre Mitgliedsstaaten dafür auf institutioneller und struktureller Ebene überwinden müssen, wie sie dies bewerkstelligen können sowie mit welchem (neuen) Selbstverständnis die bisherige Friedens- und Wirtschaftsmacht in Zukunft womöglich auftritt.
Gäste: Eva Ellereit (FES Berlin), Renate Tenbusch (FES Brüssel), Christos Katsioulis (FES Wien); Moderation: Christian Krell
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00:00:00: Herzlich willkommen zum Zukunft gerecht Podcast der Friedrich-Ebert-Stiftung.
00:00:10: Mein Name ist Christian Kräll. Ich bin Politikwissenschaftler und darf diesen Podcast für
00:00:14: die Friedrich-Ebert-Stiftung moderieren. Und diese Folge heute hier, das ist die dritte Sonderfolge in
00:00:20: unserer Reihe, die sich mit dem Krieg in der Ukraine befasst. In der ersten Sonderfolge haben
00:00:26: wir auf die Zeitenwende in Deutschland geschaut. Wir haben geschaut, was dieser Angriffskrieg mit der
00:00:32: deutschen Politik macht. In der zweiten Folge haben wir uns mit der Situation in Russland und in der
00:00:37: Ukraine befasst. Wir haben gehört von den dortigen Büroleitern der Friedrich-Ebert-Stiftung, dass
00:00:43: die Situation schwierig ist. Sehr, sehr schwierig ist aus beiden Perspektiven. In dieser dritten
00:00:49: Folge wollen wir uns der Frage zuwenden, was das eigentlich mit der Europäischen Union macht und
00:00:53: ob die Europäische Union ein handlungsfähiger außenpolitischer Akteur ist oder wird durch die
00:01:00: Krise. Wir wollen es in drei Schritten in den Blick nehmen. Wir wollen zunächst eine Art Bestandsaufnahme
00:01:05: machen. Wir gucken uns an, wie hat die Europäische Union bisher reagiert auf diesen Angriffskrieg,
00:01:11: wie hat sie sich geschlagen, was hat funktioniert, was hat vielleicht weniger gut funktioniert aus
00:01:16: unserer Einschätzung. Im zweiten Schritt gucken wir dann, was sind eigentlich Hindernisse auf dem Weg
00:01:21: zu einer handlungsfähigen außenpolitischen Macht der Europäischen Union. Drittens, abschließend,
00:01:28: die Frage, was für ein außenpolitischer Akteur will diese Europäische Union eigentlich sein?
00:01:32: Versteht sie sich als Wirtschaftsmacht, als Zivilmacht, als Militärmacht oder ein bisschen von
00:01:37: alledem? Das nehmen wir in den Blick. Ich freue mich sehr, auch in dieser Runde wieder unter Freunden
00:01:42: reden zu können, so wie sich das unter Freunden gehört, offen, ehrlich, manchmal auch kritisch,
00:01:46: aber immer einander zugewandt und mit dabei heute drei Experten und zwei davon sind sozusagen alte
00:01:55: Freunde, nicht in einem biografischen Sinne, sondern in dem Sinne, dass sie hier in unserer
00:01:59: Podcastreihe schon mal dabei waren. Eva Ellerreit, ihr zunächst herzlich willkommen,
00:02:04: schönen Grüße nach Berlin. Ja, hallo, schön wieder hier zu sein. Schön, dass du dabei bist und
00:02:08: herzliche Grüße auch nach Wien, Christos Katscholes ist wieder dabei. Danke, dass du dir die Zeit
00:02:13: genommen hast, Christos. Guten Morgen aus Wien, wir sind nämlich früher morgen. In der Tat und neu
00:02:18: in unserer Runde, ich freue mich sehr darüber, Renate Tenbosch. Renate ist für uns hier in dieser
00:02:23: Runde heute sehr, sehr wichtig, weil sie das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Brüssel leitet.
00:02:29: Guten Morgen, Renate. Guten Morgen alle zusammen, ich freue mich auch jetzt, das erste Mal dabei zu
00:02:34: sein. Ja, Renate, die anderen Kolleginnen und Kollegen Christos und Eva haben wir in der vorletzten
00:02:40: Folge schon ein bisschen kennengelernt können, erzählen uns vielleicht zum Einstieg ein bisschen,
00:02:45: was über dich, über deinen Werdegang, wie du zur Ebert-Stiftung gekommen bist und was dein
00:02:49: Leben so vor diesem Brüsselabüro geprägt hat. Ja, ich würde mal so sagen, ich bin das, was man
00:02:55: in der Friedrich-Ebert-Stiftung manchmal so als Quereinsteigerin bezeichnet. Dennoch, ich bin jetzt
00:03:00: schon seit 22 Jahren fast bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in unterschiedlichen Funktionen, wie das so ist
00:03:06: bei uns allen eigentlich. Interessante Positionen waren mit Sicherheit zweimal Südafrika, da ist
00:03:13: ja unser Büro in Johannesburg, wo ich das Büro geleitet habe. Eine andere Station, die für mich
00:03:19: sehr wichtig war, war die in Indien, da habe ich das regionale Südasienprojekt, das es damals
00:03:24: noch gab, das gibt es nicht mehr. Geleitet, da waren die Hauptthemen auch Frieden und Sicherheit und
00:03:29: Gender und da ging es natürlich auch um Integration und das ging auch im Büro Johannesburg,
00:03:36: um die Integration im südlichen Afrika und da schließt sich so ein bisschen der Kreis natürlich.
00:03:41: Die EU, die Europäische Union, immer ein großes Vorbild, wenn es um regionale Integrationsprojekte
00:03:48: ging und man schaute zu der Zeit auch immer noch mit großer Hochachtung sozusagen auf dieses
00:03:54: sogenannte Friedensprojekt, den gemeinsamen Markt, die Wirtschaftskraft, die das hervorgebracht hat
00:04:00: und wollte natürlich gerade auch von uns, von der Friedrich-Ebert-Stiftung, dann sehr häufig
00:04:04: wissen ja, wie sieht das genau aus, wie seid ihr zu dieser Position, die Tiefe der Integration
00:04:11: damals gekommen, wo sind die Probleme, was sind die Herausforderungen, was sind die Prozesse und
00:04:16: das war immer spannend. Also insofern hatte ich dann auch schon in meinen anderen Positionen immer
00:04:21: Kontakt auch zum Büro Brüssel und fand das dann auch eine sehr schöne Reihenfolge, also Johannesburg,
00:04:27: Neudel, die Brüssel zwischen durch Berlin, da war ich mal die Werkstoffskoordinatorin für Sub-Sahara
00:04:32: Afrika, habe mich halt sehr stark mit den Arbeitsmarkt- und gewerkschaftlichen Organisationsfragen
00:04:38: beschäftigt und irgendwo hängt immer alles zusammen, auch wenn man auf ganz unterschiedlichen
00:04:42: Kontinenten bei der Friedrich-Ebert-Stiftung unterwegs ist und man kann dann doch immer
00:04:46: von den Erfahrungen dann auch wieder was mitbringen in die neue Position. Das finde ich ist es tolle
00:04:51: an dieser Runde, deshalb bin ich sehr dankbar für diese Zusammensetzung, wir haben ja hier
00:04:55: internationale Expertise en masse versammelt, ja durch all eure vielfältigen biografischen Stationen
00:05:01: und ich fand das sehr spannend, Renate bei dir zu hören, dass der Blick von außen auf die Europäische
00:05:05: Union, du hast die Perspektive aus Südafrika geschildert, dass der zumindest damals, als du
00:05:10: vor Ort warst, ein durchaus positiver war. Wir sind ja manchmal vielleicht ein bisschen skeptisch
00:05:15: hadern mit den Entwicklungen von außen, sieht es vielleicht manchmal etwas positiver aus. Du
00:05:20: leitest jetzt das Büro in Brüssel und wenn man Europa-Politik macht und betrachtet, dann ist
00:05:25: es ja ein gemischt Warnladen, es gibt alle möglichen Politikfelder, Agrarpolitik, Fiskalpolitik,
00:05:30: Fischerei-Politik, Digitalpolitik. Welchen Anteil hat bisher bis zum Angriff auf die Ukraine die
00:05:38: Außenpolitik in deiner Arbeit eingenommen? Du du das vielleicht mal in Prozent beschreiben solltest,
00:05:43: das viel war das wenig, welche Rolle hat das gespielt? Das wird vielleicht jetzt ein bisschen
00:05:48: erstaunen, es hat eigentlich eine große Rolle gespielt, weil wir das unter dem, ich sage mal,
00:05:53: Schwerpunktbereich Außen- und Sicherheitspolitik, also die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
00:05:58: und die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die immer als GASP und GSVP in den Kürzen,
00:06:04: die ja in Brüssel so beliebt sind, filmieren und diese Diskussion, die EU neben dieser Wirtschaftsmacht
00:06:12: auch zu einem politischen Akteur werden zu lassen oder zu machen, ist ja schon sehr lange im Raum und
00:06:17: hat natürlich jetzt durch die Situation mit dem Krieg in der Ukraine nochmal unheimlich an
00:06:23: Gewicht gewonnen, die ganze Frage. Aber wie gesagt, die EU als außenpolitischer Akteur, das ist schon
00:06:30: lange ein Thema, das diskutiert wird natürlich immer auch im Verhältnis zur NATO und da hat
00:06:35: es schon vielerlei Bemühungen gegeben. Wie weit wir da erfolgreich waren, bisher können wir ja dann
00:06:41: gleich mehr in der Tiefe drüber diskutieren, aber es ist ein Schwerpunktbereich in unserem Büro
00:06:46: und wie du vorhin schon sagtest, natürlich gibt es eine riesen Bandbreite an Themen hier auf der
00:06:50: EU, das war auch eine steile Learning Kurve, wie man so schön sagt, als ich nach Brüssel kam, ich
00:06:54: bin jetzt im fünften Jahr hier, hab jetzt verstanden, weil sie alles noch nicht weiß und vor
00:06:58: allen Dingen kommt ja auch dazu, dass die ganzen Prozesse und Institutionen und das Zusammenspielen
00:07:04: und vor allen Dingen auch im außenpolitischen Bereich erstmal sehr schwer zu durchschauen ist. Ich
00:07:08: meine, alle die mich mit der EU befassen haben schon mal diesen Satz von Herrn Rick Kissinger war es,
00:07:13: glaube ich, aber es ist original von dem, ich weiß es nichtmals, aber es wird immer so korporiert,
00:07:16: dass es gerade wenn es um außenpolitische Fragen auf der EU-Ebene geht, die Telefonnummer des
00:07:22: Außenministers fehlt. Das ist so in der Nachshell, wo das Problem auch unter anderem liegt, wenn es um
00:07:28: den außenpolitischen Akteur der EU geht. Wunderbar, dass du es ansprichst, ich habe mir das für später
00:07:33: in der Moderation aufgeschrieben, diesen Kissinger Mythos, er hat irgendwann behauptet, er hatte es
00:07:38: nie gesagt, wir wissen es letztlich nicht, aber die Frage, die damit aufgeworfen wurde, ist ja
00:07:43: ganz relevant und treffend und auch heute noch aktuell, wer ist der Ansprechpartner für außenpolitisches
00:07:49: Handeln der Europäischen Union? Renate, sag mir noch kurz, wie haben sich die Debatten verändert
00:07:55: seit dem Angriff auf die Ukraine? Was war neu, was war anders? Na ja, gut, die EU, ich sag mal schon
00:08:02: mal herausgefordert, stärker zusammenzuarbeiten, war ja schon durch die Corona-Krise ein großes
00:08:09: Thema, wo man sich nach einer anfänglichen eher etwas chaotischen Phase dann doch sehr schnell
00:08:16: einigen musste auf größere Maßnahmen. Wir wissen alle, was dann passiert ist. Da hatten schon viele
00:08:21: gestaunt, wie auf einmal eine Einigkeit zustande kam. Ich spreche davor allen Dingen von den materiellen
00:08:27: Unterstützungsrahmen, den man dann gegeben hat. Man hatte schon zwei Jahre über das normale Budget
00:08:32: diskutiert und konnte sich nicht einigen, hat sich dann unter dem Druck der Corona-Krise sehr schnell
00:08:36: geeinigt und gleichzeitig noch ein Riesenpaket geschnürt für den Wiederaufbau und die wirtschaftliche
00:08:42: Erholung für die Länder, die vor allen Dingen besonders betroffen sind und das war ja auch schon
00:08:46: alleine Höhe von 750 Milliarden Euro. Da waren die Deutschen vor allen Dingen Olaf Scholz ja sehr
00:08:51: aktiv und haben das gemeinsam mit den Franzosen initiiert und da hat man sich innerhalb kürzester
00:08:56: Zeit eben auf diesen Fonds geeinigt und das war schon ein Riesenschritt für die EU, die dafür
00:09:04: zurecht kritisiert wurde, denke ich mal, dass sie mindestens zehn bis 15 Jahre seit der letzten
00:09:10: Erweiterungsrunde keine großen Reformen mehr umgesetzt hat. Und jetzt unter dem Druck der
00:09:16: Krise, dass es in Europa einen Krieg wieder gibt, was eine Situation war für das Friedensprojekt
00:09:22: Europa, wie man es immer so schön bezeichnet, natürlich eine unheimliche Schockwirkung war,
00:09:28: wo man sich dann auch ganz schnell, und das war schon, fand ich erstaunlich, auch schnell auf
00:09:34: vier große Vorhaben geeinigt hat, die man so zuvor auch nicht für möglich gehalten hat. Also der
00:09:41: Druck, das hat man immer gesagt, unter Druck reagiert die Europäische Union, da wird der Druck
00:09:46: zu stärkeren Integrationen auf einigen Feldern eben sehr hoch. Hat sie diesen Druck nicht,
00:09:52: das haben wir eben davor in der Phase gelernt, dann passiert nicht wirklich viel. Da waren eher so
00:09:57: Kräfte am Werk, die Mitgliedstaaten auseinandergedrungen hat und da mache ich jetzt nur mal das Stichwort
00:10:03: Brexit. Und jetzt sieht man zum Beispiel auch wieder in vielen Fragen, dass gerade Großbritannien auch
00:10:09: unter der Führung von Boris Johnson, der ja den Brexit stark verantwortet hat, doch wieder näher
00:10:15: zusammenrücken, zwangsweise. Weil man jetzt einen gemeinsamen, ich sage das jetzt mal ganz böse Feind
00:10:20: hat und ein gemeinsames riesiges Problem, dass man auch nur gemeinsam lösen kann. Also Krisen führen
00:10:25: zu mehr Gemeinsamkeit und Beschleunigen dann so was wie Integration, wie gemeinsame Arbeiten. Renato,
00:10:32: du hast von einem Schock gesprochen, Eva, du bist ja, wenn ich das richtig verstehe, so was wie
00:10:36: der Counterpart von Renate auch in Berlin. Du machst Außenpolitik, Europapolitik, aber in
00:10:42: Berlin vor Ort. Als wir zuletzt zusammen kamen, standen wir sehr unter dem unmittelbaren Eindruck
00:10:48: des russischen Angriffs. Das war eine Woche nach dem Angriff, da haben wir gemeinsam gesprochen,
00:10:52: du hast damals beschrieben, dass Angst zurückgekehrt ist in Deutschland. Ja, tatsächlich Angst
00:10:58: im Sinne einer existenziellen Bedrohung, was wir lange so nicht kannten in Deutschland. Wie
00:11:04: hast du die Wochen danach erlebt? Was ist mit dieser Angst passiert? Das stimmt, da das war so der
00:11:10: erste Eindruck, den ich auf jeden Fall hatte, was ich als sehr prägend erlebt habe in der öffentlichen
00:11:16: Debatte, in den privaten Gesprächen und aber auch in der politischen Kommunikation, sozusagen in der
00:11:23: Auswirkung. Dieses Bedrohungsgefühl, was sozusagen zurückgekehrt ist und für manche in meiner Generation
00:11:28: zum ersten Mal wirklich da war. Ich habe schon eine Veränderung bemerkt jetzt in der Entwicklung.
00:11:34: Der Krieg läuft, die Gefahren sind nach wie vor so da und es wird auch, glaube ich, so eingeschätzt,
00:11:39: aber ich habe verschiedene Beobachtungen jetzt zu diesen vergangenen Wochen. Was mir einfach aufgefallen
00:11:45: ist, ist dieses Gefühl der Angst und auch gewisserweise teilweise ein bisschen Panik. Also wir handeln
00:11:52: wir jetzt ganz schnell, wir können uns das ganz schnell schützen, ist auch einem ersten Gefühl
00:11:56: gewichen, was ich schon fast als eine Art Schamgefühl bezeichnen würde, nämlich das Gefühl von
00:12:03: "ah ja, so richtig erwischen kann es uns jetzt ja erst mal nicht", so. Wir sind nicht direkt
00:12:09: betroffen mit Kampfhandlungen und das ist sozusagen ein bisschen das Erwachen nach dem Erwachen. Also
00:12:15: wir haben eigentlich gemerkt, ja stimmt, wir sind hier relativ sicher, erst mal, das liegt daran
00:12:21: auch, dass andere unsicher sind und das würde ich sozusagen als das Schamgefühl bezeichnen und
00:12:25: infolgedessen eine sehr emotionale Debatte und eine vehement geführte Debatte über die Frage von
00:12:31: wie viel Waffen können wir jetzt schnell liefern. Also das war nicht nur, finde ich, die Diskussion
00:12:37: um Selbstschutz, wie es am Anfang war, sondern ganz schnell auch die Diskussion über "oh wow,
00:12:42: irgendwie merken wir, dass da jetzt andere Leute gerade ihren Kopf hinhalten für uns" und das habe
00:12:48: ich auch als ein öffentliches Schamgefühl empfunden, um auf dieser Gefühlebene zu bleiben, was diese
00:12:53: Diskussion eingeht. Das ist das eine und das andere, was ich wahrgenommen habe, ist auch, dass wir
00:12:58: einfach noch mal stärker auch gemerkt haben, wie reagieren andere Länder und andere Regionen auf
00:13:03: diese Entwicklung. Wir haben uns das letzte Mal ja vor allem auch mit der deutschen Diskussion
00:13:07: beschäftigt und heute sprechen wir über die europäische Perspektive und es gab so diesen
00:13:13: Spruch ganz am Anfang, als die ersten Angriffe kamen, ja wir sind alle in einer neuen Welt
00:13:17: aufgewacht und ich glaube für mich kennt Zeichen in den letzten Wochen die Erkenntnis, dass Europa
00:13:23: irgendwie aufgewacht ist, aber halt auch sehr lange geschlafen hat und alle anderen irgendwie
00:13:28: schon wesentlich länger wach waren und schon wesentlich länger die Bedrohungslage und die
00:13:33: Gefahren so eingeschätzt haben, vielleicht nur noch einen Gedanken dazu. Renate hatte eben
00:13:39: geschildert, wie der Blick außerhalb der EU manchmal irgendwie hilft, ein bisschen mehr zu
00:13:44: verstehen, was eigentlich hier passiert oder auch zu verstehen, was vielleicht nicht passiert und ich
00:13:48: war ja auf dem Balkan vier Jahre und dort ist mir ein Satz immer hängen geblieben und zwar der
00:13:54: Nikola Dimitrov, der damalige Außenminister Nordmärzudonians, sagte in Debatten darum,
00:14:00: ob man jetzt eben der EU näher rücken könnte und im Beitrittsgespräche eröffnen könnte,
00:14:05: immer die Leute, die innerhalb der EU Leben vergessen, wie kalt es draußen ist und das fand
00:14:10: ich irgendwie eine ganz griffige Formulierung und ich glaube diese Kälte, die nehmen wir jetzt nach
00:14:16: langer Zeit mal wieder wahr, wie es eben draußen nicht so mollig ist wie hier drin und daraus
00:14:20: fügt sich dann auch zusammen natürlich irgendwie die Erkenntnis, dass wir vielleicht was sehr
00:14:24: schützenswertes hier haben. Große vielleicht größere Wertschätzung gegenüber diesem europäischen
00:14:29: Friedensprojekt, das ist ja am Ende, man kann sich viel festhängen an einzelnen technischen Fragen,
00:14:35: an irgendwelchen Verteilungsfragen, die alle ihre Brechtigung haben, aber sozusagen die Grundidee,
00:14:40: da gibt es vielleicht eine neue Wertschätzung. Danke für den Eindruck Eva. Christos Eva hat
00:14:46: so eine Mischung aus Gefühlen und Stimmung, die in Politik ja immer eine wichtige Rolle spielen,
00:14:51: angesprochen und einer veränderten Analyse eigentlich, wir Europas aufgebacht. Wie ist
00:14:57: dein Blick aus dem Regionalbüro in Wien auf die letzten Wochen? Ganz ähnlich wie der von Eva. Ich
00:15:04: glaube nur, dass Europa als Ganzes vielleicht nicht gemeinsam aufgewacht ist, sondern dass es da
00:15:09: ganz unterschiedliche Wahrnehmungen gab und auch ganz unterschiedliche Einschätzung dessen, was hier
00:15:14: im Osten Europas passiert. Wir haben ja hier diesen Security radar, diese große Umfrage noch letztes
00:15:19: Jahr gemacht, wo wir 14 Länder aus dem USDE Raum uns angeschaut haben, auch auf die Frage hin,
00:15:24: fühlen Sie sich von Krieg bedroht, welches Land sehen Sie als Bedrohung und da sehen wir eine ganz
00:15:28: klare Ost-West-Teilung. Während in Frankreich und Italien und Deutschland letztes Jahr und Österreich
00:15:35: vor allem, je was extrem gemütlich das Gefühl da war, man wird überhaupt nicht von Krieg betroffen
00:15:40: und es gibt eigentlich kaum Auswirkungen auf das eigene Land, sah das in Polen und Lettland ganz
00:15:45: anders aus und diese Realität ist jetzt eine Neue, in der wir als Europa zwar gemeinsam stehen,
00:15:51: aber von ganz unterschiedlichen Standpunkten auskommen, ganz unterschiedlichen Perspektiven
00:15:56: auskommen und die jetzt langsam aber sicher zusammengehen und das zweite, was ich noch dazu
00:16:02: fügen wollte, je versprach von diesem Gefühl der Angst am Anfang, dann ein Stück weit der Scham.
00:16:07: Scham glaube ich gerade auch in Deutschland darüber, weil jetzt die Debatte aufkommt,
00:16:12: haben wir vielleicht nicht genügend getan, gerade weil unsere polnischen Nachbarn,
00:16:16: baltischen Nachbarn immer wieder gemahnt haben und jetzt aber auch natürlich das Gefühl von
00:16:21: Wut und Erschreckung angesichts der Barbareien, die da zunehmend aufgedeckt werden und dem Gefühl
00:16:29: der eigenen Hilflosigkeit natürlich liefern wir Waffen, natürlich haben wir sanktioniert,
00:16:33: aber wie Eva sagte, wir lassen die Ukraine ja dennoch im Grunde genommen in der Kälte,
00:16:39: die sie gerade beschrieben hat alleine und das ist ein sehr, sehr unangenehmes Gefühl und das
00:16:44: entglädt sich aus meiner Wahrnehmung gerade in sehr, sehr heftigen gesellschaftlichen Debatten,
00:16:48: die wir ja verfolgen. Sag noch kurz, welche Debatten meinst du? Die Debatten in Deutschland
00:16:54: darüber, was jetzt eigentlich zu tun ist, das geht auch über Deutschland hinaus,
00:16:57: wir haben ja den Eindruck dieser Krieg müsste so schnell wie möglich beendet werden und dann
00:17:02: wird eine Sanktion verhängt oder es werden Waffen geliefert und drei Tage später stellt man fest,
00:17:07: der Krieg geht aber immer noch weiter. Das heißt, wir haben es ja auch mit einer Situation zu tun,
00:17:11: die deswegen ungewohnt ist, weil ein Krieg wir im Moment in der Ukraine stattfindet,
00:17:16: länger dauert als zwei oder drei Wochen. Das haben sich die Russen zwar anders gewünscht,
00:17:20: vor allem das russische Regime, aber wie es aussieht wird das über Monate gehen. Das heißt,
00:17:24: unsere mediale Aufmerksamkeitsspannung, die ja normalerweise darauf ausgerichtet ist,
00:17:29: in wenigen Tagen die nächste Sau durchdorf zu jagen, wenn ich das mal so formulieren darf,
00:17:33: ist im Moment in einem Dilemma, weil eben nichts passiert, weil sich nichts verändert.
00:17:37: Die neue Hoffnung ist, dass sobald wir den Gashahn abdrehen, dass dann etwas passiert und meine
00:17:42: Sorge wäre eben, dass auch das nicht stattfinden wird und dann wird das nächste Instrument
00:17:46: gesucht werden und so langsam gehen uns eben die Instrumente unterhalb der Schwelle des
00:17:50: militärischen Eingreifens aus. Wenn ich da vielleicht direkt mal reingretschen darf,
00:17:57: sozusagen, wenn das okay ist, ich finde das sehr interessant, diese beiden Linien,
00:18:02: die man jetzt gerade beobachtet. Ihr hattet einmal schon mal diese Teilung Ost-West,
00:18:06: die es über Jahre gab, gerade in der Frage der Erweiterung natürlich Westbalkan-Stichwort,
00:18:12: du hast Nordmazedonien schon genannt, die Kandidaten, die immer wieder sozusagen on hold
00:18:16: gestellt wurden und jetzt natürlich aktuell der Antrag von der Ukraine auf den Schlefferfahren
00:18:22: und auf die Aufnahme in der EU, die diese Diskussion jetzt natürlich alle wieder aufkommen lassen
00:18:27: und die Argumente, die schon damals oder bis zu jetzt im Krieg angeführt wurden,
00:18:32: warum man nicht weitere Länder aufnehmen kann oder will in die EU, sind immer noch die gleichen.
00:18:38: Also das sind die gleichen die Begründungen, warum man nicht aufnehmen kann und man diskutiert
00:18:43: natürlich jetzt ist dieser Symbol wert, dann doch diesen Kandidatenstatus an die Ukraine,
00:18:50: wie gewünscht zu geben. Das hilft nicht in der aktuellen Krise, es wird den Krieg nicht beenden,
00:18:55: aber für die Ukraine wäre es ein wichtiges Zeichen der Solidarität und das gilt nicht nur für die
00:19:00: Ukraine würde ich sagen, sondern so wie Eva gesagt hat diese Diskussion, dass man vorallem auf die
00:19:05: osteuropäischen Mitgliedstaaten oft nicht wirklich deren Besorgnis ernst genommen hat, deren
00:19:12: Dasein sozusagen direkt an der Grenze zu Russland, wir haben die baltischen Länder schon erwähnt,
00:19:19: die das immer wieder vorgebracht haben, damit ist man hier in Brüssel gegen, ich sage mal, die Stärke der,
00:19:25: ich nenne die jetzt mal die westlichen Länder und alle gehören Deutschland zu,
00:19:29: da gehören die Ursprungs-EU-Gründerländer, alle zu natürlich auch die skandinavischen Länder,
00:19:34: ist man da nicht durchgedrungen und jetzt steht man eben vor diesen Fragen, die immer schon da waren
00:19:41: und kann auch jetzt im Moment, man hat sich einigen können in vier wichtigen Punkten relativ schnell,
00:19:48: die jetzt fünf Sanktionspakete und ihr hattet das gerade erwähnt, das fünfte ist jetzt gerade
00:19:54: sozusagen liegt vor und heute Morgen habe ich gerade dann im Radio gehört und gestern Abend war es
00:19:59: dann schon die Diskussion noch, geht man weiter mit den Energiesanktionen, mit dem Embago, so wie ich
00:20:05: das jetzt verstanden habe, hat man sich nur auf Pole geeinigt, wirklich zu sanktionieren, aber noch
00:20:10: nicht auf Öl und Gas und wir wissen ja genau, da ist auch Deutschland aus Gründen, da können wir
00:20:17: ja gleich noch darüber diskutieren, eins der Länder, die dann eben auch sagen, nee, das geht
00:20:21: jetzt im Moment noch nicht und viele Kritiker sind der Meinung, dass ein totales Embago Russland so weit
00:20:29: dann doch schädigen würde, dass vielleicht das den Krieg beenden würde, andere sagen, das wäre nicht
00:20:35: so, also die Debatte geht hin und her vor und zurück, aber diese Spaltung Ost-West macht sich jetzt
00:20:42: noch mal eigentlich richtig klar und deutlich, trotz der Solidarität, die man ja auch mit diesen
00:20:46: großen Beschlüssen, sei es die Massenzustromsrichtlinie, die man beschlossen hat, da schnell die
00:20:52: Flüchtlinge aufzunehmen aus der Ukraine. Ich könnte jetzt weiter, da geht es dann in diese Rechtsstaat
00:20:59: und Demokratiedebatte, wir hatten gerade Wahlen in Ungarn und haben mit Erschreckungen auf dieses
00:21:03: Ergebnis geachtet, gestern wurde dann auch von der Kommission gesagt, dass man diesen Rechtsstaatsmechanismus
00:21:09: jetzt in die Wege geleiten will, den man letztes Jahr verabschiedet hat, also diese Probleme, die
00:21:14: man miteinander hat, die sind alle weiter da und die werden natürlich jetzt von der Krise etwas
00:21:19: überdeckt, aber auf der anderen Seite auch verstärkt. Also wir halten fest, es gab quasi ein
00:21:25: früheres Aufwachen im Osten und die Signale, die man dort gespürt hat, die hat man quasi in
00:21:31: Brüssel nicht ausreichend berücksichtigt. Es ist ja schon Teil unserer Analyse, wie handlungsfähig
00:21:36: war und ist jetzt die Europäische Union in der aktuellen Situation. Ich würde gerne noch mal
00:21:42: so eine kurze Abfrage bei euch dreien machen, wie ist euer Eindruck, wenn ihr das Handeln in den
00:21:47: letzten sechs Wochen bewertet? Was hat funktioniert, wo hat sich die Europäische Union bewährt?
00:21:51: Welche Defizite sind deutlich geworden? Ich denke schon, diese Sanktionen, die waren gut vorbereitet,
00:21:57: der erste Schritt, die erste Reaktion, das ist irgendwie auch das Ergebnis davon,
00:22:03: dass längere Zeiten nicht so viel gehandelt wurde, aber dann immerhin die Vorbereitung
00:22:07: getroffen wurden, um dann einen entscheidenden Schritt zu gehen und das sügig erfolgen konnte
00:22:11: und entschieden, das war wichtig. Auf der Ebene, glaube ich, das hat gut funktioniert. Was natürlich
00:22:17: auch sofort deutlich wurde, ist, dass es einfach viel wirtschaftliche Verflechtungen gibt und das
00:22:22: gibt natürlich auch der Europäischen Union, den einzelnen Mitgliedern, Möglichkeiten,
00:22:27: Sanktionen zu verhängen. Also, verflochten wir sind, umso mehr können wir da auch sanktionen,
00:22:31: umso betroffener sind wir aber auch davon. Und das sind jetzt ja die Debatten, die hinter diesen
00:22:36: sehr heißen Diskussionen stehen, ob wir jetzt einen Gasembargo haben oder nicht, nämlich die
00:22:41: Verzahnung und was das auch für uns bedeutet. Also, die eine Sache ist ja, welchen Hebel haben
00:22:46: wir gegenüber Russland und die andere Frage ist, was bedeutet das für uns? Also, auf der Ebene,
00:22:51: das hat, glaube ich, erstmal in der ersten Reaktion gut funktioniert, so habe ich das zumindest
00:22:56: wahrgenommen. Was auch sofort offensichtlich wurde ist und in dem Sinne hat es aber auch gut
00:23:01: funktioniert, ist, dass es irgendwie auch ein bisschen eine Rollenverteilung gibt. Ja,
00:23:05: also es gibt die Europäische Union und es gibt natürlich eine Debatte um Verteidigung und Militär
00:23:10: auch innerhalb der Europäischen Union, aber die Entscheidungen darüber werden nicht auf der
00:23:15: Ebene getroffen und da waren dann andere zuständig. Das finde ich war sehr schnell klar und in dem
00:23:21: Sinne hat es auch funktioniert. Also es gab jetzt nicht sofort eine Diskussion wie schickt die EU.
00:23:26: Ja, also natürlich sind das Gespräche, die geführt werden, aber es war relativ klar,
00:23:30: dass es jetzt andere Akteure, das ist vielleicht die NATO, die da jetzt handeln muss,
00:23:34: europäische Akteure innerhalb der NATO und so weiter. Also das habe ich eigentlich als ganz
00:23:39: positiv erlebt. Aber was jetzt auch deutlich wird, ist, dass eben Entscheidungen innerhalb der EU,
00:23:43: wenn sie nicht von langer Hand vorbereitet werden können, wie jetzt die ersten Sanktionspakete,
00:23:48: auch länger brauchen, konfliktiver sind und das wird jetzt schwierig werden. So, das ist, glaube ich,
00:23:54: jetzt die Phase, in der wir jetzt sind. Also die Vorbereitungen, die Phase haben wir hinter uns
00:23:59: gelassen und jetzt sehen wir eben, wie behäbig so europäisches Gefüge auch sein kann. Und natürlich
00:24:05: kann ich nicht sagen, in welche Richtung sich das jetzt entwickeln wird. Ich bin da auch gespannt,
00:24:08: was ich gelernt habe, ist, dass sich sehr viele Gewissheiten sehr schnell über den Haufen werfen
00:24:13: lassen in kurzer Zeit. Aber was mir einfach deutlich geworden ist, ist, dass die Achillesfersen,
00:24:19: die wir schon immer hatten in der EU, die kommen jetzt zum Tragen. Also die Frage, wie lange hält
00:24:27: die Einigkeit, die wir hatten auf europäischer Ebene, wie lange hält das wirklich? Wie viel
00:24:32: sind wir bereit, selber herzugeben an Wirtschaftskraft und so weiter. Da habe ich Bauchschwetze
00:24:38: vor. Ich kann gar nicht genau sagen, dass ich finde, dass das jetzt sozusagen nicht gut funktioniert
00:24:43: hat bislang, sondern es ist mehr das Gefühl von, da sind Sollbruchstellen und da werden wir jetzt
00:24:47: teilweise, ist es schon passiert und wir werden da einbrechen. Sozusagen, ein Anerkennen bei dir,
00:24:53: wenn ich es richtig verstehe, davon, dass einiges gut vorbereitet war und dann auch rasch gut
00:24:57: funktioniert hat, aber strukturelle Probleme sind nicht weg und die treten jetzt zu Tage, wenn
00:25:01: neue Entscheidungen betroffen werden müssen. Christus, einverstanden wäre auch so deine
00:25:06: Zwischenbilanz? Ja, einverstanden, aber ich würde ganz gerne nochmal, sagen, den Blick
00:25:12: zwei, drei Wochen zurücklegen. Wenn wir uns nochmal zurückversetzt in den November,
00:25:16: Dezember letzten Jahres, war es ja so, dass die Fragen europäischer Sicherheit zwischen Moskau
00:25:22: auf der einen Seite und Washington auf der anderen Seite verhandelt wurde und die Europäische Union
00:25:26: war wie das Kindergartenkind auf der anderen Seite des Zaunsen durfte nicht mitreden und hier hat
00:25:32: sich was verändert und ich finde, das müssen wir anerkennen. Die EU hat das auf den Tisch gelegt,
00:25:36: was sie auf den Tisch legen kann. Das ist sozusagen die Wirtschaftskraft, was Eva gerade
00:25:41: beschrieben hat, die Möglichkeit, die wirtschaftliche Verflechtung auch als Waffe
00:25:45: einzusetzen. Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt ist, dass was Renate gerade diesen fürchterlichen
00:25:50: Begriff genannt hat, Massenzustromsrichtlinie. Das heißt, man hat endlich ein Einvernehmen darüber
00:25:55: gefunden, wie man mit den Vertrieben aus der Ukraine umgeht. Das war 2015 nicht möglich gewesen,
00:26:01: gerade auch aufgrund der Länder, die jetzt besonders betroffen sind wie Polen. Und das Dritte, was man
00:26:06: gemacht hat, ganz unbürokratisch und ganz unbehäbig in dem Fall. Das muss man auch mal loben. Die EU
00:26:11: hat eine sogenannte Friedensfaszilität. Das sind fünf Milliarden Euro, die innerhalb der EU für
00:26:17: Sicherheit und Verteidigung insbesondere für Forschung aufgewendet werden können. Und so was
00:26:22: ist normalerweise schwierig zu mobilisieren, aber man hat bisher eine Milliarde Euro für
00:26:27: Waffenlieferungen für die Ukraine aus dieser Friedensfaszilität verwendet. Und das ist extrem
00:26:32: schnell für die Europäische Union auch extrem unbürokratisch und extrem hilfreich gewesen.
00:26:37: Und ich finde, das muss man anerkennen. Der letzte Punkt, der aus meiner Sicht problematisch ist,
00:26:42: das hat Renate schon angesprochen, ist die Perspektive eines EU-Beitritts für die Ukraine.
00:26:47: Problematisch warum? Weil ich glaube, dass wir im Moment alle das Gefühl haben, das ist richtig,
00:26:52: das ist notwendig und das hat die Ukraine auch verdient. Aber sobald die Krise nicht mehr so akut
00:26:57: ist wie jetzt, werden die innenpolitischen Probleme wieder aufkommen. Und ich bin mir relativ sicher,
00:27:02: dass in Frankreich, aber auch in den Niederlanden und in anderen Ländern dann die Einwände gegen
00:27:07: ein Beitritt der Ukraine größer werden, auch aufgrund von berechtigter Kritik an dem Zuständen
00:27:13: in der Ukraine. Und was wir ebenfalls nicht übersehen dürfen, ist, dass wir dem Balkan diese
00:27:18: Perspektive schon seit mehreren Jahren quasi ausgesprochen haben und die sich natürlich
00:27:23: fragen, müssen wir jetzt auch in Krieg führen und beitreten zu dürfen. Also insofern, das halte ich
00:27:28: für unnötigen Aktionismus. Das andere finde ich ist wirklich gut gelungen, entgegen dem wird,
00:27:32: was man sonst von der EU erwartet. Ja, so eine Stärke der Europäischen Union in der Krise, Renate,
00:27:37: das bestätigt so ein bisschen deine Schilderung eben. Wie fällt deine zwischenwielanzung? Ja,
00:27:42: ich hatte ja vorhin Christophs hat sie jetzt aufgezählt, die vier erstaunlichen, schnell
00:27:47: zustande gekommen Beschlüsse, Friedensfassilität, das Geld freizusetzen und militärische Hilfe,
00:27:52: totales Novum auf der europäischen Unionsebene, militärische Unterstützung zu gewährleisten
00:27:58: für die Ukraine. Also es werden davon Waffen gekauft. Das ist möglich, das war vorher absolut
00:28:02: nicht möglich. Das zweite Beispiel, wir arbeiten schon lange zu dem Thema Migration. Das war der große
00:28:08: Zankapfel. Man kann sich nachdem die Dublin-Reform gescheitert ist, konnte man sich seit 2015 nicht
00:28:15: auf ein gemeinsames Flüchtlings- und Migrationsreform einigen. Das war ein riesiger Zankapfel vor
00:28:21: allen Dingen eben, ja, Polen und Ungarn waren da zwei Kandidaten, die sich absolut geweigert haben,
00:28:28: Flüchtlinge aus anderen Ländern aufzunehmen. Jetzt haben wir die Situation, das muss man auch
00:28:32: ehrlich sagen, ja, die ukrainischen Flüchtlinge werden aufgenommen, aber gerade im Fall Polen auf
00:28:37: der anderen Seite, an der Belarus-Grenze werden weiterhin Pushbacks der Flüchtlinge aus Syrien und
00:28:42: anderen Ländern eben, die nicht europäisch sind, die weiterhin nicht reingelassen werden. Frage ist
00:28:49: jetzt, ob diese Verabschiedung, das ist die Hoffnung vieler, die sich mit diesem Thema befassen,
00:28:54: dieser Massenzustromsrichtlinie, die ja im englischen Temporary Protection Directive heißt,
00:29:01: was eine komische Übersetzung ist im Deutschen, also eine sehr unglückliche finde ich, weil die
00:29:05: Sprache ja auch eine große Rolle spielt gerade in der Flüchtlings- und Migrationspolitik,
00:29:10: wie man die Flüchtlinge benennt. Die Frage ist jetzt, ob sei es die Friedensfasilität, wo man
00:29:15: sich jetzt sozusagen verteidigungs- und sicherheitspolitisch anders geeinigt hat, was vorher
00:29:19: nicht möglich war, sei es die Migrationspolitik, ob das jetzt nachhaltig ist, ob das bedeutet,
00:29:25: dass man dort auch, wenn der Krieg vorüber ist, dann wirklich zu einer guten Einigung kommt und
00:29:30: die Länder, die da immer kritisch gegenübergestanden haben, ob die sich jetzt in dieser Solidarität
00:29:35: dann auch halten werden. Und das ist eine Sache, wo ich deutlich sagen würde, da habe ich noch
00:29:40: meine Zweifel. Was ich aber auch noch sagen möchte, neben diesen Sanktionspakete haben wir
00:29:45: genannt, das war auch sehr schnelle Einigung, die war möglich, weil eben die EU eine Wirtschaftsmacht
00:29:49: ist und dieses Instrument dann eben auch nutzen kann. Aber auch da sehen wir ja jetzt beim fünften
00:29:55: Paket, die Debatte wird immer schwerer, die Einigung wird auch schwerer, gerade was das Energie im
00:30:00: Vago angeht. Da muss man auch sehen, wie das weiterläuft, aber was natürlich auch ein Nürnum war
00:30:04: und erstaunlich und das kann Christus sicherlich auch beschätigen, ist auf einmal eine Einigkeit
00:30:09: zwischen, eine größere Zusammen- sage ich mal Spiel zwischen NATO und EU. Also hier in Brüssel hat
00:30:16: man immer von dieser Glaswand gesprochen. Die NATO ist hier in Brüssel und die EU ist hier in
00:30:20: Brüssel und zwischen diesen beiden Institutionen, die hier beide lokalisiert sind, war eine große
00:30:25: Glaswand, die oft nicht so durchschreiten war. Man war zwei nicht miteinander wirklich gut
00:30:31: kommunizierende Einheiten, die sich mit Verteidigungs- und Sicherheitspolitik da war. Die NATO
00:30:37: das ist ihre Aufgabe, aber man hat ja in den letzten Jahren eben dankenswerter Weise, weil es
00:30:42: keine kriegerischen sozusagen Herausforderungen gab, war die NATO lange auf der Suche nach ihrer
00:30:49: Daseinsberechtigung und man hat dann immer propagiert, man möchte stärker mit der EU,
00:30:54: die sich stärker aufstellen soll in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Da war dann so ein
00:30:59: Konkurrenzdenken lange Zeit. Jetzt liegt dieser sogenannte strategische Kompass vor und auch die
00:31:05: NATO entwickelt eine eigene Strategie und da ist man, glaube ich, jetzt einfach auch durch
00:31:09: diesen Krieg, der da ausgebogen ist, durch dieses, ich meine, sie sind bildlich vor die Kamera getreten,
00:31:16: der Ratspräsident, die Kommissionspräsidentin und der Generalsekretär von NATO. Das hat man
00:31:23: vorher so nicht gesehen. Also das sind auch neue Bilder, die da entstehen und die bewirken was.
00:31:28: Also das kann man nicht wieder rückgängig machen, glaube ich. Also eine neue Einigkeit,
00:31:32: die wir da haben, nicht nur innerhalb der Europäischen Union, sondern auch mit anderen
00:31:36: wichtigen Akteuren zusammen. Lass uns nochmal, ich will gleich unbedingt mit euch über die NATO,
00:31:41: über diese unterschiedlichen Akteure reden, aber lass uns nochmal einen Augenblick auf den
00:31:45: institutionellen Aufbau Europas schauen im Bereich der Außenpolitik. Das ist etwas,
00:31:49: also wenn ich mit meinen Studenten darüber rede, dann schalten die schneller ab, als ich sprechen
00:31:54: kann. Das ist unfassbar kompliziert, aber die Grundstruktur ist ja so, dass diese Europäische
00:31:59: Union in ihren Entscheidungsprozessen zunächst Einstimmigkeit hatte. Als sie gegründet wurde,
00:32:06: war das das Prinzip. Später hat man festgestellt, dass diese Einstimmigkeit schwierig ist. Gerade
00:32:10: je größer man wird, ist es immens schwierig unter allen Partnern wirklich in allen Punkten
00:32:15: übereinzustimmen. Deshalb hat man in vielen Bereichen die Einstimmigkeit überwunden. Im Bereich
00:32:20: von Außen- und Sicherheitspolitik zum Teil Innenpolitik haben wir die nach.
00:32:24: wie vor. Und man könnte ja jetzt sagen, das müssen wir auch überwinden. Ich würde euch da um eine
00:32:29: Einschätzung bitten, ob das aus eurer Sicht wünschenswert wäre. Es gäbe ja schnellere
00:32:33: Entscheidungen. Das ist klar, wenn wir nicht mehr alle mitnehmen müssen, dann gäbe es ja flottere
00:32:37: Entscheidungen. Der Nachteil wäre natürlich, dass die Einigkeit nicht mehr gegeben wäre. Was wäre
00:32:43: eure Empfehlung? Dass wir zu Mehrheitsabstimmung kommen wollen, steht ja sogar im deutschen
00:32:47: Koalitionsvertrag. Das ist auch aus der Forschung, aus der Think Tank-Ecke immer wieder etwas, was
00:32:52: vorgebracht wird. Ich glaube, wir müssen da realistisch sein. Ich habe den Vorteil, ich kann mir
00:32:57: einen deutschen und griechischen Hut aufsetzen. Aus einer deutschen Perspektive ist das vollkommen
00:33:01: klar. Mehrheitsentscheidungen sind richtig, weil ohne Deutschland geht ohnehin nichts. Aus der
00:33:06: Perspektive eines Landes wie Griechenland oder Zypern oder Lettland ist dieses Votum massiv. Das
00:33:13: ist die einzige Möglichkeit, Einfluss auszuüben auf ein Entscheidungsprozess auf einer Ebene,
00:33:18: an die man sonst überhaupt nicht rankommt mit den Mitteln eines kleinen Landes. Das ist der
00:33:22: einen Punkt. Der zweite Punkt ist, diese Krise hat ja gezeigt, dass die europäischen Länder ganz
00:33:27: unterschiedliche Wahrnehmungen Russlands haben und dass auch ein sehr, sehr hohes Misstrauen
00:33:32: ineinander herrschte. Darüber, wie nahe sind jetzt beispielsweise die Deutschen zu Putin oder wie
00:33:38: eng sind die Italiener verbandelt mit der russischen Gasindustrie. Aus einer lättischen Perspektive
00:33:43: gab es einen hohes Misstrauen. Und deswegen ist das der zweite Grund, warum man dieses Mehrheits-
00:33:48: Votum vermutlich nicht erreichen wird, weil wir nie in den Zustand kommen, dass jedes Land sagt,
00:33:53: ich vertraue den anderen in dem Maße, in der Art vitalen Fragen, dass ich hier mein Votum abgebe.
00:33:58: Sofern ist es wünschenswert, aber ich halte es immer noch für unerreichbar. Wenn ich
00:34:03: mich richtig verstehe, aus Perspektive anderer Länder sehr nachvollziehbar unerreichbar. Eva,
00:34:07: was denkst du? Ja, ich würde Christophs da zustimmen. Ich sehe das sehr ähnlich. Gerade eben
00:34:13: diese doppelte Debatte. Ein großes, einflussreiches Land hat einfach viele Wege, so was zu beeinflussen.
00:34:19: Und das gilt für kleine Länder auch nicht in der Form. Und das ist der Anker. Also in dem Sinne
00:34:25: sehe ich das genauso. Und natürlich, ich hatte ja vorhin die Frage gestellt, wie lange bleiben
00:34:30: sich alle noch so einig? Also wie lange hält das dieses klare Gefühl von, das ist jetzt das,
00:34:35: was zu tun ist, wir stehen alle auf derselben Seite. Und ich glaube, das wird in vielen Punkten
00:34:40: wackeln aus verschiedenen Gründen. Wir haben einfach auch sehr heterogene Regierungen in den
00:34:46: verschiedenen Ländern. Und wenn wir ehrlich sind, also es gibt viele Menschen in Deutschland und ich
00:34:51: würde mich da auch dazu zählen, die schon die Frage stellen würden, ob sie wollen, dass beispielsweise
00:34:56: der gerade frisch widergewählte Regierungschef Ungarns stärkeren Einfluss haben soll aufgrund
00:35:03: von vielleicht der Abschaffung von Einstimmigkeitsprinzipen, weil er dann vielleicht gerade auf
00:35:08: der richtigen Seite steht. Also ich meine, das ist immer die Frage von wer glaubt denn die Mehrheit
00:35:14: auf seiner Seite zu haben. Und wenn wir aber diese mal kritisch da drauf schauen, ja, wo liegen die
00:35:19: Mehrheiten denn, dann können auch sehr schnell Fragen und Debatten aufkommen, in denen dann
00:35:24: Entscheidungen gefällt werden, die eben nicht in dem Sinne erfolgen, wie wir es erwarten,
00:35:29: weswegen wir es für nötig halten für die Durchsetzung unserer Interessen, weswegen wir
00:35:33: eigentlich für das Mehrheitsprinzip wären. Also in dem Sinne halte ich das auch nicht wirklich für
00:35:39: realistisch, dass es kommt und im Jahr auch nicht so sicher, wie wünschenswert es ist. Ich glaube,
00:35:44: es ist wichtig bei diesem Club der EU, wenn ich das mal so Flapsig nennen darf. Also irgendwie
00:35:50: ja, der irgendwie glauben wir, glaube ich, in Deutschland, dass es eigentlich so der beste Club,
00:35:55: in dem man Mitglied sein kann. Irgendwie ist da ja auch was dran, aber der hat halt auch seine
00:36:00: Grenzen. Und ich glaube, diese Idee von, das wird immer weiter steigen, während es immer weiter
00:36:04: ausweiten, der Frieden wird sich verbreiten, auch weil die EU immer größer wird. Das ist auch
00:36:09: ein Trugschluss gewesen und das ist auch Teil dieses Erwachens jetzt zu merken, okay, es sind ganz
00:36:14: andere Entwicklungen, die die Welt verändert haben in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten und
00:36:19: das müssen wir anerkennen und würdigen. Und die Antwort ist halt nicht an jeder Stelle, okay, ihr
00:36:25: kommt alle in unseren Club oder wir treffen jetzt hier schnellere Entscheidungen und dann wird
00:36:29: es alles gut. Also ich glaube, es ist auch irgendwie ein Wunschdenken, dass nur wir schneller entscheiden,
00:36:35: dass dann auch alles besser wird, um das mal so ein bisschen banal auszudrücken. Also der beliebteste
00:36:41: Club quasi nach dem ADAC für uns Deutsche ist die Europäische Union, aber sie hat Grenzen. Oder
00:36:49: dem ACE, ich finde, das muss man hier auch dazu sagen. Sehr wichtig, die gewerkschaftliche Alternative
00:36:54: zum ADAC, Renata. Gerade was die Außenpolitik angeht, ich glaube, das ist für viele, die sich
00:37:00: nicht tagtäglich mit der EU befassen, immer ein sehr schwer durchschaubares Feld, welche Institutionen
00:37:06: sind, wofür zuständig, was hat eigentlich die EU dazu bieten, welches Mandat hat sie und Vertrauen
00:37:11: fand ich auch ein ganz wichtiges Stichwort. Im Markt und Wirtschaftsfragen hat man das Vertrauen
00:37:16: als Mitgliedsländer, da hat man das Mandat an die Kommission gegeben, die darf die Handelsverträge
00:37:20: beschließen. Bei den Außen- und Sicherheitspolitischen Fragen ist der Rat die letzte Instanz. Da müssen
00:37:27: sich die Mitgliedsländer einigen und das Mehrstimmkeitsprinzip ist immer wieder etwas, was debattiert
00:37:31: wird, aber ich glaube ehrlich gesagt auch nicht, dass es umgesetzt wird. Und das wäre auch nicht
00:37:37: das einzige Problem. Die Institutionen sind nicht bereit, die arbeiten nicht in dem, wenn wir den
00:37:43: europäischen auswärtigen Dienst, kurz EAD benennen. Wir haben im letzten Jahr eine Studie dazu gemacht,
00:37:48: zehn Jahre EAD zum Anlass genommen, um mal zu gucken, wie sind denn die Institutionen, wie ist die
00:37:54: EU außenpolitisch institutionell aufgestellt? Und wie arbeiten die unterschiedlichen Elemente
00:38:00: zusammen? Und ich glaube auch da wieder ein Bild, wir haben das alles, ich glaube das war ein letztes
00:38:03: Jahr, die Zeit vergeht so schnell davor war es. Das Bild in der Türkei, in Istanbul, wie die
00:38:09: Kommissionspräsidentin und der Ratspräsident bei Erdogan zum Besuch sind und dieses Couchgate, wie
00:38:16: sie damals hier genannt wurde, sehr deutlich machte, dass sich letztendlich drei Personen sozusagen
00:38:23: berufen fühlen Außenpolitik zu machen. Die dritte war nichtmals mit ihm Bilder, das ist nämlich der
00:38:27: hohe Repräsentant Josef Borell und die anderen beiden, da gab es diese, ich sag mal so einen Konkurrenz.
00:38:32: Und wir haben die Kommission, wir haben den Rat, wir haben den hohen Repräsentanten, der hohe
00:38:38: Repräsentant und die EAD als sozusagen Institutionen sind auch noch örtlich voneinander getrennt. Dieses
00:38:44: Zusammenspiel derjenigen, die für Außenpolitik zuständig sind, funktioniert auch auf der
00:38:50: institutionellen Ebene nicht so, wie es funktionieren müsste, um eine handlungsfähige EU in der
00:38:55: Außenpolitik zu sein. Und da müsste man als Mitgliedsländer den Willen haben, das bisschen
00:39:00: politischer Wille und eine Entscheidung, ob man, Eva hat das gesagt, Christoph gesagt, genug Vertrauen
00:39:05: hat diese außenpolitischen, sicherheitspolitischen Fragen wirklich auf die EU-Ebene zu liegen.
00:39:11: Und das Vertrauen ist nicht da, würde ich sagen. Also je länger ich euch zuhöre, desto deprimierter
00:39:18: werde ich offen gestanden, bei aller Wertschätzung euch allen gegenüber, die ich persönlich habe.
00:39:23: Wir haben ein bisschen Anerkennung gehört, man hat jetzt in der Krise gehandelt, aber wenn man in
00:39:27: die Zukunft schaut, sieht es extrem schwierig aus. Mehrheitsprinzip kommt nicht und ist aus
00:39:33: Perspektive mancherbeteiligt da nicht wünschenswert. Nathalie, du hast gesagt quasi, also wenn heute
00:39:38: Henry Kissinger anrufen wollen würde, hätte er mindestens drei Telefonnummern, die er wählen
00:39:42: würde. Wie könnt ihr mir Optimismus zurückgeben? Christos, bitte. Jetzt wollte ich gerade irgendwie
00:39:48: noch ein reinhauen. Nein, also die Schwierigkeit des institutionellen Miteinanders haben wir ja
00:39:54: schon beschrieben und man muss ja auch mal ein Wort der Anerkennung aussprechen für den hohen
00:39:57: Repräsentanten Josep Borrell, der er den schwierigsten Job ever hat. Wenn bei dem jemand anruft, wie
00:40:03: Henry Kissinger beispielsweise, dann muss der erstmal abklären, sind alle 27 Einverstand mit dem,
00:40:08: was ich sage und das ist in Außenpolitik, wo eine schnelle Reise sozusagen ein Statement wichtig ist,
00:40:13: wahnsinnig schwierig und Josep ist ja ein eher vulkanisches Gemüt und tritt dann natürlich
00:40:19: in eines oder anderes Fettnäppchen immer wieder. Das macht das natürlich auch nicht einfacher,
00:40:23: aber er versucht auf die Art und Weise natürlich auch ein Stück weit Druck zu erzeugen auf die EU.
00:40:27: Renate hat er vollkommen recht gehabt, als sie vorhin beschrieben hat, diese Pendelbewegung der
00:40:32: EU, wir haben eine schwere Krise, dann stellen wir fest, wir haben nichts dafür. Das fing schon in
00:40:37: 90ern an, irgendwie wo es dann hieß, der Balkan, das ist die Stunde Europas, ich weiß gar nicht,
00:40:42: wie viele Stunden Europa sind zwischen vergangenen, ohne dass wirklich mal was passiert ist und genau
00:40:47: das Gleiche ist auch jetzt wieder passiert. Das heißt, wir entwickeln jetzt ein Instrumentarium mit
00:40:50: der aktuellen Krise umzugehen und das macht uns auch besser aufgestellt für die nächste Krise.
00:40:54: Aber vermutlich wird die nächste Krise ja nicht die gleiche sein, wie die, die wir jetzt erleben,
00:40:59: die Flüchtlingskrise 2015, die Finanzkrise und ich kann jetzt weiterhin zurückgehen, sondern das
00:41:05: wird möglicherweise eine Klimakrise sein und auch dann und das gibt einem glaube ich Zuversicht nach
00:41:10: vorne ist die EU in der Lage relativ schnell gemeinsam Interessen zu identifizieren und darauf
00:41:15: Instrumente aufzubauen. Und diese Instrumente werden dann quasi zu bürokratischen Elementen,
00:41:21: das heißt die bleiben auch, das ist ja nicht immer nur negativ, sondern sie bleiben und können
00:41:26: uns dabei helfen dann in der nächsten Krise noch ein Stück weit besser zu werden. Das ist
00:41:29: ein schwieriger Versuch, Optimismus zu verbreiten, aber ich habe auch das geschafft.
00:41:33: Doch ich wertschätze den sehr und teile ihn und in gewisser Weise ist es ja logisch,
00:41:38: dass politische Prozesse und Institutionen immer nur etwas verarbeiten können, was da ist und nicht
00:41:44: alles antizipieren können, was an Krisen kommt, weil wir das noch nicht kennen und noch nicht
00:41:48: überschauen, aber man hat sozusagen dann ein Instrumentarium, was dann da ist und für ähnliche
00:41:53: Krisen, für vergleichbare Krisen funktioniert. Eva, Optimismus. Ich versuche an der Stelle
00:41:58: weiterzumachen. Ich glaube nur das Glück vielleicht an mit einem weiteren amerikanischen Zitat oder
00:42:05: sozusagen einem angeblichen Zitat. Eisenhower hat mal gesagt so was so in die Richtung it's not
00:42:10: about the planet, it's about the planning. Und das beschreibt vielleicht auch, was jetzt in der EU
00:42:15: stattgefunden hat. Ob jetzt der strategische Kompass dem, was da steht, ob das jetzt irgendwie
00:42:21: als ein Plan zählen darf, das ist also sowieso noch mal dahingestellt. Aber der Umstand, dass sich
00:42:26: jetzt über einen längeren Zeitraum die Staaten wirklich bewusst damit auseinandergesetzt haben,
00:42:31: okay, wo wollen und können wir uns und wo müssen wir uns eigentlich abstimmen? Welche Kanäle
00:42:36: können wir dazu aufbauen? Renate hat es angesprochen, welchen Dialog müssen wir auch mit der NATO
00:42:41: führen, wo müssen wir da offener und schneller werden? Das ist sozusagen Teil dieses Plannings,
00:42:47: was hoffentlich bleiben wird. Strukturen, die geschaffen werden in der Kommunikation und auch
00:42:53: irgendwie in dem Selbstbild, als vielleicht etwas agilerer Akteur. Also ich verstehe dich und Eisenhower
00:43:00: so richtig, dass eine gewisse Bindung erzeugt. Also das Ergebnis ist nicht das einzig Entscheidende,
00:43:06: sondern der Prozess erzeugt eine gewisse Bindungswirkung, den Nähe. Genau und die ist halt wichtig,
00:43:11: um dann auch wirklich auf neue Herausforderungen reagieren zu können, die Christos ja gerade
00:43:15: ansprach. Es ist einfach sehr unwahrscheinlich, dass wir den letzten Krieg nochmal führen müssen,
00:43:19: sondern es wird irgendwie etwas anders gelagert sein und deswegen kann auch der beste Plan uns
00:43:24: beim nächsten Mal nicht helfen, sondern wir müssen erkennen, wo und warum wir vielleicht schnell
00:43:29: handeln konnten und da auch hoffe ich, mir lernen Effekte, die sich eben auch institutionalisieren
00:43:34: lassen in dem Sinne und da liegt, glaube ich, die Hoffnung. Und natürlich gehört dazu aber auch
00:43:39: Grenzen anzuerkennen. Also wir sehen jetzt, wir hatten verschiedene Dialogformate in den vergangenen
00:43:44: Wochen, da habe ich auch Renate und Christos immer wieder gesehen und vielleicht habt ihr das auch
00:43:50: ähnlich wahrgenommen, aber wir haben ja häufig auch darüber gesprochen. Jetzt gerade wenn wir
00:43:53: über die Sanktionskraft sprechen, die die EU entfalten kann auch aus dem politisch. Wir
00:43:58: verhandeln aber gerade auch über eine Art Decapling von Wirtschaften, also ein Loslösen von
00:44:04: Verbindlichkeiten und Abhängigkeiten und damit ein Herr wird natürlich auch gehen, dass wir auf
00:44:09: manchen Ebenen nicht mehr so sanktionsfähig sind und das ist wahrscheinlich dann der nächste,
00:44:14: die nächste Lernkurve, die erreicht werden muss. Was bedeutet das dann für unser außenpolitisches
00:44:19: Handeln, wenn dieses Schwert nicht mehr so scharf sein? Das führt ja letztlich zu der Frage,
00:44:23: welche Alternativen haben wir dann? Welche Alternativen, Instrumente? EU als starke
00:44:27: Wirtschaftsmacht kann ihre Wirtschaftsmacht einsetzen, das tut sie jetzt, aber wenn sie das
00:44:32: sozusagen verbraucht hat, was gibt es da? Richtig. Grenate, Optimismus. Das ist schwer,
00:44:37: weil wir reden ja auch über die größte Baustelle hier, Außen- und Sicherheitspolitik. Es gibt
00:44:42: andere Felder, wir haben immer wieder die Wirtschaftskraft genannt, wo die EU absolut
00:44:45: handlungsfähig ist und wo viel zusammenwachsen und Erfolgsgeschichten zu verzeichnen sind und ich
00:44:52: sage jetzt nur Green New Deal, Digital Pact, das sind alles Reformen, die jetzt umgesetzt wurden
00:44:58: schon letzter Zeit und die eine große Wirkungskraft haben, wo die EU auch Vorbild ist für andere,
00:45:03: unter anderem die USA, Datenschutz, nächstes Stichwort. Es gibt ganz viele Felder, wo man das,
00:45:09: was oft vergessen wird und was ja auch von nationalen Regierungen dann meistens nicht
00:45:13: kompetiert wird, wo die EU riesige Erfolge hat. Darüber wird dann nicht so laut gesprochen,
00:45:19: aber gerade im Außen- und Sicherheitspolitischen Bereich und das zeigt diese Krieg in der
00:45:24: Ukraine jetzt eben ganz deutlich, das ist eine Baustelle, die seit vielen Jahren existiert und
00:45:30: wo schon vor dem Ausbruch des Krieges, wir ja unter dem Stichwort Macron strategische
00:45:35: Autonomie oder eben souveränes Europa, wo man eben genau darüber immer wieder diskutiert hat,
00:45:41: wie kann man da die EU in diesem Verhältnis zur NATO unter Trump mit der Schwierigkeit,
00:45:47: dass die USA sich eben aus der NATO zurück zog oder man den Eindruck hatte und da entstand dieser
00:45:54: Druck, dass die EU jetzt gucken muss auf dieses Feld und das tut sie ja im Moment und da haben
00:45:59: ja schon Dinge stattgefunden. Diese berühmten, ja, gemeinsamen Projekte, die man verabschiedet
00:46:04: unter dem Stichwort wieder so eine Abkürzung PESCO. Da sind mittlerweile über 50 gemeinsame
00:46:10: Rüstungsprojekte. Das sind alles kleine Schritte. Das ist alles nichts, dass die EU jetzt schon
00:46:15: handlungsfähig macht im Sicherheitspolitischen Sinne, aber das sind Schritte in eine Richtung,
00:46:19: die getan werden. Und ja, das könnte man vermutlich jetzt annehmen, dass das sich weiterhin
00:46:24: verstärkt und letztes Wort dazu positiv. Es wollen außer Großbritannien, die raus wollte,
00:46:31: wollen viele Länder rein in die EU. Sie hat eine Attraktivität, die sich in erster Linie natürlich
00:46:37: aus diesem Markt ergibt, aber auf der anderen Seite weiß man gerade jetzt auch, dass die EU ja
00:46:43: auch dadurch als Schutzmacht gesehen wird. Denn sonst würde die Ukraine jetzt nicht in die EU
00:46:48: wollen, sondern sie sieht eben all diejenigen, klar, die nicht in der NATO sind. Das ist der
00:46:53: noch größere Wunsch. Die sind nicht gedeckt von der sicherheitspolitischen und außenpolitischen
00:46:58: Solidarität, die sie brauchen. Draußen in der Kälte sind sie und sie wollen rein. Die EU wird
00:47:02: als warm angesehen, also als der Ort, wo man sich vielleicht dann sicherer fühlt. Die EU strahlt
00:47:07: immer eine große Attraktivität aus. Es passiert viel. Es passiert auch viel Wichtiges in anderen
00:47:13: Feldern. Die EU muss sich jetzt gerade umstellen. Eva hat es gesagt, dass es durch viele Handelsverträge
00:47:19: möglichst mit großen Regionen sich zu vernetzen. Das war ein großes Anliegen und das hat die EU
00:47:26: über Jahre ja auch erfolgreich gemacht. Sie ist verbunden. Jetzt muss sie gucken, wo muss sie sich
00:47:32: vielleicht wieder loslösen, weil wir diese Lieferkettenprobleme und all diese Dinge haben. Man
00:47:37: muss sich neu aufstellen in dem gesamten Verhältnis. China, USA und die EU selber. Die Debatte läuft
00:47:42: auch schon lange. Man kann sich nicht sicher sein, wie die Entwicklung in der USA weitergeht. Auch
00:47:46: das ist der Grund, warum man in der Außen- und Sicherheitspolitik in der EU weiterhin handeln
00:47:51: muss. Aber wohin die Reise geht, ich glaube, das kann im Moment ja passieren Dinge, die man nicht
00:47:55: erwartet hat. Es werden Schritte getan, die man nicht erwartet hat. Also das haben wir alle nicht
00:47:59: voraus gesehen, dass es diese Möglichkeiten gibt, die wir vorhin schon aufgezählt haben. Daher wissen
00:48:04: wir ja auch nicht, wie wir können nur vermuten und aus der Analyse dessen, was bisher passiert ist,
00:48:09: Beschlüsse ziehen. Aber wirklich wissen, tun wir es nicht und die nächste Krise wartet bestimmt
00:48:14: und da muss man gucken, welche Schritte dann erforderlich sind. Und dann ja, ich glaube zurück geht's
00:48:19: nicht, sondern es geht ja weiter nach vorne. Christos, lass uns noch mal kurz darauf schauen,
00:48:23: mit wem geht es denn weiter nach vorne? Renata hat ja schon das Verhältnis von NATO und Europäischer
00:48:29: Union angesprochen. Da gibt es sozusagen verschiedene Renaissance in gewisser Weise. Das glaubst du,
00:48:35: wie entwickelt sich das weiter? Vielleicht zum Anfang erst ein kurzer Nachtrag. PESCO sind die
00:48:40: permanenten strukturierten Kooperationen, das sind kleinere Gruppen von Staaten, die zusammen
00:48:44: Projekte verwirklichen, nur keine akronüme leeren Raum stehen zu lassen. Ich glaube, was im Moment
00:48:49: auf EU-Ebene passiert, ist eine neue Form von Pragmatismus. Und Pragmatismus heißt in dem Fall,
00:48:55: es geht nicht mehr die Frage um, wie können wir die NATO ersetzen, sondern wie können wir komplementär
00:49:00: zur NATO bestimmte Fähigkeiten aufbauen. Das heißt, man stellt sich erst die Frage,
00:49:05: welche Institutionen das richtige Tool oder das richtige Instrument für das jeweilige Problem
00:49:10: ohne sozusagen auf EU-Ebene das gesamte Instrumentarium aufrecht halten zu wollen. Das heißt,
00:49:16: gibt einen neuen Pragmatismus im Umgang mit der NATO. Man hat absolut anerkannt, dass die NATO
00:49:20: für Fragen von Landesverteidigung oder Bündnisverteidigung nicht ersetzbar ist durch die Europäische
00:49:25: Union. Und das hängt mit den USA zusammen. Das hängt auch mit den Fähigkeiten, nicht zuletzt mit
00:49:30: den nuklearen Schirmen der USA zusammen. Das heißt, wir haben hier eine Revitalisierung der NATO
00:49:35: und das Westens insgesamt. Das hat Renate absolut richtig gesagt, das ist erstmal prekär, nichts
00:49:41: ist so trotz glaube ich herrschte jetzt erstmal das Gefühl, das funktioniert. Vor allem bei der
00:49:46: NATO herrscht das Gefühl, ich hatte letzten Gespräch mit einem hochrangigen Vertreter, der sagte,
00:49:50: we're back endlich, nicht mehr brain dead, sondern wieder auf dem Tappé. Das zweite ist, ich glaube,
00:49:57: dass die EU festgestellt hat, dass die globale Perspektive, die man sich selbst vorgenommen hat,
00:50:02: möglicherweise nicht ganz so leicht zu verwirklichen ist. Das heißt, die Konzentration wird stärker
00:50:07: auf die Nachbarschaft gehen. Das heißt, aus meiner Sicht wird auch die Türkei wieder eine
00:50:12: wichtige Rolle spielen, wie es ja auch aktuell bei den Verhandlungen zwischen der Ukraine und
00:50:16: Russland tut. Wir werden zunehmend nach Afrika, auch Sub-Sahara Afrika schauen, um zu sehen, was
00:50:22: können wir hier als EU noch machen? Und die Frage des Umgangs mit China wird ebenfalls sehr end mit
00:50:26: den USA abgesprochen werden. Das heißt, wir haben sozusagen ein stärkeres Zusammenrücken des Westens
00:50:32: in Anführungsstrichen, auch weil, das dürfen wir ja auch nicht vergessen, viele Länder, die absolute
00:50:37: zentrale Akteure geopolitisch sein werden, Indien, China, Brasilien und so weiter und sofort,
00:50:43: sich nicht auf die gleiche Seite, wie wir geschlagen haben in diesem Krieg. Das Sanktionsregime ist
00:50:48: nicht weltumfassend, das ist westumfassend hauptsächlich. Wenn wir dann noch Japan und Südkorea
00:50:53: dazunehmen, wird das jetzt nicht so viel. Und letzter Punkt, das geht dann auch in diese Richtung,
00:50:58: wir haben ja von Seiten der USA immer wieder die neue Bipolarität Autokratien versus Demokratien.
00:51:04: Und als EU fühlen wir uns natürlich sofort berufen, bei den Demokratien dabei zu sein. Das gilt
00:51:10: auch für die meisten unserer Mitgliedsländer. Nur nicht für alle und ich glaube, das dürfen wir
00:51:14: dabei nicht vergessen, dass wenn wir tatsächlich in so eine Bipolarität reingehen, dann wird sich die
00:51:19: Frage dessen, was im Moment in Ungarn passiert und das, was mit der Justiz in Polen passiert,
00:51:23: noch mal auf eine ganz andere Art und Weise stellen. Lass uns das bitte als letzten Punkt
00:51:29: noch mal vertiefen. Was ist ein realistischer Zielhorizont für das außenpolitische Agier in
00:51:35: der Europäischen Union? Was können wir uns nicht nur wünschen, sondern mit all den Partnern,
00:51:40: die wir in der Europäischen Union haben, überhaupt erwarten? Welches Bild von uns selbst
00:51:44: als außenpolitischer Akteur kann da entstehen? Ich würde da gerne einhaken. Ich glaube, es gab
00:51:49: vielfach jetzt so diese Sorge davor, dass es jetzt so eine Art militaristische Wende gibt. Also
00:51:55: wir müssen uns jetzt irgendwie alle stärker bewaffnen. Das passiert bis zu einem gewissen Grad
00:51:58: natürlich auch. Aber vielleicht ein Begriff, den wir jetzt hier noch nicht so viel genannt haben,
00:52:04: über den wir das letzte Mal im Gespräch stärker gesprochen haben, den würde ich gerne wieder
00:52:08: einbringen und das ist der der Resilienz. Also es ist sozusagen weniger Militarismus als vielmehr
00:52:14: ein stärkerer Resilienz und dazu gehört in der Europäischen Union aus meiner Sicht auch,
00:52:19: dass wir uns verstärkt darüber Gedanken machen, nicht nur wo, in welchen Politikfeldern unser
00:52:25: Modell, unser Club, unser toller Club sozusagen verwundbar ist, sondern auch wer aus diesem
00:52:31: Club am verwundbarsten ist und wie wir uns da schützen können und wie wir auch vielleicht
00:52:37: aus einer sozialdemokratischen Perspektive noch mal stärker in diese Richtung denken können. Was
00:52:42: heißt das eigentlich langfristig, wenn wir Resilienter werden wollen? Also das ist ja nicht
00:52:47: nur so eine abstrakte Größe von "Es gibt Sanktionen und man kann irgendwie handeln", sondern
00:52:51: das bedeutet ja ganz faktisch auf der Ebene vor Ort. Was heißt das für die Realität,
00:52:56: für Bevölkerung, für Menschen in ihrem Alltag? Ich habe versucht einen Kuchen zu backen in dieser
00:53:02: Woche und ich habe kein Mehl mehr bekommen. Das ist sozusagen eine ganz banale Ebene von Resilienz,
00:53:10: über die wir stärker nachdenken müssen und die lässt sich skalieren auch global und da ist
00:53:14: die EU in ihrem Selbstbild gefordert, einerseits ganz egoistisch vor Ort. Wie können wir unsere
00:53:19: Bevölkerung sinnvoll schützen, anknüpfend an dieses neue, in Anführungszeichen Bedrohungsgefühl,
00:53:26: das wir haben? Wie können wir auch nicht nur ein Gefühl von Sicherheit geben, sondern auch
00:53:30: faktisch uns absichern und die andere Frage eben im internationalen Agieren, die EU als globaler
00:53:36: Akteur, wie können wir da auch Verantwortung übernehmen und andere vielleicht schützen,
00:53:42: andere Versorgungsketten absichern und das hat eben nicht nur was mit irgendwie Almosen und
00:53:48: Solidarität in dem Sinne zu tun, sondern es liegt in unserem Interesse. Vielleicht nur noch diesen
00:53:53: Satz, die nächste Krise kommt bestimmt und ob sie jetzt hier erfolgt in der EU oder woanders,
00:53:58: das wissen wir noch nicht, aber es gibt natürlich andere Weltregionen, die wesentlich verwundbarer
00:54:02: sind auf ganz vielen verschiedenen Ebenen und dass das auch Auswirkungen auf uns hat, das ist
00:54:07: spätestens jetzt, glaube ich, den meisten Leuten klar geworden. Die Umstütze im arabischen Frühling,
00:54:13: die haben, glaube ich, begonnen mit steigenden Brotpreisen und das sind so Ketten, auf die ich
00:54:18: einfach nochmal hinweisen möchte. Das klingt so banal, ja, also es gibt jetzt irgendwie kein
00:54:25: Mehl mehr zu kaufen. Das ist natürlich ein Stück weit auch eine Panikreaktion hier bei manchen
00:54:29: Menschen, aber in anderen Stellen kann das veritable Krisen verstärken und vertiefen und das
00:54:35: kann der EU als global agierenden Akteur nicht egal sein im Eigeninteresse und ja auch in der
00:54:42: Erkenntnis, dass das mit der Stärke, die wir vielleicht wirtschaftlich haben, auch eine Verantwortung
00:54:47: einhergeht. Resilienz als Leitmotiv auf unterschiedlichen Ebenen. Danke Eva Renate. Wir haben ja im Kontext
00:54:54: Deutschland jetzt immer von der Zeitenwende gesprochen im Zusammenhang mit dem UK-Inkrieg und
00:54:59: andere sprechen ja auch von der Zeitenwende hier auf der EU-Ebene und dieses kritische Instrument
00:55:05: des Wandel durch Handel ist ja eigentlich der Grundsatz der EU. Also als Handelsmacht, als
00:55:11: Wirtschaftsmacht hat man versucht ja auch in anderen politischen Feldern Einfluss zu nehmen. Und
00:55:17: wenn die Kommissionspräsidentin von der Leyen, von dem geopolitischen Akteur EU gesprochen hat,
00:55:23: dann war das ein umfassender Begriff und da war bestimmt nicht in erster Linie eine militärische
00:55:29: Macht mit gemeint. Jetzt und das finde ich halt das Schwierige und das ist für uns als Sozialdemokraten
00:55:36: natürlich das besonders Schwierige dieses, was Eva gesagt hat. Bedeutet denn jetzt eine außenpolitische
00:55:42: Macht zu sein, das ist ja jetzt sozusagen das Argument, um das zu untermauern, um von Akteuren
00:55:48: wie Putin respektiert zu werden, braucht man diese militärische Absicherung in der Sicherheitspolitik
00:55:55: und in der Außenpolitik. Man muss ein machtpolitischer Akteur sein, der durch militärische Aufrüstung
00:56:02: dann überhaupt erst handlungsfähig ist. Das heißt um die Werte, die man ja in der EU vertreten
00:56:09: möchte weltweit, die man jetzt mit der Wirtschaftsmacht versucht hat durchzusetzen, umzusetzen. Da ist
00:56:16: jetzt die große Frage im Raum, muss man das mit einer militärischen Fähigkeit unterstützen,
00:56:22: um, das hatten wir am Anfang gesprochen, dann auch Gesprächspartner eben auf der globalen Ebene zu
00:56:28: sein, wenn es darum geht zu verhandeln über Krieg und Frieden. Und das ist eine schwierige
00:56:34: Debatte für ein Friedensprojekt, das die EU letztendlich ist. Und diese Fragen, die werden
00:56:41: jetzt diskutiert und da werden auch viele Entscheidungen getroffen und im Moment fließt viel
00:56:45: Geld auf nationaler Ebene. Aber wie wir vorhin ja auch schon gesagt haben, über die Friedensfaszilität
00:56:51: wird auch Geld von der EU-Ebene bereitgestellt für militärische Unterstützung. Und da muss man
00:56:57: jetzt gucken, wie geht das weiter? Ist das wirklich die einzige Möglichkeit? Das, was die Krieg in der
00:57:02: Ukraine uns irgendwie jetzt vor Augen führt, anscheinend geht es nicht ohne dieses militärische
00:57:08: Backup. Aber man muss eben auch gucken mit den vielen Krisen, die man jetzt hat, das Geld ist
00:57:14: irgendwo begrenzt. Es wurden hohe Schulden aufgenommen schon in der Corona-Krise auf nationaler
00:57:21: Ebene und eben auch was Novum war auf der EU-Ebene. Die Diskussion hat ja schon stattgefunden,
00:57:27: soll man noch so ein Paket jetzt um die Widerstandsfähigkeit eben der EU zu untermauern,
00:57:32: nochmal so ein Paket auf den Weg bringen. Das ist bisher erst mal wieder hinten angestellt worden,
00:57:37: aber die Diskussion wird bleiben. Und wofür verwendet man jetzt sozusagen die Ressourcen in
00:57:43: welche Richtung, um dann eben diese außenpolitische Sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit,
00:57:47: von der so viel gesprochen wird, zu erreichen? Also ist es verdeutlich, dass sozusagen vielleicht
00:57:51: auch manche Traditionslinien im Denken, manche Teile unserer Selbstverständnis ist,
00:57:56: vielleicht nochmal neu justiert werden müssen angesichts dieser Situation. Da habe den Eindruck,
00:58:01: wir sind noch lange nicht am Ende der Fragen, aber etwas am Ende unserer Zeit in dem Podcast.
00:58:05: Das beruhigende ist, dass wir diese Gespräche weiter fortsetzen werden. Wir haben natürlich nicht
00:58:11: die Antwort auf alle Fragen gefunden, aber ich finde doch eine ganz, ganz interessante Bilanz
00:58:15: gezogen. Es gab ja bei allen von euch eine gewisse Wertschätzung, dem Raschen agieren in der
00:58:21: unmittelbaren Situation. Da hat die EU sich gut vorbereitet, gezeigt mit ihren Stärken, aber es
00:58:27: ist auch deutlich geworden, dass aus institutionellen Gründen, dass aus Runden der Spaltung möglicherweise
00:58:34: und unterschiedlichen Interessen in der Europäischen Union quasi keine Selbstverständlichkeit gibt,
00:58:40: dass diese Einigkeit weiter besteht. Ich will euch eine letzte Frage stellen, wenn ihr gestattet.
00:58:45: Ihr seid ja alle engagierte Sportlerinnen und Sportler. Wenn wir jetzt wollen, dass diese
00:58:50: Europäische Union zu einem außenpolitischen Akteur wird, mit welcher Sportart können wir das am
00:58:55: besten vergleichen? Ist es ein Mannschaftssport, ist es eher ein Marathon oder ein Sprint von
00:59:00: Einzelnen? Was fällt euch da ein? Ich glaube, das ist eine Sportart, die wir sehr selten kennen.
00:59:06: Das sind diese katalanischen Pyramiden, wo sich Menschen zu Menschenpyramiden aufbauen und alle
00:59:13: sich darauf verlassen müssen, dass der drunter sich hält, dich hält und dass der drüber gut
00:59:18: balanciert und auch den ganzen Laden zusammenhält. Ich glaube, wir haben sehr viel über die
00:59:23: Bruchstellen in der EU gesprochen und das ist auch das Problem gewesen, warum die Sanktionen ja
00:59:28: nicht erfolgreich waren im Vornherein. Niemand hat geklagt, dass diese Sanktionen kommen. Insofern
00:59:33: hat die Abschreckung nicht funktioniert, weil die Erfahrung war ja bisher sowohl aus russischer
00:59:38: als auch chinesischer Perspektive. Wenn es immer darauf ankommt, können wir uns darauf verlassen,
00:59:42: dass die EU sich zerlegt. In jeder Krise war das bittlang so. Dann streitet man sich wie die
00:59:48: Kesselflicker und im Zweifel muss dann irgendwie das Tafelsilber an die Chinesen verkauft werden
00:59:52: und die Russen können ihr Geld durch den Lornan durchwaschen. Sofern, glaube ich, brauchen wir
00:59:56: das Sport hat, wo Einigkeit eine Grundvoraussetzung ist und wo nichts gelingt, wenn nicht alle tatsächlich
01:00:02: das gleiche Ziel verfolgen. Es kommt darauf an, sich unterzuraken wie bei diesen katalanischen
01:00:08: Pyramiden. Danke, Christas. Ich knüpfe da direkt an. Die katalanischen Pyramiden sind gar nicht zu
01:00:12: toppen. Deswegen möchte ich dieses Bild ergänzen durch einen ja irgendwie auch noch fehlenden
01:00:17: Fußballvergleich. Wir sind, da spreche ich natürlich auch als Bremerin jetzt vielleicht einfach
01:00:22: erschrocken in der zweiten Liga aufgewacht und sind aber jetzt, glaube ich, auf hart arbeiten,
01:00:28: daran den Wiederaufstieg zu schaffen in die erste Liga der Außenpolitik und in die sozusagen
01:00:34: Weltpolitikfähigkeit, die immer so oft angesprochen wurde und auch angekreidet wurde als ein Mangel
01:00:39: in der Europäischen Union. Also als katalanische Pyramide kann es uns gelingen und da sehe ich
01:00:45: Hoffnung und so wie Werder Bremen jetzt als Spitzenreiter der zweiten Bundesliga kann es auch der EU
01:00:51: gelingen. Du weißt aber, Eva, dass du mit dem Fußballvergleich ein riesiges Fass aufmachst,
01:00:55: in das man sehr schnell reinfallen kann. Ja, natürlich. Wir versuchen das nicht zu vertiefen
01:01:03: und dann nicht reinzufallen in dieses große Loch, was sich da möglicherweise auftun kann. Aber
01:01:08: wir haben verstanden, also mit katalanischen Pyramiden kommen wir wieder in die erste Bundesliga.
01:01:12: Renate. Da bin ich ja eher positiv der EU gegenüber eingestellt. Ich finde gerade eben in den letzten
01:01:20: beiden Krisen, aber auch den Krisen davor, ist die EU trotzdem gewachsen, trotz der großen Herausforderung.
01:01:25: An diesen Krisen und hat wichtige Schritte doch geschafft, nicht alles, was wir uns vorstellen
01:01:31: und auch nicht so schnell. Aber jetzt endlich ist es schon in eine gute Richtung in vielen
01:01:36: Feldern gegangen und ich bin jetzt kein Fußballfan und finde auch immer diese Fußballvergleiche
01:01:41: ganz furchtbar. Aber natürlich ist die EU per se ein Mannschaftssport, denn wir sind eine Mannschaft
01:01:45: von 27 Nationalstaaten, die sich zusammenraufen müssen und da gibt es unterschiedliche Charaktere
01:01:52: und man kann viele Instrumente entwickeln, im Sinne von Institutionen und viele Reformen
01:01:59: verabschieden. Was uns aber zusammenhalten soll, ist ja unsere Wertebasis. Und da müssen alle
01:02:06: Beteiligten hinterstehen und das auch umsetzen. Und da war ja auch große Schwierigkeiten. Wir
01:02:11: haben Ungarn und Polen schon angesprochen. Die spielen da nicht mit, das sind Spielverderber,
01:02:16: wenn es um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geht. Und da hat die EU jetzt insofern wieder
01:02:22: reagiert, wie sie reagieren kann. Sie hat ein neues Instrument entwickelt, das mit
01:02:26: Finanzen unterlegt ist und wie gesagt, jetzt soll der Prozess dieses Rechtsstaatsmechanismus
01:02:31: eingeleitet werden, im Falle von Ungarn, was auch nur große Herausforderungen ist. Und
01:02:36: viele Kritiker sagen schon jetzt wieder, dass auch das Instrument wird nicht ausreichend
01:02:40: wirken. Wir werden es sehen. Aber nur so funktioniert die EU. Wir müssen immer wieder den Teamgeist
01:02:48: sozusagen ansprechen und wecken durch eine positive, was wir mal so schön sagen, Erzählung
01:02:55: zur EU. Das war bis dato, die EU ist die Friedensmacht und die garantiert Frieden und Sicherheit
01:03:01: aufgrund von Marktzusammengehörigkeit, aufgrund von wirtschaftlicher Stärke, aufgrund von
01:03:06: Handel auch mit der Außenwelt außerhalb der EU. Und ja, jetzt müssen da noch ein paar
01:03:12: andere Elemente dazukommen und da muss der Teamgeist stimmen. Da muss der politische
01:03:17: Wille da sein und nicht nur auf dem Papier und nicht nur als Absichtserklärungen. Da
01:03:23: muss dann auch wirklich der Wille dahinterstehen und Eva hat das vorhin gesagt, gerade im
01:03:26: außenpolitischen Bereich, wenn man da besser vorankommen will, dann heißt das ja auch
01:03:30: Abgabe von Souveränität auf der Nationalstaats-Ebene. Und wer dazu bereit ist und die Frage
01:03:35: muss sich Deutschland vor allem hier auch stellen, muss man dann eben einfach sehen.
01:03:39: Und man braucht letzter Satz dazu, ich glaube in diesem Team immer, welche die vorangehen
01:03:44: und die Zeichen setzen. Da wird oft nach Deutschland geguckt, da wird nach Frankreich geguckt,
01:03:49: in welche Richtung gehen die. Spanien und Italien spielen mittlerweile auch eine sehr
01:03:53: große Rolle und diese Länder müssen dann vorangehen und diesen Teamgeist bei den anderen
01:03:59: dann auch wecken und die die Widerstand leisten sozusagen dann durch diesen Druck dann auch
01:04:04: mitziehen. Also Mannschaftssport braucht aber Stürmer. Also es geht nur zusammen, das taucht
01:04:10: bei all euren Sportvergleichen auf. Herzlichen Dank nicht nur für die Sportvergleichen,
01:04:16: nicht nur für den Bundesliga-Bezug, der uns am Ende noch gelungen ist, sondern danke
01:04:20: für den insgesamt guten Austausch bei einem, wie ich finde, unfassbar komplexen Thema.
01:04:24: Herzlichen Dank an alle Beteiligten sozusagen Henry Christian J. Eisenhower, aber vor allem
01:04:29: Eva L. Reit, Christos Katscholes und Renate Tenbush. Also danke für den guten Austausch.
01:04:34: Es steht fest, wir werden das Gespräch fortsetzen müssen und ich freue mich schon jetzt darauf.
01:04:37: Danke für heute. Vielen Dank, Christian. Vielen Dank an euch. Danke.
01:04:42: [Musik]
01:04:45:
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